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Schnelles Internet: „Betriebe müssen schnell kommunizieren können“

Karsten Gericke, Breitbandbeauftragter im Landkreis Potsdam-Mittelmark, erklärt im PNN-Interview, wie der Internetausbau im ländlichen Raum bis zum Jahr 2020 gelingen soll.

Herr Gericke, mit welchen Geschwindigkeiten fahren Sie in Bad Belzig derzeit über die Datenautobahn?

Das Landratsamt ist direkt ans Telekommunikationsnetz angeschlossen und verfügt über eine eigene Standleitung, schon wegen der Datensicherheit. Aber auch in Bad Belzig selbst ist ein großer Teil der Bewohner mit Geschwindigkeiten von 50 Mbit versorgt.

Trotzdem planen Sie eine neue Breitband-Offensive und werben im Rahmen einer Bundesinitiative um Fördermittel...

Es geht vor allem um den ländlichen Raum. Zäumen wir das Pferd von hinten auf: Der Telekommunikationsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Mit der Privatisierung der Telekom wurde sehr schnell in neue Bereiche investiert, um neue Kundenströme zu generieren, vor allem in den Ballungsräumen. Ab 2000 begann ein rasanter Fortschritt in der Technologie, vom Modem über ISDN hin zum DSL, das bedeutet einen enormen Quantensprung. Das Problem: Die privaten Unternehmen müssen und wollen ihre Investitionen refinanzieren. Gerade der ländliche Raum, wo in abgelegenen Gegenden nur wenige Leute wohnen, ist da weniger interessant, weil kaum rentabel.

Ein bisschen was hat sich aber schon getan?

Der Landkreis hat sich gemeinsam mit dem Land Brandenburg der Sache bereits zweimal angenommen, zu Beginn der 2000er-Jahre, wo ländliche Bereiche in Potsdam-Mittelmark erstmals mit Funksystemen und dem Internet versorgt worden sind. Dann rief die Landesregierung das Projekt Glasfaser 2020 ins Leben. Die Modernisierung des Netzes brachte es mit sich, dass ein Großteil der Menschen im Kreis heute mit schnellem Internet verbunden ist.

Wo gibt es noch weiße Flecken?

Probleme gibt es vor allem in Einzellagen, etwa ehemaligen Landsitzen oder Forstgütern, mit nur sehr wenigen Häusern, die sich zumeist außerhalb des Radars befinden. Letztlich hat nahezu jede Kommune im Landkreis Dorf- und Hoflagen, die beim Internet noch nie eine Verbesserung erfahren haben. 87 Prozent der Bevölkerung können auf über 30 Mbit zurückgreifen, im Plan befinden sich derzeit nur die, die weniger erreichen. Das sind etwa 8000 Haushalte.

Der Landkreis hat den Kommunen die Aufgabe des Infrastrukturausbaus aus der Hand genommen, warum?

Häufig ist es so, dass bei Förderprogrammen von den Kommunen ein Eigenanteil von mindestens zehn Prozent zu erbringen ist, das kann sich nicht jede Kommune leisten. Wir haben mit Ausnahme der Gemeinde Seddiner See, die bereits sehr gut mit dem Internet versorgt ist, mit allen Kommunen im Kreis Vereinbarungen abgeschlossen und uns Ende Februar im Rahmen der Bundesinitiative zum Breitbandausbau um Fördermittel beworben. Wir warten jeden Tag auf die Zusage. Für den geplanten Ausbau in Potsdam-Mittelmark sind rund 54 Millionen Euro veranschlagt, davon trägt der Bund 50 Prozent. Das Land Brandenburg übernimmt 40 Prozent und der Landkreis wird mit 5,4 Millionen Euro zehn Prozent zahlen.

Wann geht es los?

Sobald die Zusage da ist, wird europaweit ausgeschrieben, das wird bis Anfang 2018 dauern. Wenn wir sportlich rangehen, wird es danach zwölf bis 18 Monate dauern, bis der Ausbau durchgeführt ist.

Wo wird begonnen?

Das liegt in der eigenen Organisation der Unternehmen. Sicher kann nicht in jedem Ort sofort begonnen werden, zu graben. Es sind ja noch eine Reihe Behörden beteiligt und Genehmigungen einzuholen.

Können geplante Straßenausbauten von Vorteil sein?

Ja, das DigiNetz-Gesetz verpflichtet jede Kommune bei Straßenausbauten zu prüfen, ob zur Bereitstellung der Infrastruktur eine Breitbandversorgung notwendig ist. Im Idealfall soll keine Straße, die neu gebaut wird, noch einmal von einem Telekommunikationsunternehmen aufgebuddelt werden müssen.

Eine schnellere Leitung ist aber noch keine Garantie, dass die Leistung tatsächlich erreicht wird...

Die Verteilerkästen verfügen nur über eine bestimmte Bandbreite. Problematisch wird es, wenn viele Menschen gleichzeitig Filme schauen oder Bilder laden, dann gibt es einen klassischen Stau auf der Datenautobahn. Hier sind die Unternehmen dabei, mehr Bandbreite am Verteiler zur Verfügung zu stellen. Allerdings: Kupfersysteme kommen hier inzwischen an ihre Kapazitätsgrenzen. Mit dem so genannten Vectoring konnte erreicht werden, Störsignale herauszufiltern und die Kapazität zu erhöhen. Besser ist ein Glasfaser-Direktanschluss. Aber es wäre falsch, jetzt eine Garantie abzugeben, dass jeder jederzeit mit 50 bis 100 MBit/s ab dem 1. Januar 2020 surfen kann.

Was bedeutet es, von der digitalen Infrastruktur abgekoppelt zu sein?

Grundsätzlich können auch die Bewohner in den ländlichen Regionen mit dem Internet fast alles machen, es dauert nur extrem lange. Allein, wenn sie ein Bild verschicken wollen, brauchen sie mehrere Minuten. Nicht zu nutzen sind moderne Streamingdienste, Internetfernsehen. Da gibt es maximal Standbilder.

Sie sagen daher, eine 50- oder 100-Mbit-Leitung ist auch Wirtschaftsförderung...

Es gibt im Landkreis viele Unternehmen, die in der Forschung oder Technologie tätig sind und mit anderen Partnern, auch international, kommunizieren, etwa per Videokonferenz. Zudem müssen sie oftmals große Datenmengen hin- und herschicken, haben aber Probleme sie im Netz zur Verfügung zu stellen oder sie abzurufen. Wenn ich nicht schnell an notwendige Informationen komme, erhalte ich irgendwann auch keine Aufträge mehr. Wir brauchen hier das schnelle Internet, um die Betriebe zukunftsfähig zu machen. Zudem ist es eine Chance für den ländlichen Raum. Wir können Firmen sagen, ihr könnt euch auch hier ansiedeln. Es gibt viele kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht unbedingt auf einen Autobahnanschluss angewiesen sind. Ihnen können wir ein schönes Wohnumfeld bieten, eine andere Art Lebensqualität.

Ist nach dem Ausbau nicht vor dem Ausbau?

Wir kommen vor allem in den Ballungsräumen mit der Brückentechnologie und dem Vectoring an die angesprochenen Kapazitätsgrenzen. Die Kupferleitung wird aussterben. Ich denke, der nächste Schritt wird es sein, von der flächendeckenden Versorgung mit Verteilerkästen, Glasfaser bis ins Haus, direkt zum Kunden zu führen. Es wird zwangläufig so sein, dass die Unternehmen dahingehend ihre Netze weiter modernisieren.

Das Gespräch führte Solveig Schuster

Zur Person: Karsten Gericke (42) ist seit Mai 2017 im Fachdienst Wirtschaftsförderung, Regionalentwicklung und Tourismus des Landkreises tätig und betreut das Projekt Breitbandausbau.

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