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Die alte Fabrikantenvilla in Stahnsdorf wird an den Landkreis verkauft, der sie abreißen möchte.

© Sebastian Gabsch

Stahnsdorf: Zu viel Kultur?

Die Zukunft der alten Villa in der Ruhlsdorfer Straße ist weiter offen. Nun sorgt eine temporäre Ausstellung dort für neuen Streit.

Stahnsdorf – Um die alte Fabrikantenvilla in der Ruhlsdorfer Straße ist erneut ein Streit entfacht. Künstler würden das Objekt „hijacken“, beschwert sich der Stahnsdorfer FDP-Mann Christian Kümpel. Er sieht damit die Gemeindevertreter in ihrer Entscheidung beschnitten. Diese hatten im Dezember Bürgermeister Bernd Albers (Bürger für Bürger) damit beauftragt, bis zum Juni ein Nutzungskonzept für das leer gezogene Wohnhaus zu erarbeiten. Danach sollte entschieden werden, wie es weitergeht. Statt in Ruhe abzuwarten, werde Druck gemacht, so Kümpel. Zudem könne sich Stahnsdorf einen weiteren Kulturstandort zu dem ohnehin geplanten Bürgerhaus gar nicht leisten. Zwei Standorte sei einer zu viel, meint er. Verwaltung und Künstler sehen das jedoch anders.

Stein des Anstoßes ist erneut die Künstlergruppe „ArtEvent“, die schon im November mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Bettlaken und einer Spruchkette aus Plastikbechern gegen einen möglichen Verkauf der Villa mobil gemacht hatte. Derzeit bereiten die Künstler im Haus ihr jährliches „ArtEvent“ vor, doch von „gewaltsamer Übernahme“ könne keine Rede sein. Im Zuge der Vorbereitung für die Veranstaltung, die für Mitte Mai geplant ist, habe die Verwaltung den Künstlern den Schlüssel übergeben, auch Strom und Wasser vorübergehend angestellt, erklärte Gemeindesprecher Stephan Reitzig. Sowohl Verwaltung als auch Bürgermeister würden sich auf eine gelungene Veranstaltung freuen, sagte er.

Jedes Jahr sucht die Künstlergruppe für ihre Ausstellung einen anderen, teils ausgefallenen Ort. Nach dem Kesselhaus auf dem Gelände der Teltower Biomalzfabrik und den Kleinmachnower Kammerspielen wollen sie diesmal in der alten Villa am Stahnsdorfer Hof eine 14-tägige Ausstellung zum Thema „Durchzug“ auf die Beine stellen. „Wie das Thema schon sagt, ziehen wir durch“, erklärte dazu die Teltower Malerin Frauke Schmidt-Theilig. Ziel der Künstlergruppe sei es nicht, sich dort zu etablieren, vielmehr zu zeigen, „welche Möglichkeiten die Villa als Kulturstandort bietet“.

Auch wenn die Künstlergruppe eher eine reisende ist, anderen Kulturschaffenden im Ort fehlt es an einem festen Domizil, von denen etwa Kleinmachnow mit dem Landarbeiterhaus und den Kammerspielen schon zwei zu bieten hat. Ausstellungen finden temporär im Gemeindezentrum statt, Lesungen in der Gemeindebibliothek, andere Veranstaltungen in den Bürgerhäusern in den Ortsteilen. Vor allem der Verein „Bürgerhaus Ruhlsdorfer Straße 1“ liebäugelte mit der Villa und wünscht sich dort kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen und Kammerkonzerte, auch eine Begegnungsstätte für Flüchtlinge und Senioren war im Gespräch (die PNN berichteten). Letztere werden allerdings erst einmal wie geplant in das leer stehende Lokal in der Lindenstraße 22 ziehen, das die Stahnsdorfer Wohnungsgesellschaft derzeit für die Senioren herrichtet.

Einig sind sich die Gemeindevertreter aber schon lange, dass Stahnsdorf ein Haus für alle braucht. Ein solches Bürgerhaus sollte nach einem 2013 gefassten Beschluss der Kommunalpolitiker am Dorfplatz auf dem Gelände der Feuerwehr entstehen, wenn diese in ihr noch neu zu bauendes Depot umgezogen ist, alternativ – so sich die Pläne vor Ort nicht umsetzen lassen – sollte ein Neubau neben dem Gemeindezentrum an der Annastraße entstehen. Der auf einem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Ortsmitte beruhende Beschluss harre noch der Umsetzung, sagte Stephan Reitzig. Der Bedarf an einem Bürgerhaus mit größerem Veranstaltungsraum sei aber unverändert hoch.

Der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Dietmar Otto (SPD), sieht das ganz ähnlich. Beide Häuser ergänzen sich und seien keine Alternativen. Vor allem für Feste, Feiern und Empfänge benötige Stahnsdorf dringend Räume, bei der Unterstützung von Künstlern hinke die Gemeinde den Nachbarkommunen hinterher. Eine vorübergehende Nutzung der derzeit leer stehenden Villa in der Ruhlsdorfer Straße sei zudem werterhaltend für das Haus, meint er.

Christian Kümpel fürchtet jedoch finanzielle Schwierigkeiten. Beide Kulturstandorte müssten mit Millionen ausgebaut werden, allein für die Ruhlsdorfer Straße kämen mehr als eine halbe Million Euro auf die Gemeinde zu, für den Umbau des Feuerwehrdepots mindestens noch einmal so viel, sagt Kümpel. Außerdem müsste Stahnsdorf beide Standorte dauersubventionieren, glaubt er. Das ginge zu Lasten der Infrastruktur, etwa dem Schulneubau.

Ganz so schwarz sieht die Verwaltung das nicht. Inzwischen sei die Kreisvolkshochschule an der 1910 für die Nachkommen des Gutsherren Albert Pademann erbauten Villa in der Ruhlsdorfer Straße interessiert, könne sich dort ihren Verwaltungssitz vorstellen. Derzeit ist die Volkshochschule im Haus der Kreismusikschule Am Weinberg in Kleinmachnow untergebracht. „Es ist eine erste, noch unverbindliche Idee“, sagte die Leiterin der Bildungseinrichtung, Indra Kühlcke. Mit der Verwaltung und Teilen des Kursprogrammes, die vor Ort angeboten werden könnten, würde die Schule jedoch ihre Präsenz in der Region erhöhen, erklärte sie. Ein Kulturangebot könnte dennoch in das Haus integriert werden.

Für die Gemeinde könnte sich das auszahlen. Die als GmbH organisierte Volkshochschule würde die Räume nicht unentgeltlich nutzen. Über die genauen Konditionen müsse aber noch gesprochen werden, sagte Kühlcke. Jetzt sei die Stahnsdorfer Gemeindeverwaltung am Zug, die vorgelegten Ideen zu bündeln und möglicherweise in das geforderte Nutzungskonzept einfließen zu lassen. Bürgermeister Bernd Albers ließ bereits durchblicken, dass er die Idee der Volkshochschule begrüße und auch für die Teltower Künstlerin Frauke Schmidt-Theilig ist die Sache klar. „Bildung und Kultur – das passt doch gut zusammen“, sagte sie.

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