zum Hauptinhalt
Gutes Händchen. Chorleiter Hans Kuritz probt jeden Donnerstag um 19.30 Uhr mit den Sängern. Er ist über einen Aushang in der Uni zum Chor gekommen.

© Andreas Klaer

Schwielowsee: Capuths singende Arbeiter

Der Männerchor „Einigkeit“ feiert am Sonntag großes Jubiläum: Vor 110 Jahren wurde er als Verein von Tagelöhnern gegründet. Doch es fehlt an Nachwuchs.

Von Enrico Bellin

Schwielowsee - Die markante Melodie von „Go West“ der Village People hallt am Donnerstagabend durch den Probenraum des Männerchors „Einigkeit Caputh“ im Bürgerhaus. Doch hier ist niemand als Cowboy, Indianer oder Bauarbeiter kostümiert wie seinerzeit bei der US-amerikanischen Popband, stattdessen erklingen Tenor- und Bassstimmen von gut 20 gestandenen Männern: „Wir werden heute 110. Das ist uns gar nicht anzusehn, denn Chorgesang erhält uns jung und gibt uns für das Leben Schwung.“ Das Lied wurde für das Jubiläumskonzert des 1907 gegründeten Vereins am morgigen Sonntag in der Caputher Kirche umgedichtet und wird exzessiv eingeprobt.

Hans Kuritz dirigiert die Truppe gestenreich. Trotzdem er mit seinen 26 Jahren nicht einmal halb so alt ist wie der jüngste Sänger, hat der Chorleiter den Respekt der Truppe. Seit Dezember ist er dabei, die Caputher hatten an der Universität Potsdam in Golm per Aushang einen Leiter gesucht. „Da muss man schon ein Faible für haben, für meine Kommilitonen war das wie aus einer anderen Welt“, sagt Kuritz, der Musik auf Lehramt studiert.

Neben der Herausforderung und dem Honorar fand der Student vor allem die Geschichte des Chores interessant. Zwar hatte sich schon 1892 der Sängerverein „Liedertafel“ im Ort gegründet, in ihm waren aber Handwerksmeister, Gewerbetreibende und andere Wohlhabende vereint. Tagelöhner, Arbeiter und Sozialdemokroaten haben deshalb 1907 als Gegenstück die „Einigkeit“ gegründet. Statt Volksliedern wurden Lieder des Klassenkampfes gesungen. Zum Jahreswechsel 1910 wurde statt der üblichen Hymne auf den Kaiser sogar die Internationale angestimmt, wie der zum 100. Jubiläum erschienenen Festschrift zu entnehmen ist.

Aus Sängermangel schlossen sich die beiden Chöre nach dem Ersten Weltkrieg notgedrungen zusammen, trennten sich nach drei Jahren jedoch wieder. Unter den Nationalsozialisten wurde die den Sozialdemokraten nahestehende „Einigkeit“ bereits 1933 verboten, ebenso die bürgerliche „Liedertafel“. 1946 wurde der Arbeiterchor neu gegründet. Trotz eher linker Ausrichtung war er jedoch nicht immer auf Linie der Staatspartei. So durfte das 50-jährige Jubiläum 1957 nur stumm gefeiert werden: Da die Liederauswahl den obersten Genossen nicht zusagte, musste das Festkonzert mit befreundeten Chören abgesagt werden.

Beim morgigen Jubiläumskonzert soll die Caputher Kirche hingegen von Männerstimmen und Blasinstrumenten gefüllt werden: Das Berliner Posaunenquartett „Brass Time“ tritt ebenso auf wie der Männerchor „Concordia“ aus Geltow. Und natürlich die Caputher selbst, verstärkt von zwei Freunden des Chorleiters.

Denn der Nachwuchs fehlt der „Einigkeit“ noch. Die insgesamt 25 aktiven Sänger sind 55 bis 85 Jahre alt. Um neue Leute für Chormusik zu begeistern, soll es im kommenden Jahr offene Veranstaltungen geben, bei der zu einem Thema jeder mitsingen kann, auch ohne Vereinsmitglied zu sein. „Außerdem haben wir extra neuere Lieder, etwa von Santiano, ins Programm aufgenommen, um junge Leute anzusprechen“, sagt der Chorvorsitzende Hans-Joachim Stoof.

Neben den Seemannsliedern Santianos und Volksliedern schlagen die Caputher Herren gern zarte Saiten an, wie Stoof verrät. „Bei Geburtstagen wünschen sich unsere Mitglieder meist, dass wir ,Die Rose’ für sie singen.“ Das Lied von 1979, in der Version von Bette Middler bekannt, gibt es auch auf Deutsch: „Liebe ist wie wildes Wasser, das sich durch Felsen zwängt. Liebe ist so wie ein Messer, das dir im Herzen brennt.“ Auch „Die Rose“ wird morgen in der Caputher Kirche erklingen.

Sonntag, 17 Uhr, Kirche Caputh. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Hörproben und weitere Informationen finden Sie hier >>

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false