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Stahnsdorf: War Autounfall doch ein geplanter Suizid?

Mordprozess vor dem Potsdamer Landgericht: Die Frühere Chefin des Unglücksfahrers glaubt nicht an einen zufälligen Unfall. Ein Angeklagter sprach von Selbstmordabsichten des ehemaligen Intensiv-Pflegers. Aber wollte seine Frau auch sterben?

Potsdam/Stahnsdorf - Für Elena U. steht zweifelsfrei fest: „Ein Unfall war es nicht.“ Die Leiterin eines Brandenburger Pflegedienstes ist überzeugt, dass ihr ehemaliger Intensiv-Pfleger Michael A. am ersten Weihnachtstag 2015 seinen Wagen auf der Landesstraße L77 zwischen Güterfelde und Saarmund absichtlich gegen einen Baum lenkte. Während seine neben ihm sitzende Ehefrau starb, kam er schwer verletzt in ein Krankenhaus.

Zwei Jahre vor der mutmaßlichen Amokfahrt soll Michael A. seiner damaligen Chefin von Suizidabsichten erzählt haben, erklärte diese am gestrigen Dienstag vor der Ersten Großen Strafkammer des Potsdamer Landgerichts. Dort muss sich der 63-Jährige seit Ende Dezember wegen des mutmaßlichen Mordes an seiner damals 57-jährigen Ehefrau Anna A. verantworten. Denn auch die Staatsanwaltschaft geht nicht von einem gewöhnlichen Unfall aus.

„Er kam zu mir und bat mich, ihm zu kündigen“, erzählte Elena U. In der Schweiz hätten sich Michael A. und seine Frau eine Spritze geben lassen wollen. „Es klang nach einem durchdachten Plan. Für mich war klar: Er ist krank.“ Elena U. vermittelte einen Psychiater, der zunächst auch helfen konnte. Er verschrieb Medikamente, es schien A. besser zu gehen, berichtete sie. Der Angeklagte hatte zunächst bei dem Pflegedienst in Vollzeit gearbeitet, später sei er noch auf geringfügiger Basis dort beschäftigt gewesen. Weil die Patienten nicht mit dem relativ kühlen Pfleger zurechtgekommen seien, habe die Pflegedienstleiterin Michael A. an einen anderen Kollegen vermittelt. Seit 2014 arbeitete er bei dem Potsdamer Pflegedienst Veritas. Immer wieder habe es depressive Phasen gegeben, erklärte auch seine Tochter. Auch ihr hatte der Vater von suizidalen Gedanken erzählt. Letztlich hätte er sie aus Pflichtgefühl seiner Mutter gegenüber aber nicht umgesetzt. Von seiner Frau hatte sich der gebürtige Russe zwischenzeitlich getrennt, eine eigene Wohnung bezogen. Es war eine „schlimme Beziehung“, sagte eine Freundin der Verstorbenen am gestrigen Dienstag vor Gericht. Er habe sie geschlagen, aus der Wohnung geworfen, sie habe ihn geliebt, verziehen. Immer wieder kehrte er zurück.

So auch vor dem Unglückstag. Auch Heiligabend will Michael A. bei seiner Frau verbracht haben, für alle anderen war er nicht mehr erreichbar. Bei seinem Arbeitgeber war er zuletzt am 19. Dezember 2015 zum Dienst erschienen. „Er war auffällig blass, wirkte teilnahmslos und abwesend“, berichtete eine Kollegin. Am 23. Dezember hätte er die nächste Schicht gehabt, kam aber nicht. Als Anrufe und Hausbesuche ins Leere liefen, informierten die Kollegen die Polizei. Auch den Dienstwagen, den Michael A. bereits am 19. Dezember nach Schichtende auf dem Firmenparkplatz abstellen sollte, hatte er nicht zurückgebracht. Für seine frühere Chefin Elena U. ein Indiz für eine geplante Tat. Auf sein Privatauto lief noch ein Kredit. „Er wollte nicht, dass seine Kinder dafür zahlen.“ Dass auch Anna A. aus dem Leben scheiden wollte, glaubt deren Freundin indes nicht. „Sie war oft traurig, fühlte sich einsam“, sagte sie zwar. Doch sei die aus Lettland stammende Frau auch sehr gläubig gewesen. Selbstmord wäre in ihren Augen eine Sünde gewesen, erklärte die 60-Jährige.

Anna A. und ihr Mann sollen gerade auf dem Rückweg von einem Saunabesuch in den Ludwigsfelder Thermen gewesen sein, als Michael A. mit dem weißen VW-up-Firmenwagen plötzlich nach rechts ausscherte und bei 90 bis 100 Stundenkilometern ungebremst gegen einen Baum raste. Er habe eine optische Halluzination gehabt, sah Vögel und einen Feuerstrom, der sich in einen Feuerball verwandelt habe, erklärte er. Ursache könnte eine Störung des vegetativen Nervensystems sein, die bei der Geburt entstanden sei, so der Angeklagte. Schon bevor er ins Auto stieg, habe er sich kurz schwindelig gefühlt, dem aber keine Bedeutung beigemessen. Weitere Erinnerungen an die Fahrt habe er nicht. Solveig Schuster

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