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Müssen wir alle Vegetarier werden? Gudrun Kammasch hat den Hörsaal gegen ein Klassenzimmer im Teltower Kant-Gymnasium getauscht. Die Professorin hält einen Vortrag zum Thema Ernährung im Rahmen des „Rent your Prof“-Programms.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Professor zum Ausleihen

Schüler des Kant-Gymnasiums stimmen sich auf das Leben nach dem Abi ein

Teltow - Gudrun Kammasch geht zur Schule. Was für Kinder und Jugendliche zum Normalsten der Welt gehört, ist für eine Professorin reiferen Alters eine Besonderheit. Mindestens einmal im Monat tauscht die blonde Wissenschaftlerin mit der runden Brille auf der Nase ihren Hörsaal gegen ein Klassenzimmer in Berlin und Brandenburg ein – denn Gudrun Kammasch kann man ausleihen.

„Rent your Prof“ – miete deinen Professor – heißt das bundesweite Programm, von dem in dieser Woche die Schüler des Teltower Kant-Gymnasiums profitieren. Am gestrigen Dienstag und auch heute versprühten und versprühen Uni-Lehrer unter anderem der Berliner Beuth-Hochschule für Technik und der Fernhochschule für Ökonomie und Management jede Menge Universitäts-Atmosphäre am Gymnasium. Mit Vorlesungen zu Themen wie „Justiz im Rampenlicht“ oder Fragen wie „Kann ein Staat Pleite gehen?“ wollen sie die angehenden Abiturienten für ein Studium in ihrem Fach begeistern und ihnen zeigen, wie ein Seminar an der Hochschule abläuft.

Zunächst einmal ohne Klingelzeichen, sagt Gudrun Kammasch. Die Akademikerin war gut gelaunt und pünktlich um 9 Uhr an der Schule eingetroffen – sine tempore, wie es an der Uni heißt, also ohne akademische Verzögerung. „Wir haben ein Problem, in Ingenieurbereichen junge Leute mit Köpfchen zu gewinnen“, sagt Kammasch. Noch immer scheinen die Geisteswissenschaften für viele ein spannenderes Studienziel. Doch das muss nicht sein, sagt Kammasch.

Auch die technischen Fächer seien interessant, weil man sich mit ganz praktischen Problemen befassen könne. Wie der Ernährung: „Wie viele Menschen kann die Erde ernähren?“ und „Müssen wir alle Vegetarier werden?“, fragte Kammasch die Elftklässler. Die Fakten der Dozentin sind schnell skizziert: Die Erde zählt 1,5 Milliarden Hektar Ackerfläche, aber weitere 3,5 Milliarden Hektar werden zur Tieraufzucht benötigt. Und noch zwei Zahlen lässt Kammasch an der elektronischen Tafel aufleuchten: Damit der Mensch die Energie einer Kalorie aus Rindfleisch ziehen kann, seien zehn Kalorien nötig, denn das Rind muss erst wachsen. Beim Brot betrage das Verhältnis 1:1. Finger schnellen in die Höhe, es wird gefragt, debattiert. Fast wie an der Uni.

Und so soll es in dieser Woche schließlich auch sein, sagt Cornelia Zastrow. Die Oberstufenkoordinatorin des Gymnasiums hat die Sache mit den Miet-Professoren angeleiert – und nicht nur das. Die gesamte Woche sollen die Elftklässler auf die Zeit nach dem Abitur vorbereitet werden. „Es dreht sich alles um die Frage: Bin ich fit für Studium oder Ausbildung?“

So werden den Schülern neben den Vorlesungen mit den Leih-Professoren auch Bewerbungstrainings sowie Besuche in den Universitätsbibliotheken der Freien und der Technischen Universität in Berlin geboten. Ein Jungoffizier der Bundeswehr ist zu Gast, zudem wird über die Möglichkeit eines Freiwilligen Sozialen Jahres informiert. „Wir haben das Angebot breit gefächert, sodass jeder etwas finden kann“, sagt Zastrow.

Nach 90 Minuten schließt Professorin Kammasch ihre Vorlesung zum Thema Ernährung mit einem „Jein“. „Wir müssen nicht alle Vegetarier werden.“ Sie selbst esse Fleisch gerne – allerdings solle man seinen Fleischkonsum reduzieren. Bio allein hilft da nicht, artgerecht und nachhaltig müsse die Aufzucht sein. Das alles seien wissenswerte Fakten, die man zum Beispiel bei einem Studium der Lebensmitteltechnologie vertiefen könne. Tobias Reichelt

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