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Achtsam. Der Kleinmachnower Jürgen Glindemann war 18 Jahre lang als Sicherheitspartner auf den Straßen seines Ortes unterwegs. Heute berät er Senioren, wie sie sich vor Betrugsmaschen wie dem Enkeltrick besser schützen können.

© Manfred Thomas

Potsdam-Mittelmark: Enkeltrick: Lernen, Nein zu sagen

Immer wieder warnt die Polizei vor dem Enkeltrick: Jürgen Glindemann schult Senioren aus der Region Teltow vor der Masche der Abzocker.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Eine nette Stimme, ein bis zwei Fragen und am Ende ein Schaden von mehreren Tausend Euro. Jürgen Glindemann erklärt einer Gruppe von Senioren, wie der vermeintlich nette Anrufer sie über den Tisch ziehen wollte. „Legen Sie auf, oder sagen Sie Nein“, appelliert der Kleinmachnower an seine Zuhörer. Und wenn der Schaden entstanden ist, sollte man zur Polizei – auch wenn man sich schämt.

Seit rund fünf Monaten ist der 74-jährige Kleinmachnower im Raum Teltow unterwegs, um ältere Menschen über allerlei Betrugsmaschen aufzuklären. Glindemann war bis vor Kurzem Sicherheitspartner in Kleinmachnow. Er ging um Häuserblocks, informierte neu zugezogene Nachbarn und notierte sich fremde Nummernschilder.

18 Jahre war er ehrenamtlich bei den Sicherheitspartnern, vor zwei Jahren wollte er dann kürzertreten. Aber das ging nicht so einfach – ein neues Ehrenamt kam dazwischen. Glindemann ließ sich im vergangenen Jahr von der Akademie 2. Lebenshälfte als Seniortrainer ausbilden, sein Projekt nennt er „Sicherheit im Alter“. Er wolle seine und die ältere Generation aufklären. „Die Kriegs- und Nachkriegskinder sind es gewohnt, sich gegenseitig zu helfen, damals bedeutete das überleben“, erklärt Glindemann.

Pro gelungenem Enkeltrick entsteht in Deutschland ein Schaden von rund 11 000 Euro

Das werde heute den älteren Menschen zum Verhängnis. „Sie sind gutgläubig, können schlecht Nein sagen und das wird ausgenutzt.“ So sehr ausgenutzt, dass Senioren dem vermeintlichen Enkel Geld für eine Operation, eine Anzahlung fürs Eigenheim oder ein neues Auto geben. Pro gelungenem Enkeltrick entstehe in Deutschland ein Schaden von rund 11 000 Euro, heißt es aus Sicherheitskreisen. Der durch den Enkeltrick entstandene Gesamtschaden hat sich in nur zwei Jahren um das Zehnfache erhöht: Wurden 2014 bundesweit 159 Fälle mit einem Schaden von rund 60 000 Euro registriert, waren es 2016 bereits 233 Fälle mit einem Gesamtschaden von etwa 571 000 Euro.

Den Tätern auf die Schliche zu kommen ist nicht einfach, dahinter stecken meist gut organisierte Banden. Mehrere Kriminelle sind an den Betrugsdelikten beteiligt: Meist gibt es einen Anrufer, einen Abholer und einen Fahrer.

Um den Schaden einzudämmen, werde laut Polizeisprecher Mario Heinemann auch das Personal in den Banken geschult. Sie sollen schneller erkennen, ob ihre Kunden das Geld wirklich für die eigene Familie brauchen oder doch abgezockt werden. Weil aber auch die Kriminellen wissen, dass sich der Enkeltrick langsam herumspricht, lassen sie sich immer wieder Neues einfallen. So werde der Enkeltrick vom „Falschen Polizisten“ abgelöst, erzählt Glindemann, der sich regelmäßig für seine Vorträge auf den Präventionsseiten der Polizei informiert. Bei der Masche mit dem falschen Polizisten werden Rentner am Telefon darüber informiert, dass Polizisten bei einer Hausdurchsuchung einen Zettel mit dem Namen des Betrugsopfers gefunden hätten. „Und dann fordern sie die Senioren auf, das ganze Geld von ihrem Konto sicher bei den falschen Polizisten zu lagern, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.“

Das Thema Einbruch hat gerade bei Vorträgen in Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow Hochkonjunktur

Auch das Thema Einbruch hat gerade bei Vorträgen in Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow Hochkonjunktur. Glindemann, der sich als Sicherheitspartner seiner Gemeinde jahrzehntelang mit dem Thema befasst hat, schafft es, sein oft gut informiertes Publikum zum Staunen zu bringen. „Und zwar dann, wenn ich die Gaunerzinken zeige“, sagt Glindemann und lächelt verschmitzt. Er zeigt auf das Blatt mit Strichzeichnungen – der Geheimsprache der Diebe, die sie als Information in Zäune ritzen. Drei Schrägstriche bedeuten „bereits ausgenommen“, vier Kreise „hier lohnt es sich“, eine liegende Leiter soll vor dem Hund warnen.

Insgesamt 13 Themen hat Glindemann ausgearbeitet, darunter auch eher unbekannte Betrugsarten wie Ping-Calls, Arzneimittelbetrug oder Timesharing. Ping-Calls sind verpasste Anrufe, die bei Rückruf ins Ausland gehen und hohe Kosten verursachen. Timesharing ist eine Betrugsmasche in Urlaubshochburgen wie Mallorca: „Hier wird Urlaubern am Strand Wohneigentum aufgeschwatzt, das sie sich mit anderen Parteien teilen sollen.“ Auch der Arzneimittelbetrug erfolgt auf Urlaubsreisen, bei denen Geschädigte gefälschte Arzneimittel kaufen, um sich in Deutschland teurere Medikamente zu sparen.

„In einem Seniorenheim muss ich nichts von Einbrüchen oder Haustürgeschäften erzählen“

Je nach Publikum variiert Glindemann seinen Vortrag. „In einem Seniorenheim muss ich nichts von Einbrüchen oder Haustürgeschäften erzählen.“ Dort gehe es vielmehr um den Enkeltrick, Gewinnspielverbrechen oder vermeintliche Kaffeefahrten, „die gerne am OdF-Platz starten – der Betrügerhaltestelle“. In eine Vortragsstunde packt Glindemann vier Themen, oft wollen die Zuhörer ihn ein zweites Mal einladen. Am Ende der Veranstaltung ist der ehrenamtliche Sicherheitsberater oft von einer Menschentraube umringt. Sie alle wollen die von ihm zuvor genannten Kontakte zum Einbruchspräventionsteam der Polizei oder zum Ansprechpartner für Seniorensicherheit beim Landeskriminalamt.

Für Glindemann sind das große Interesse und die vielen Nachfragen der Lohn für sein Engagement. Und im Gegensatz zum Job als Sicherheitspartner sei die Arbeit mit Senioren dankbarer. Er würde nicht mehr von uninteressierten Nachbarn angeschnauzt, heute höre man ihm endlich aufmerksam zu.

Mehr Infos und Vortragstermine gibt es per Mail an sicherheitimalter@gmx.de.

Hintergrund: Wie man sich vor Betrügern schützt

Um sich vor Trickbetrügern am Telefon oder der Haustür zu schützen, rät die Polizei dazu, misstrauisch zu sein, wenn sich jemand als Verwandter ausgibt, ohne aber einen Namen zu nennen. Auf die typische Eingangsfrage der Täter „Rate mal, wer hier dran ist“ sollte kein Name genannt werden. Hilfreich sei es auch, beim Anrufer nach Details über den richtigen Bekannten/Verwandten zu fragen. Die Opfer, meist sind es ältere Frauen, werden oftmals durch mehrfache Anrufe im Bann des Betrügers gehalten, erklärt Polizeisprecher Mario Heinemann. Wenn die geforderte Summe von der Bank abgehoben werden soll, schicken Täter oftmals ein Taxi zum Opfer. Auch wenn jemand einen Anruf von der Notrufnummer 110 erhält, kann er sicher sein, dass ein Trickbetrüger am Werk ist. Tipps zum Schutz vor Betrugsdelikten gibt es im Internet unter www.polizei-beratung.de. Beratung zum Thema Einbruchsschutz gibt es von der Potsdamer Polizei unter Tel.: (0331) 550 810 80. 

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