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Potsdam-Mittelmark: Psychoterror war schlimmer als die Schläge

Stalker-Prozess gegen Sebastian P. fortgesetzt

Werder (Havel)/Potsdam - Es soll die Hölle gewesen sein. „Er schlug mir auf den Rücken, packte mich am Hals und drückte mich gegen die Wand“, erzählte Jennys H. Mehr als anderthalb Jahre lang habe ihr Ex-Freund ihr nachgestellt, ihr aufgelauert, sie geschlagen und beschimpft. Seit Donnerstag sitzt der 30-jährige Sebastian P. wegen mutmaßlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und Beleidigung vor dem Potsdamer Amtsgericht auf der Anklagebank. Insgesamt soll er von Dezember 2015 bis März 2017 über 30 Einzeltaten begangen haben. Überwiegend richteten sie sich gegen seine ehemalige Lebensgefährtin, die am Montag als Hauptzeugin im Stalker-Prozess geladen war.

Sie hatte Angst, versteckte sich im Keller, suchte Schutz hinter dem gemeinsamen Kind, erklärte sie unter Tränen. Nur wenn sie den Sohn auf dem Arm hatte, hielt er sich zurück. „Er wurde schnell aggressiv, rastete wegen Kleinigkeiten aus.“ Eines Nachts soll er einen Stein durch das Wohnzimmerfenster geworfen haben, der sie nur knapp verfehlte, in einer anderen soll im Bad ein Blumenkübel knapp neben ihr gelandet sein.

Es war furchtbar, erzählte auch die Mutter der 26-Jährigen. „Die Wohnung sah aus wie ein Schweizer Käse.“ Nächtelang habe sie zum Schutz ihrer Tochter und der beiden Enkelkinder in der Wohnung verbracht. Die Schläge seien nicht das Schlimmste gewesen, erklärte sie, „aber der Psychoterror“. Auch die Mutter der Ex-Freundin soll der Angeklagte beleidigt, geschlagen und bespuckt haben. Noch immer leiden beide Frauen unter Panikattacken und körperlichen Beschwerden. Sie habe ihre Arbeit verloren, berichtete die 46-jährige Mutter, gab all ihr Erspartes aus. Für neue Autoreifen oder Ferienwohnungen, in die die Frauen mit den Kindern geflüchtet waren.

Immer wieder rief Jennys H. die Polizei. Im September 2016 war gerichtlich verfügt worden, dass sich der Angeklagte ihr nicht weiter als bis auf 100 Meter nähern darf. Trotzdem kam er zu ihr, manchmal auch auf ihren Wunsch. Für die Polizei eine undurchsichtige Situation, sagte einer der involvierten Beamten. Anfangs habe sie ihrem Ex-Freund noch helfen wollen, erklärte Jennys H.

Schon mit 14 Jahren soll Sebastian P. zu Alkohol und Cannabis gegriffen haben, über die Jahre steigerte er den Konsum, sagte gestern ein Gutachter. Zweimal habe der 30-Jährige eine Therapie begonnen. Im vergangenen Jahr, so führte der Gutachter weiter aus, sei ihm der Konsum entglitten. Er soll alkohol-, cannabis- und amphetaminabhängig gewesen sein, auch weitere Rauschmittel genommen haben. Das aggressive Verhalten könne auf den langanhaltenden Konsum zurückgeführt werden, so der Gutachter. Die Straftaten ließen sich jedoch nicht allein damit erklären. Hier hätten auch die äußeren Umstände wie der Trennungskonflikt und eine lange Phase der Arbeits- und Obdachlosigkeit eine Rolle gespielt. „Ich stehe wie vor einer schwarzen Wand“, erklärte der Angeklagte gestern, der sich selbst an die Vorfälle nicht mehr erinnern kann. „Mir tut das alles megaleid.“ Er sei bereit für eine erneute Therapie. Der Gutachter räumte einem solchen Schritt „hohe Erfolgsaussichten“ ein. Für schuldunfähig wollte er den Angeklagten aufgrund seiner Sucht nicht explizit erklären. Eine solche Entscheidung sei aber möglich, sagte er. Solveig Schuster

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