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Stahnsdorf: Endlich angekommen

Zu fünft leben sie in einer Wohnung mit 40 Quadratmetern, bekamen Weihnachtsgeschenke von Nachbarn und sind glücklich in Stahnsdorf zu sein: Die Flüchtlingsfamilie Farah hat im Ortsteil Schenkenhorst ein Zuhause gefunden.

Stahnsdorf - Auf dem Fußweg spazieren zwei Nordic Walker, ein paar Reste Weihnachtsbeleuchtung blinken noch in den Fenstern der Einfamilienhäuser und auf einer Koppel in Sichtweite schüttelt ein Pferd träge seine Mähne. Als Halima Farah die Tür zu ihrer Wohnung in Schenkenhorst öffnet, breitet sich ein strahlendes Lächeln über ihrem Gesicht aus. In dem dörflich gelegenen Stahnsdorfer Ortsteil hatte die Familie nach wochenlanger Unsicherheit im Juli vergangenen Jahres endlich eine langfristige Unterkunft gefunden. Zuvor hatte die fünfköpfige somalische Familie von der Flüchtlingsunterkunft in der Potsdamer Straße in Teltow nach Brück verlegt werden sollen, weil das Heim zu Juni 2017 geschlossen wurde (PNN berichteten). Die Familie hatte bereits vier Jahre in Teltow gelebt, sich dort nach einer langen, gefährlichen Flucht über das Mittelmeer heimisch und sicher zu fühlen begonnen. Die beiden Eltern hatten endlich einen Platz in einem Deutschkurs bekommen, die Kinder Freunde in der Kita gefunden. An einem neuen Ort nochmal komplett von vorne anzufangen, das wollten die Farahs nicht einsehen – und wehrten sich, indem sie zunächst trotz Drohungen von Mitarbeitern des Landkreises einfach in der Teltower Flüchtlingsunterkunft blieben.

Ein Sozialarbeiter der benachbarten Flüchtlingsunterkunft habe ihnen schließlich den rettenden Kontakt zum Eigentümer des Schenkenhorster Gehöfts vermittelt, erinnert sich Halima Farah. „Der Eigentümer ist ein guter Mann, der uns sehr viel geholfen hat“, sagt die 29-jährige Somalierin. Die kleine Wohnung, die die fünf bewohnen, besteht aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad – insgesamt mögen es 30 oder 40 Quadratmeter sein. Das Schlafzimmer teilen sich alle fünf: Die beiden Mädchen, die dreijährige Mumtaas und die vierjährige Hanan, schlafen im Hochbett, der kleine Omar daneben im Gitterbettchen, die Eltern in einem Doppelbett am Fenster. Im Wohnzimmer stehen eine Couch, ein Schreibtisch, ein Fernseher und ein Schrank, auf dem sich weihnachtlich bedrucktes Geschenkpapier türmt. „Unsere Nachbarn haben den Kindern Weihnachtsgeschenke gemacht“, sagt Halima Farah. „Wir haben so großes Glück mit ihnen, ich kann es kaum glauben.“ Als die Farahs gerade eingezogen waren, hätten immer wieder Menschen bei ihnen geklingelt, sie willkommen geheißen und Hilfe angeboten. „Obwohl sie uns gar nicht kannten“, sagt die 29-jährige Somalierin. Eine Nachbarin half dabei, eine Gardinenstange zu montieren, ein anderer Nachbar brachte eine Deckenlampe an. Beide seien inzwischen zu guten Freunden geworden.

Seit November besuchen Halima Farah und ihr Mann Mukhtar täglich von 9 bis 12.15 Uhr einen Deutschkurs in Teltow. Vorher bringen sie die drei Kinder in die Kita. Dafür nehmen sie täglich den Bus, der sie in etwa 20 Minuten nach Teltow bringt. Samstags fahren sie mit dem Bus zum Einkaufen, denn rund um ihre Wohnung gibt es keine Supermärkte. Anfangs hätten sie kein Internet gehabt und die Abfahrtszeiten nicht genau gekannt, erzählt Halima. Mukhtar habe nicht gewusst, dass der letzte Bus abends um 20 Uhr fährt und ihn einmal verpasst. Nachdem er fast zwei Stunden gewartet habe, sei er schließlich mit den Einkaufstüten zu Fuß nach Hause gewandert. „Gegen elf war er endlich wieder da“, sagt Halima. Manchmal kann die Familie bei Nachbarn mitfahren, aber es sei ihr unangenehm, immer jemanden fragen zu müssen, sagt die 29-Jährige. Wenn sie eine Fahrschule fände, die auf Englisch unterrichtet, würde sie gern den Führerschein machen, sagt sie: „Noch ist mein Deutsch leider nicht gut genug.“

Dafür sprechen Mumtaas und Hanan fließend Deutsch, Englisch und Somali. Die beiden Mädchen haben es sich auf ihrem Hochbett gemütlich gemacht und sehen sich auf einem Handy die Zeichentrickserie „Tom und Jerry“ an. Hanan wird im März fünf, sie wäre am liebsten schon ab Sommer in die Schule gegangen, sagt sie. „Aber sie haben leider gesagt, dass sie noch zu klein ist“, sagt Mutter Halima. Auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer steht ein Buchstabenspiel aus Holz, mit dem Hanan das Alphabet lernt. „Ich kann auch schon meinen Namen schreiben“, sagt die Vierjährige stolz.

Vater Mukhtar hat an diesem Abend für die ganze Familie gekocht, es gibt Reis mit Soße und Hühnchen. Zum Abendessen breitet Halima Farah eine Decke auf dem Wohnzimmerfußboden aus, alle setzen sich und essen gemeinsam von einem großen Teller. Es wäre schön, etwas mehr Platz zu haben, sagt die dreifache Mutter. Aber das sei im Moment nicht das Wichtigste. Erstmal wollen sie und Mukhbar genug Deutsch lernen, um einen guten Job zu finden. „Ich bin sehr froh, dass wir das Glück hatten, in der Nähe von Teltow bleiben zu können“, sagt sie. „Und dass wir so freundlich und herzlich von unseren Nachbarn aufgenommen wurden.“

Hintergrund: Neun Heime in zwei Jahren geschlossen

2017 kamen nach Aussage von Kreissprecherin Andreas Metzler 174 Asylbewerber nach Potsdam-Mittelmark, hinzu gekommen seien etwa 100 Personen durch Familiennachzüge. Die Prognosen Anfang 2017 waren von rund 1200 Geflüchteten ausgegangen. Derzeit gibt es im Landkreis zehn Heime mit insgesamt 1800 Plätzen für Geflüchtete. In den vergangenen zwei Jahren wurden neun Heime im Kreis geschlossen. Sozialarbeiter helfen den Flüchtlingen dabei, Plätze in Deutschkursen, Jobs und eigene Wohnungen zu finden. „Die meisten Wohnungen, die wir anbieten können und die durch das Jobcenter finanzierbar sind, befinden sich im ländlichen Raum“, so Metzler.

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