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Wasserschutzpolizei Potsdam auf dem Templiner See.

© Enrico Bellin

Sorglos übern See: Rücksichtslose Jetski-Fahrer werden zum Problem

Die Zahl der Bootsunfälle auf der Havel steigt. Gerade Jetskis sind für laut Wasserschutzpolizei gefährlich. Da muss auch schon mal der Polizeihubschrauber aufsteigen.

Von Enrico Bellin

Potsdam - Sorglose Sportbootfahrer, rasende Jetskis und ahnungslose Touristen auf Charterbooten: Die Zahl der Bootsunfälle auf der Havel ist 2018 zwischen Potsdam und Brandenburg an der Havel gestiegen. 94 Schiffsunfälle hat die Wasserschutzpolizei registriert, 2017 waren es noch 83. „Die Sorglosigkeit bei den Schiffsführern hat zugenommen. Sie sind öfter außerhalb der Fahrrinne unterwegs und fahren sich dann fest“, sagte Joachim Pötschke, der Leiter der Wasserschutzpolizei, am Mittwoch bei einem Pressetermin auf dem Hauptschiff der Polizei. 28 Unfälle haben Berufsschiffer verursacht, 39 davon gehen auf das Konto der Fahrer gemieteter Boote. Sie haben damit fast die Hälfte aller Havarien auf dem Wasser verursacht.

Das Problem sei, dass viele Bootsvermieter noch immer keine ausführliche Einweisung geben und etwa Wasserzeichen nicht erklären, sagte Pötschke. Boote bis 15 PS dürfen auch ohne Führerschein gefahren werden. Die meisten Unfälle würden allerdings von Besitzern von Sportbootführerscheinen verursacht, die schon jahrelang nicht mehr gefahren sind und sich auch auf der Havel nicht auskennen. Besonders gefährlich seien laut Pötschke die Neue Fahrt in Potsdam sowie das Caputher Gemünde, da dort die Fahrrinne nur wenige Meter breit ist. Auch an den Fähren auf dem Kiewitt, in Caputh und Ketzin sei viel Aufmerksamkeit gefragt, damit Hobby-Kapitäne ihr Boot nicht in die Seile der Fähren lenken. Als Unfallschwerpunkt würde Pötschke die Fähren aber nicht bezeichnen. „An der Kiewittfähre passieren etwa eine Handvoll Unfälle im Jahr“, relativiert er.

Betrunkene Freizeit-Skipper

Die Sorglosigkeit der Hobby-Kapitäne zeigt sich auch darin, dass mit 28 Fällen doppelt so häufig betrunkene Bootsführer erwischt wurden. Zehn Alkoholfahrer waren auf gemieteten Booten unterwegs. Auch vier Berufskapitäne wurden mit Alkohol am Steuer erwischt. Auf dem Wasser gelten die gleichen Grenzwerte wie im Straßenverkehr: Ab 0,5 Promille begehen Fahrer eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille eine Straftat.

Auch die Zahl anderer Ordnungswidrigkeiten hat im vergangenen Jahr um ein Viertel zugenommen, 844 Sportbootfahrer wurden sanktioniert, wobei auch die Zahl der Kontrollen um 200 gestiegen ist. Etwa bei jedem sechsten der 5031 kontrollierten Schiffe gab es Beanstandungen: So wurden Fahrregeln missachtet, die Boote waren nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet oder Jetski-Fahrer waren viel zu schnell unterwegs.

Seit 2017 sind die Freizeitsportgeräte ein besonderer Kontrollschwerpunkt der Polizei: Von 109 kontrollierten Jetskis gab es 47 Beanstandungen, zehn mehr als noch 2017. Meist waren die Fahrer zu schnell unterwegs oder haben die Uferbewohner belästigt. „Die Fahrzeuge dürfen nur von einem Start- zu einem Zielpunkt fahren. Im Kreis über den See fahren, wie es viele machen, ist nicht erlaubt“, so Joachim Pötschke.

Führerscheinentzug wegen Jetski-Raserei

Die Jetskis können bis zu 140 Stundenkilometer schnell fahren, dürfen auf der Havel je nach Abschnitt aber nur zwischen acht und 15 Kilometer pro Stunde fahren. Im vergangenen Jahr habe man einige Fahrer mit Hilfe der Hubschrauberstaffel ausfindig machen können. Sechs Mal habe die Polizei den Führerscheinentzug beantragt. „Jetskis machen bei uns auf der Havel keinen Sinn, wenn man sich nicht an die Regeln halten will“, resümiert Peter Meyritz, Leiter der Polizeidirektion West. Meyritz wird unter anderem mit der Wasserschutzpolizei ab Samstag auch beim Werderaner Baumblütenfest vor Ort sein. Dort gebe es schwerpunktmäßig Alkoholkontrollen unter den Bootsfahrern.

Auch die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) wird beim Fest an den Wochenenden mit Hundert, unter der Woche mit etwa 50 freiwilligen Helfern vor Ort sein, sagt Peter-Michael Kessow, Präsident des Brandenburger DLRG-Verbandes. 4000 Mitglieder hat sein Verband in Brandenburg, die Zahl stieg 2018 um 14 Prozent. 22 in Not geratene Schwimmer konnten im vergangenen Jahr durch die Ehrenamtler gerettet werden.

Sponsoren für Rettungsstation gesucht

Wie berichtet sind in Brandenburg im vergangenen Jahr 28 Menschen ertrunken, davon einer in Potsdam und einer im mittelmärkischen Nahmitz. 2017 lag die Zahl der Ertrunkenen noch bei 22. Den Anstieg führt Kessow auf den heißen und trockenen Sommer zurück. Besonders Männer seien risikofreudig, 25 der 28 Ertrunkenen waren männlich. Auch für dieses Jahr rechnet Kessow mit ähnlichen Zahlen, sollte der Sommer ähnlich warm und trocken werden.

Um künftig häufiger vor Ort sein zu können, will die DLRG eine schwimmende Rettungsstation bauen lassen. Es soll sich dabei um eine Art Floß handeln, dass über Solaranlagen und ein Abwassersystem verfügt und so autark eingesetzt werden kann. Erste Fördermittel für den rund 250.000 Euro teuren Bau seien bereits zugesagt, allerdings müsse man noch Sponsoren finden. Peter-Michael Kessow hofft, dass mit der Detailplanung und dem Bau des Bootes noch in diesem Jahr begonnen werden kann, damit es zum Saisonstart 2020 einsetzbar ist. Zunächst soll es die Retter auf der Havel unterstützen und später in dem gefluteten Ostsee bei Cottbus eingesetzt werden.

HINTERGRUND

Die Mitarbeiter der Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg und Anbieter von Wassertourismus wollen gemeinsam Informationsmaterialien erarbeiten, um den Tourismus und Naturschutz auf dem Wasser in Einklang zu bringen. Bisher gibt es Stiftungsmitarbeiterin Ninett Hirsch zufolge gravierende Konflikte zwischen Bootstouristen und Naturschutz: Die Störungen der Tiere auf dem Wasser würden durch den zunehmenden Bootsverkehr erheblich steigen. „Problematisch wird dies insbesondere für empfindliche Arten wie die seltene Trauerseeschwalbe. Die brütenden Vögel verlassen ihre Nester, wenn ein Paddler ihnen zu nahe kommt. Dadurch können die Eier auskühlen und die Brut verloren gehen.“ Einige Bootsverleiher händigen allerdings bereits Karten aus, in denen die geschützten Gebiete und andere Rückzugsorte für Tiere verzeichnet sind und weisen die Kunden darauf hin, nicht in die Nähe dieser Orte zu fahren. Zudem gibt es auf einigen Booten Ferngläser, damit niemand zu dicht an den Schilfgürtel heranfahren muss, um seltene Vögel zu beobachten. Mit neuem Informations- und Kartenmaterial der Stiftung sollen künftig noch mehr Bootsverleiher ausgestattet werden, um das Bewusstsein der Touristen für die Natur zu erhöhen. Die Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg koordiniert den sogenannten Natura 2000-Managementplan für die Mittlere Havel, die sich von Pritzerbe bis nach Potsdam erstreckt.

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