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Gut verwertet. Bisher haben Lara und Klaus Wolenski die grünen Trauben weggeworfen, die von den Reben müssen, damit der Rest mehr Sonne und Nährstoffe bekommt. Jetzt wird aus ihnen ein Essig-Ersatz mit leichter Kräuternote.

© Andreas Klaer

Spezialität aus Werder: Aus Töplitz in die Sterneküche

Der Saft unreifer Trauben liegt bei Gourmet-Köchen im Trend. Ein Glücksfall für den Töplitzer Winzer Klaus Wolenski - sein Würzmittel steht nun hoch im Kurs.

Werder (Havel) - Etwas mehr als erbsengroß sind die grünen Trauben und so sauer, dass Klaus Wolenski beim Reinbeißen das Gesicht so verzieht, als wäre es eine Zitrone. Für Wein taugen die unreifen Früchte noch nicht, dafür aber für ein anderes, in Deutschland in Vergessenheit geratenes Lebensmittel: Verjus. Der grüne Saft, den der Winzer aus den unreifen Trauben presst, hat in der Küche eine ähnliche Funktion wie Essig oder Zitronensaft. Dabei ist er milder in der Säure, hat einen fruchtigen, im Abgang leicht kräuterigen Geschmack. Kein Wunder, dass Gourmetköche die Ersten waren, die nach langer Zeit wieder auf den Verjus kamen. Im Mittelalter, bevor Kreuzzügler Zitronen auch nach Europa brachten, gehörte der Verjus unter dem Namen „Agrest“ als Würz- und Säuerungsmittel zu vielen alltäglichen Gerichten. Heutzutage wird er fast nur noch im Iran, der Türkei und im Südwesten Frankreichs verwendet.

Die Wolenskis – Klaus Wolenski, Ehefrau Renate und Tochter Lara – bewirtschaften das Weingut zu dritt und kannten Verjus bereits aus Korsika, wo sie mehr als 20 Jahre lang gelebt haben. Als vor einem Jahr Micha Schäfer, Küchenchef des Berliner Sterne-Restaurants „Nobelhart und Schmutzig“, bei ihnen auf dem Hof stand, waren sie dennoch skeptisch. „Ich habe den Vorschlag anfangs nicht so richtig ernst genommen“, erinnert sich Klaus Wolenski. Doch der Spitzenkoch sei hartnäckig geblieben, bis der Winzer schließlich überzeugt war.

Verjus aus Töplitz in der regionalen Küche beliebt

„Wir verwenden in unserem Restaurant ausschließlich regionale Produkte“, sagt Micha Schäfer. „Das heißt zum Beispiel auch keine Zitronen.“ Als Ersatz will er den Verjus dennoch nicht verstanden wissen, sondern als vollwertige Zutat mit exquisitem Eigengeschmack. Der „grüne Saft“, wie die wörtliche Übersetzung des französischen „vert jus“ lautet, mache sich durch seine spitze Säure gut in Fischgerichten oder in einem Sorbet. Schon seit der Eröffnung des hippen Edelrestaurants vor zweieinhalb Jahren kocht Schäfer dort mit Verjus. Bisher stellte er ihn aber teils selbst aus Äpfeln her, teils bezog er ihn von einem etwas weiter entfernten Weingut in Mitteldeutschland.

Der Grund, aus dem Schäfer es in der Region gerade auf das Töplitzer Weingut abgesehen hatte, ist die Bio-Qualität der dort angebauten Reben. „Wir sind die einzigen Bio-Winzer in Brandenburg“, sagt Lara Wolenski, die den Hof bereits vor einigen Jahren von ihrem Vater überschrieben bekommen hat. Die Weinbauern in Töplitz verwenden nur ein Mindestmaß an Pestiziden, wodurch sich in den unreifen Trauben keine Rückstände befinden. Genau solche Trauben braucht man für die Verjus-Herstellung.

Edles Ende für aussortierte Trauben

Dass der Spitzenkoch auf das Weingut Am Klosterhof in Töplitz aufmerksam wurde, ist für Familie Wolenski gleich doppelt lukrativ: Zur Qualitätssteigerung dünnen sie wie viele Winzer ihre Reben jeden Sommer aus, schneiden also etwa ein Drittel der unreifen Trauben schon im Juli von den Reben. Die verbliebenen Früchte bekommen dadurch mehr Sonne und Nährstoffe ab, wodurch der aus ihnen produzierte Wein eine höhere Qualität hat. Für die unreifen Trauben gab es bis zum vergangenen Jahr keine Verwendung, sie wanderten in den Müll.

Nun jedoch sammeln Lara, Renate und Klaus Wolenski die kleinen grünen Trauben ab Anfang Juli in großen roten Plastikkisten und achten dabei penibel darauf, dass sie nicht vorzeitig zermatscht werden. „Die Haut ist zum Glück noch so fest, dass sie ziemlich robust sind“, sagt Lara Wolenski. Die Kisten voller grüner Früchte stapelt Klaus Wolenski in einen Anhänger und zieht diesen mit seinem Elektrokart Richtung Weinkeller. Dort kommen die Trauben zuerst in die sogenannte Abbeermaschine – eine spiralförmige Vorrichtung, die die Trauben von ihren Stielen befreit. Anschließend werden die kleinen grünen Kugeln in einer Saftpresse umhergeschleudert und der Saft schließlich gefiltert.

Verjus: Noch wissen die wenigsten Leute, was das ist

Für den Privatgebrauch haben die Wolenskis bereits im vergangenen Jahr ein paar erste Portionen Verjus hergestellt. Renate Wolenski habe ihn unter anderem zur Herstellung von Mayonnaise verwendet, sagt Ehemann Klaus. Die Premiere als Lieferant für die Berliner Gourmetküche erfolgt aber erst in Kürze. Lara Wolesnki füllt dafür bereits die ersten Ein-Liter-Flaschen Verjus ab, die dann von Micha Schäfer abgeholt werden können. Es gebe noch ein paar weitere Berliner Gourmet-Restaurants, die Interesse gezeigt hätten und voraussichtlich auch ein paar Flaschen abnehmen werden, so Klaus Wolenski. Außerdem soll es noch Halbliterflaschen geben, die in der Besenwirtschaft des Weinguts für Privatleute zum Verkauf stehen. Die Wirtschaft am Fuße des Weinbergs ist allerdings erst ab Oktober wieder gut besucht, dann kommen viele Besucher zum Federweißertrinken vorbei. „Ich bin gespannt, wie der Verjus angenommen wird“, sagt Klaus Wolenski. „Noch wissen ja die wenigsten Leute, was das überhaupt ist.“

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