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Energiegigant. Das 200-Meter-Windrad soll in den kommenden Tagen in Betrieb genommen werden.

© Andreas Klaer

Riesige Windräder vor Stahnsdorf geplant: Machtlos gegen Windradriesen?

Bei Sputendorf geht das erste 200-Meter-Windrad in Betrieb. Zwei noch größere Anlagen sind geplant.

Sputendorf/Ruhlsdorf - Sputendorfs Ortsvorsteher hatte es schon geahnt: Steht ein erstes Riesen-Windrad, werden weitere folgen, mahnte Rolf-Denis Kupsch, als Pläne für eine erste 200 Meter große Anlage im Windpark Genshagener Heide direkt vor dem Stahnsdorfer Ortsteil bekannt wurden. Er sollte recht behalten. Während die Berliner Stadtwerke voraussichtlich in der kommenden Woche das erste Windrad dieser Höhe bei Großbeeren in Betrieb nehmen, bereitet der Potsdamer Projektentwickler Notus Energy im angrenzenden Teltower Ortsteil Ruhlsdorf den Bau von zwei weiteren Riesen-Anlagen vor und setzt zugleich neue Maßstäbe.

Vor einigen Jahren hatte dort die Plan 8 GmbH aus Eckernförde vier 175 Meter hohe Windkraftanlagen errichtet. Die neuen Anlagen werden diese jedoch um mindestens 60 Meter überragen. „Ein Quantensprung“, sagt Kupsch. Und auch Stahnsdorfs Gemeindesprecher Stephan Reitzig erklärt: „Wir sehen diese Planungen mit deutlichem Unbehagen.“

Die 234 und 241 Meter hohen Anlagen befinden sich bereits im Genehmigungsverfahren. Stahnsdorf bereitet Reitzig zufolge eine kritische Stellungnahme dazu vor. Und auch Teltow, auf dessen Terrain die Windräder entstehen sollen, werde laut Stadtsprecher Jürgen Stich Bauantrag und Stellungnahme in der nächsten Stadtverordnetenversammlung diskutieren. „Die aktuell beantragte Nabenhöhe wäre auch für Teltow-Ruhlsdorf eine neue Qualität. Das wird in der Stellungnahme sicherlich Berücksichtigung finden“, so Stich. Aufgrund der kurzen Fristen sei es jedoch nicht möglich gewesen, zuvor die Stadtverordneten in den Ausschüssen zu informieren.

Kaum Hoffnung, dass geplante Megaanlagen verhindert werden können

Bernd Längrich, Ortsvorsteher von Ruhlsdorf, zeigte sich dementsprechend überrascht. „Mit den vier vorhandenen Rädern sind die Möglichkeiten eigentlich erschöpft“, sagte er den PNN. Ruhlsdorf ist rund 1300 Meter von dem Windpark entfernt, hätte jedoch das Pech gehabt, dass für den Bau der Landesstraße 40 schützende Waldflächen geopfert werden mussten, so Längrich. Schon damals seien ihm fünf Anlagen mit einer Höhe von 125 Metern, wie zunächst auch geplant, lieber gewesen als vier 175 Meter hohe, sagte er. „Viel dagegen unternehmen konnten wir aber nicht."

Auch sein Amtskollege aus Sputendorf glaubt nicht, dass sich die geplanten Megaanlagen verhindern lassen. Brandenburg hätte es versäumt, konkrete Abstandsregelungen gesetzlich festzusetzen, meint Rolf-Denis Kupsch. Zwar würde die Windkraftindustrie nach einer Selbstverpflichtung nicht näher als 1000 Meter an Ortschaften heranrücken, jedoch sei die zehn Jahre alte Festlegung bei den heute mit den Anlagen erreichten Höhen nicht mehr ausreichend, sagt er. Zudem rückten die aktuell geplanten Anlagen an Sputendorfs Ortschaft Marggraffshof sogar bis 700 Meter heran. Als so genannte Splittersiedlung sei sie nicht von der 1000-Meter-Regelung erfasst, erklärt er. Es sei bedrückend, dass der Bürgerschutz kaum eine Rolle spiele.

Auf eigenem Terrain versuchen die Stahnsdorfer, sich gegen die immer höher werdenden Windkraftanlagen zu wehren. In einem Teil-Flächennutzungsplan soll das Gebiet auf eigener Gemarkung eingegrenzt werden, auf dem Windkraftanlagen errichtet werden dürfen. Zudem soll im Bebauungsplan die mögliche Höhe der Windräder reglementiert werden, demnach dürften allerhöchstens Anlagen mit einer Höhe von 180 Metern entstehen (PNN berichteten).

„Wir wollen ein gutes Übereinkommen mit den Anwohnern“

Gegen die Errichtung der Räder in der Nachbargemeinde ist Stahnsdorf aber nahezu machtlos. Auch bezüglich des ersten 200 Meter hohen Windrades bei Großbeeren gab die Gemeinde im Genehmigungsverfahren eine negative Stellungnahme ab. Trotzdem steht die Anlage nun. Anfang März wurden die gigantischen Rotorblätter montiert, nächste Woche werde das 200 Meter hohe Windrad voraussichtlich ans Netz gehen, so der Sprecher der Berliner Stadtwerke, Stephan Natz. Neben den rund 6300 Haushalten, die bereits durch zwei Anlagen vor Ort versorgt werden, würden nunmehr 3800 weitere Haushalte von dem in der Genshagener Heide gewonnenen Ökostrom profitieren, erklärte er. Mit der Gemeinde Stahnsdorf seien die Stadtwerke zudem über weitere Anlagen im Gespräch. „Wir wollen ein gutes Übereinkommen mit den Anwohnern“, erklärte Natz. In Bezug auf die in Stahnsdorf vorgesehene Reglementierung sagt er aber auch: „Je niedriger die Anlagen, desto weniger Leistung. Die Wirtschaftlichkeit muss gesichert sein.“

Dass das erste 200-Meter-Windrad in Großbeeren entstanden ist, habe aber nichts mit der Abwehrhaltung der Stahnsdorfer zu tun, erklärte er. Der Planungs- und Genehmigungsprozess für die Anlage zog sich über mehrere Jahre. Auch die Gemeinde Großbeeren, die zuletzt von Stahnsdorf dafür kritisiert worden war, trotz der Bedenken der Nachbarn auf ihrem Gebiet die 200 Meter hohe Anlage zugelassen zu haben, hätte sich umfassend mit dem Thema beschäftigt, sagte Großbeerens Bürgermeister Carl Ahlgrimm (CDU) den PNN. Jedoch habe die Gemeinde keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit gesehen, den Bau zu verhindern, erklärte er.

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Hintergrund: Das Windeignungsgebiet Genshagener Heide

Das Windeignungsgebiet Genshagener Heide liegt zwischen der Landesstraße 40 und der Bundesstraße 101. Im Süden wird es durch die Stadt Ludwigsfelde begrenzt und umfasst Flächen der Gemeinde Großbeeren und der Stadt Teltow. Im Westen grenzt das Gemeindegebiet Stahnsdorf an.

Zurzeit drehen sich vor Ort sieben Windräder mit einer Höhe von maximal 175 Metern. Drei bei Großbeeren, vier auf Ruhlsdorfer Gebiet. Auch in Ludwigsfelde befinde sich nach Angaben des Landesumweltamtes ein 230 Meter hohes Windrad in der Behördenbeteiligung. Für die Gemeinde Stahnsdorf liegen derzeit Anträge von drei verschiedenen Betreibern für insgesamt elf weitere Windkraftanlagen vor. Aufgrund der vorgesehenen Reglementierungen durch Stahnsdorf müssen die Anträge gegebenenfalls überarbeitet werden. Möglicherweise werden Windkraftbetreiber aber auch dagegen klagen. In der Region gibt es auch in Beelitz und Werder (Havel) Proteste gegen Windparks.

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