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Gegen das Vergessen. Die Stolpersteine Gunter Demnigs.

© Ariane Lemme

Potsdam-Mittelmark: Spuren der Nachbarn

Sechs neue Stolpersteine erinnern an Kleinmachnower Opfer des NS-Regimes

Kleinmachnow - Die kleinen Steine erinnern an deportierte und ermordete Juden, oder an solche, die trotz Verfolgung überlebten. Bei Arnim Friedenthal ist der Fall komplizierter: 1927 in Berlin geboren, lebte er mit seiner Mutter, einer Nicht-Jüdin, während der NS-Zeit im Elsternstieg 18 in Kleinmachnow. Immer wieder gab es Razzien der Gestapo in dem Haus, immer wieder wurde der Junge von Nachbarn gewarnt, konnte sich bei ihnen verstecken. Doch als die Jahre voller Angst für ihn vorüber waren, starb er 1946 mit nur 19 Jahren an einer schweren Krankheit.

Am gestrigen Donnerstag verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig für Friedenthal und fünf weitere Kleinmachnower Juden je einen Stolperstein. Mittlerweile gehören die kleinen Messingplättchen im Boden fest zum Kleinmachnower Ortsbild, ihre Zahl ist jetzt auf 21 angestiegen. „Anfangs hat es viel Überzeugungsarbeit gekostet, einige Hauseigentümer wollten zunächst keine Gedenksteine vor ihren Häusern haben“, erinnert sich Martin Bindemann, Diakon der evangelischen Jungen Gemeinde, der das Projekt in Kleinmachnow 2005 initiiert hat. Und auch heute noch missfallen die Gedenksteine offenbar einigen Kleinmachnowern: Im Vorfeld eines Rundgangs entlang der 16 bereits seit 2009 verlegten Steine am vergangenen Samstag war an einigen Stellen Laub und Dreck drübergekehrt worden – obwohl die Arbeitsgruppe sie zuvor extra poliert hatte. Vor anderthalb Jahren wurde sogar ein Stein gestohlen, er ist aber inzwischen ersetzt worden.

Um eben solchen antisemitischen Tendenzen etwas entgegenzusetzen, engagieren sich die beiden 18-jährigen Schülerinnen Astrid Husemann und Lisa Apelt in der lokalen Arbeitsgruppe Stolpersteine, die die Geschichte der deportierten und ermordeten Juden recherchiert. „Bei einer Reise nach Israel wurde mir bewusst, wie präsent der Holocaust dort für die Menschen noch ist“, erklärt Astrid Husemann. Das habe sie nicht losgelassen, in der Arbeitsgruppe forschte sie zu den Lebensdaten von Samuel Stern. Er wohnte auf der Drift 11, von dort wurde er 1942 im Alter von 74 Jahren nach Theresienstadt deportiert und wenige Wochen später ermordet.

Viel mehr lässt sich über die Verfolgten oft nicht herausfinden, die Nazis hatten 1945 viele Akten vernichtet, die meisten Zeitzeugen, Nachbarn etwa, leben längst nicht mehr – oder zumindest nicht mehr in Kleinmachnow. Aber es gibt Ausnahmen wie etwa Andrea Blancke. Sie gab der Stolpersteingruppe vor vier Jahren den entscheidenden Hinweis zu Anton Mayer, der 1944 im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg umkam. Weil sein Name häufig vorkommt, tappten Bindemann und seine Mitstreiter lange im Dunkeln. Dabei war der Kunsthistoriker Mayer Schriftsteller, einige Hinweise auf sein Leben finden sich in seinem Buch „Der Göttergleiche“. Doch Aufschluss gab erst die Freundschaft von Blanckes Mutter mit Mayers Frau Anselma Fürst.

Weniger bekannt ist über Marie Sternberg, die im Uhlenhorst lebte und 1942 nach Riga deportiert wurde. Bereits ein Jahr zuvor war dort Ernst Salomon umgekommen – nur drei Tage nach seiner Ankunft. In Kleinmachnow hatte er in der Stulpestraße gelebt, die heute Lepckestraße heißt. Überlebt hat indes Carl Zerenze. Sein letzter, freiwillig gewählter Wohnort war ein Hof bei Traunstein in Bayern, auf dem er sich zuletzt versteckte. Aus dem Heideweg in Kleinmachnow floh er mit seiner Frau, als die Schikanen und permanenten Hausdurchsuchungen der Gestapo zu viel wurden. So überlebte er die Pogromnacht, ähnlich wie Arnim Friedenthal nur, weil Nachbarn ihn gewarnt hatten. Ariane Lemme

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