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Rechtsschutz-Statistik: Potsdam-Mittelmark: Im Kreis der Streitenden

Die Mittelmärker fordern öfter Rechtsschutz als der Bundesdurchschnitt. Der Advocard-Streitatlas zeigt außerdem, wegen welcher Themen die Menschen sich am häufigsten in die Haare kriegen

Es sind die kleinen Dinge, die die Mittelmärker nicht tolerieren können. Beziehungsweise die nicht so richtig teuren – also die mit den niedrigen Streitwerten. Das zeigt zumindest der aktuelle Streitatlas der Advocard, Rechtschutzversicherung der Generali Gruppe. Demnach drehen sich mehr als ein Drittel der Streitfälle im Landkreis Potsdam-Mittelmark um einen Streitwert von weniger als 2000 Euro.

Seit 2012 bilanziert die Versicherung alle zwei Jahre die Streitfälle, die bei ihr anfallen. Dabei handelt es sich um Streitigkeiten, die von Privatkunden an den Versicherer gemeldet wurden. Ob der jeweilige Streit mit einer Erstberatung, Mediation, einem Vergleich oder einem Gerichtsurteil beendet wurde, ist für die Berücksichtigung nicht relevant.

Es handelt sich also mitnichten um eine allumfassende Statistik. Doch bildet die Zahl von mehr als 1,7 Millionen Streitfällen deutschlandweit eine durchaus imposante Grundlage, auf deren Basis man die Streitbarkeit verschiedener Regionen miteinander vergleichen kann.

Einwohner in Potsdam-Mittelmark streitlustiger als der Bundesdurchschnitt

So zeigt sich, dass die Einwohner des Landkreises im Jahr 2016 öfter juristische Streitigkeiten führten als der Bundesdurchschnitt. Der liegt nämlich bei 25,1 Streitfällen pro 100 Einwohner. In der Mittelmark sind es 29,9 Streitfälle. In absoluten Zahlen wären das etwa 63 000. Damit stieg die „Streitintensität“, wie die Statistik den Wert nennt, um vier Fälle pro 100 Einwohner im Gegensatz zum Vorjahr. In Gesamtdeutschland betrug das Wachstum 2,8 Fälle.

Dass der Mittelmärker sich vom Bayern und vom Schwaben unterscheidet – die Regionen in Deutschland mit den wenigsten Streitfällen –, mag vielleicht gar nicht überraschen. Allerdings sind die Werte in Potsdam-Mittelmark auch höher als die aller Nachbarkreise und der kreisfreien Stadt Brandenburg/Havel. Allen vorneweg der offenbar friedfertige Kreis Wittenberg mit nur 22,6 Streitfällen pro 100 Einwohner.

Berlin führt seit Jahren die Streitstatistik an

Anders sieht es aus, wenn man Richtung Nordosten blickt. Berlin führt seit Jahren die Streitstatistik in Deutschland an, mit inzwischen 31,2 Streitfällen pro 100 Einwohner. Nicht weit dahinter liegt Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam mit 30,1 Fällen – eine Steigerung von 3,5 im Vergleich zum Vorjahr. Und auch der Landkreis Oberhavel lässt sich offenbar von der Streitlustigkeit der Berliner anstecken. Es ist der einzige Landkreis in Brandenburg mit mehr als 30 Streitfällen pro 100 Einwohner. Ein auch deutschlandweit recht exklusiver Kreis, der schwerpunktmäßig aus Kommunen in Nordrhein-Westfalen besteht.

Noch gehört die Mittelmark nicht zu diesen Streit-Hotspots. Der Wert von 29,9 ist dennoch der dritthöchste in Brandenburg und liegt entsprechend über dem Landesdurchschnitt von 27,6 Streitfällen. Damit belegt die Mark im Länderranking Platz vier, vor Hessen und hinter Hamburg. Das einzige Bundesland, in dem die Anzahl der Streitfälle 2016 konstant blieb beziehungsweise sogar zurückging, ist übrigens Bremen, das so auf Platz neun der Liste zurückfiel.

Mehr als ein Drittel der Streitfälle fallen unter das Label „Privat“

Doch weswegen wenden sich die Menschen in Potsdam-Mittelmark an die Rechtsschutzversicherung? Nun, mehr als ein Drittel der Streitfälle fallen unter das Label „Privat“. Dazu gehören etwa Scheidungen, Erbstreitigkeiten oder Urlaubs- beziehungsweise Reisemängel. 30 Prozent der Fälle beziehen sich auf das Thema Verkehr und Mobilität. Dabei geht es vor allem um Verkehrsunfälle und Geschwindigkeitsüberschreitungen.

14,7 Prozent der Streitigkeiten im Landkreis haben mit der Arbeit zu tun. Hier ganz vorne: Gehaltsfragen, danach mit Abstand Kündigung und Arbeitszeugnis. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt streiten sich die Mittelmärker weniger um private Dinge, dafür mehr um Verkehrsthemen. Streitigkeiten um die Wohnung liegen mit 9,5 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 11,2 Prozent. Der Themenkomplex „Behörden, Verwaltung, Finanzen“ ist mit 11,3 Prozent im Landkreis wichtiger als in den meisten anderen Gebieten des Landes.

Auch in Potsdam-Mittelmark: Männer streiten mehr als Frauen

Und wer streitet? 62 Prozent der gezählten Kunden in Mittelmark sind Männer – im Gegensatz zu 67 Prozent im Bundesdurchschnitt. Mit einem Drittel stellt die Gruppe der 46- bis 55-Jährigen den größten Anteil der Streitenden. Nur 4,4 Prozent sind älter als 66. Die Altersgruppe mit den wenigsten Streitfällen ist die zwischen 18 und 25 (2,1 Prozent).

Hier offenbaren sich die Schwächen der Statistik. Mit Anfang 20 hat man vielleicht einfach keine Rechtsschutzversicherung. Auch zeigt sie nicht, wo besonders viele oder wenige Menschen bei der Advocard versichert sind. Vielleicht sind die Mittelmärker also gar nicht streitsüchtiger als andere Deutsche. Vielleicht haben sie in Bayern einfach andere Rechtsschutzversicherungen als in Nordrheinwestfalen – oder gar keine? Vielleicht löst man andernorts in Deutschland seine Streitigkeiten auch ohne Rechtsbeistand. Insofern kann man die Statistik natürlich auch als ein Zeichen für eine fortschrittliche, zivilisierte Streitkultur sehen. Im Landkreis geht man halt vor Gericht, anstatt sich gegenseitig die Köpfe einzuhauen.

Martin Anton

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