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Solarer Lärmschutz an der A10: Gegen die Wand gefahren

Das Land hat überraschend ein Modellprojekt beerdigt: Michendorf bekommt im Zuge des Ausbaus der A10 keine Solarpaneele als zusätzlichen Lärmschutz. Eine Lärmschutzinitiative übt Kritik.

Michendorf/Potsdam - Die Enttäuschung bei der Aktionsgruppe „Lärmschutz Jetzt“ ist groß: Verkehrsministerin Kathrin Schneider (parteilos) hat das Modellprojekt für eine solare Lärmschutzwand entlang der A 10 in Michendorf abgesagt. Im Frühjahr sollen die Bauarbeiten für den Autobahnausbau beginnen. Doch trotz zweier Vergabeverfahren sei kein Investor für den solaren Lärmschutz gefunden worden. Man habe die Bürgerinitiative, die Gemeinde und den Landkreis darüber informiert, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums vom Freitag.

Seit sechs Jahren hatte die AG Lärmschutz für eine Optimierung des Lärmschutzes, der mit dem achtstreifigen Ausbau der A10 und dem Neubau der Rastanlage Michendorf-Süd geplant wird, gestritten. Mit einem Modellprojekt, das der Brandenburger Landtag einstimmig befürwortet hatte, sollte eine herkömmliche Lärmschutzwand mittels Solarmodulen von acht auf zehn Meter erhöht werden. Nachdem sich bei einem ersten Vergabeverfahren dafür kein Investor gefunden hatte, waren die Rahmenbedingungen für ein zweites Verfahren verbessert worden. Das daraufhin abgegebene Angebot habe allerdings nicht die Mindestkriterien der Ausschreibung erfüllt, hieß es aus dem Ministerium. Details wurden mit Rücksicht auf das Vergaberecht auch auf Anfrage nicht genannt.

Ministerin Schneider: Die Idee war gut

„Ich bedauere, dass das Modellprojekt nicht umgesetzt werden kann“, sagte Ministerin Schneider. Die von den Bürgern eingebrachte Idee, den regulären Lärmschutz durch die Kombination mit Solarenergie zu verbessern, sei gut gewesen. Die höheren Kosten sollten mit der Vergütung für den eingespeisten Solarstrom finanziert werden. „Nachdem aber in den vergangenen Jahren die Vergütungen immer weiter gekürzt worden sind, rechnen sich solche Projekte nicht mehr. Auch die besseren Bedingungen für die zweite Ausschreibung haben daran nichts geändert“, so Schneider.

In der Planfeststellung für den Autobahnausbau sei festgelegt, dass im Falle eines Scheiterns des Modellprojekts der Standard-Lärmschutz geschaffen wird. Es werden also acht Meter hohe Lärmschutzwände im Ortsbereich gebaut. Immerhin hätten die Bürger auch erreicht, dass auf dem neun Kilometer langen Abschnitt, der verbreitert wird, Flüsterasphalt verwendet wird, so Schneider. Das bringe eine deutliche Lärmminderung um fünf Dezibel.

Autobahnverbreiterung soll im März beginnen

Die Ausschreibung für den Autobahnausbau läuft, die Abgabefrist für Bieter endet in einem Monat. Demnach sollen die Bauarbeiten im März 2016 starten und spätestens im Oktober 2020 abgeschlossen sein. Der Abschnitt zwischen den Dreiecken Potsdam und Nuthetal soll von sechs auf acht Streifen verbreitert werden – vor allem, um die für 2025 prognostizierten 126 000 Kraftfahrzeuge pro Tag auf diesem Abschnitt aufnehmen zu können. Schon jetzt gehört er zu den am stärksten befahrenen Autobahnabschnitten in Deutschland. Gesamtkosten für die Verbreiterung: rund 130 Millionen Euro.

Bei der AG „Lärmschutz Jetzt“ gab es gestern Unverständnis über das Aus für den solaren Lärmschutz. „Dem uns bekannten Angebot einer Firma für die Herstellung von Lärmschutzwänden wurde kein Zuschlag erteilt – obwohl sich mit der angebotenen solaren Wand die Lärmschutzsituation für Michendorf deutlich verbessert hätte“, so AG-Sprecher Andree Halpap. Vieles habe die Initiative dennoch erreichen können: Neben dem Flüsterasphalt zum Beispiel einen temporären Lärmschutz während der Bauzeit, Ausgleichsmaßnahmen in der Region und Sonderlösungen für stark betroffene Familien. Zwei Familien, die besonders nah an der verbreiterten Autobahn wohnen, sollen umziehen können.

AG Lärmschutz zieht bitteres Fazit

„Mit unserem anspruchsvollen Projekt, der Kombination von Lärmschutz und Photovoltaik, konnten wir uns aber nicht durchsetzen“, bedauerte Halpap. Obwohl Landes- und Bundespolitik ihre Unterstützung zugesichert hätten, seien gleichzeitig die Hinweise der Lärmschutzinitiative zu den fatalen Wirkungen der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für dieses Projekt in den Wind geschlagen.

Halpaps bitteres Resümee: „Vielleicht ist uns letztlich auch unser Versuch der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Straßenbauverwaltung und der Politik auf die Füße gefallen. Vielleicht ist die Zeit für diese Form von Bürgerbeteiligung noch nicht reif und man muss Krawall-Initiativen organisieren, damit man auch bei ständig wechselnden politischen Verantwortlichen ausreichend Gehör findet.“

Cornelia Jung, die das Vorhaben zunächst als Bürgermeisterin der Gemeinde Michendorf begleitete und heute Mitstreiterin in der Lärmschutzinitiative ist, sagte: „Natürlich enttäuscht uns dieses Ergebnis über die Maßen – zumal es ein konkretes Angebot für solare Lärmschutzwände gegeben hat.“ Ministerin Schneider habe der Initiative zwar das Aus für den solaren Lärmschutz persönlich erläutert, aber die Beweggründe für die Nichtvergabe an den der AG bekannten Anbieter, seien vage und unbefriedigend. „Hier hat der Mut gefehlt eine Vision umzusetzen – und dies, während an anderer Stelle im Land Brandenburg Millionen verschwendet werden.“

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