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Noch immer Arbeitgeber. Beim BND können Ralf und Carina Simmes nach ihrer Enttarnung nicht mehr alle Arbeiten ausführen. Zudem habe die Famile Angriffe von anderen Nachrichtendiensten fürchten müssen.

© Stephan Jansen / dpa

Seddiner See: Neues Verfahren im Fall der enttarnten BND-Mitarbeiterin

Der Petitionsausschuss muss sich womöglich mit dem Fall der BND-Mitarbeiterin in Seddiner See befassen, die durch den Bürgermeister enttarnt wurde. Die Ermittlungen der Datenschutzbeauftragten dauern an.

Von Enrico Bellin

Seddiner See - Ruhig ist es im Garten von Carina Simmes in Neuseddin. Die erst wenige Jahre alte Einfamilienhaussiedlung wirkt freundlich, kein Zaun grenzt die Nachbarn voneinander ab. Mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass Simmes vom parteilosen Bürgermeister der Gemeinde, Axel Zinke, als Mitarbeiterin des Bundesnachrichtendienstes (BND) enttarnt wurde. Auch ihr Mann arbeitet bei dem Geheimdienst. „Als bekannt wurde, dass wir beim BND arbeiten, haben wir echte Existenzängste ausgestanden“, sagt Carina Simmes. Doch Nachbarschaft und Arbeitgeber hätten die Familie gestützt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der Sache sind eingestellt, womöglich müssen sie aber wieder aufgenommen werden. Denn für Carina Simmes ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen.

Wie berichtet hatte Zinke im März 2015 die Identität des Arbeitgebers der Gemeindevertreterin der Fraktion BVB / Freie Wähler enthüllt. Die Information dazu hatte er aus einem damals fünf Jahre alten Antrag Simmes auf einen Kita-Platz. Vorher soll er ihr gedroht haben, ihren Arbeitgeber öffentlich zu machen, wenn sie ihr Amt nicht niederlegt. Zinke bestritt das. Ende 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam Ermittlungen gegen Zinke wegen Nötigung und der Verbreitung von Privatgeheimnissen eingestellt, der Tatverdacht habe sich nicht bestätigt.

Auch berufliche Nachteile

Carina Simmes und ihr Mann Ralf erwägen nun, nach der Sommerpause den Petitionsausschuss des Landtags anzurufen. Dieser könnte bei der Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme der Ermittlungen fordern. Wie aus einer den PNN vorliegenden Gegendarstellung des Anwalts der Familie an die Staatsanwaltschaft hervorgeht, sind wichtige Zeugen gar nicht gehört worden, etwa die Vorsitzende der Gemeindevertretung, die bereits im Februar 2015 Ralf Simmes explizit nach seinem Arbeitgeber gefragt hatte. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass die Familie durch das Bekanntwerden des Arbeitgebers der Gefährdung etwa durch Angriffe anderer Nachrichtendienste ausgesetzt war. „Unseren Arbeitgeber kannte hier niemand“, so Ralf Simmes.

Christoph Lange, Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, hält diese Vorwürfe für unbegründet. Carina Simmes hätte außerdem die Möglichkeit gehabt, ein Klageerzwingungsverfahren einzuleiten. Simmes zufolge hätte dies jedoch der Staatsanwalt tun müssen.

Zinke hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft angegeben, dass Simmes zuerst mit ihrem Arbeitgeber an die Öffentlichkeit gegangen sei. Ihm sei es in der Debatte lediglich darum gegangen, welche Auswirkungen die aus seiner Sicht falsche Angabe zum Arbeitgeber hatte. Ralf und Carina Simmes hatten stets angegeben, Verwaltungsbeamte beim Amt für Schadensabwicklung zu sein – einer Scheinbehörde des Nachrichtendienstes. „Das war wahrheitsgemäß, wir sind Verwaltungsbeamte“, so Ralf Simmes. Zinke war für eine Stellungnahme in den vergangenen Tagen nicht erreichbar.

Für die Familie Simmes bedeutet die Enttarnung neben dem Sicherheitsrisiko auch berufliche Nachteile: Dem Paar wurde eine Verwendungseinschränkung bestätigt, sie kommen damit für viele Tätigkeiten beim Nachrichtendienst nicht mehr in Betracht.

Vor September Ermittlungen nicht abgeschlossen

Laut Gegendarstellung von Simmes Anwalt blieb auch ein Schreiben der Landesdatenschutzbeauftragten von der Staatsanwaltschaft unbeachtet, demzufolge Zinke gegen mehrere Paragrafen des Sozialgesetzbuches verstoßen haben soll. Demnach hätte die Information zum Arbeitgeber nicht an den Bürgermeister weitergegeben werden dürfen, da sie nur zum Zweck der Kita-Beitragserhebung gegeben worden war. Außerdem hätte Zinke den Arbeitgeber anschließend nicht an den Landrat oder die Vorsitzende der Gemeindevertretung weiterleiten dürfen.

Die Ermittlungen der Datenschutzbeauftragten dauern noch an. Wann sie abgeschlossen sind, sei noch unklar, sagte ihre Sprecherin den PNN. Vor September werde es aber definitiv nichts. Ergebnis könnte ein Bußgeld für Zinke sein.

Dem Bürgermeister droht zudem noch ein Disziplinarverfahren durch die Kommunalaufsicht des Landkreises. Wann das eingeleitet wird, ist derzeit noch unklar. Laut Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert muss vorher das Verfahren bei der Datenschutzbeauftragten abgeschlossen sein. Die möglichen Folgen des Verfahrens reichen von einer Kürzung der Bezüge über eine Versetzung bis hin zur völligen Entfernung aus dem Dienst.

Unterdessen laufe die Arbeit in der Gemeinde Carina Simmes zufolge weiter. Innerhalb des vergangenen Jahres hätten die BVB / Freien Wähler sogar deutlich zugelegt: Mehr als 30 Mitglieder habe die Gruppe jetzt in der Gemeinde, die mit etwa 4250 Einwohnern zu den kleinsten Brandenburgs zählt.

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