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Viele Kinder, wenig Personal. Eltern beklagen sich über Engpässe an Werderaner Kita.

© Jens Büttner/dpa

Personalengpass in Werderaner Kitas: Es wird eng

Werder wächst und kommt mit der Kita- und Schulplanung kaum hinterher. Bei einem hohem Krankenstand sollen Eltern ihre Kinder selbst betreuen.

Von Eva Schmid

Werder (Havel) - Es ist ein kleiner Aushang, der bei Helge Michel Stress auslöst. „Liebe Eltern, wegen akuten Personalmangels möchten wir Sie bitten, Ihre Kinder zuhause zu betreuen.“ Michels zwei Kinder besuchen die Werderaner Kita „Anne Frank“. Der Aushang sei kein Einzelfall, sagt der 33-Jährige verärgert. Etwa zweimal pro Jahr, oft zu Zeiten der Grippewelle, müssten er und seine Frau, beide bei der Polizei im Schichtdienst tätig, sich für die Dauer von jeweils gut einer Woche überlegen, wie sie ihren Nachwuchs alternativ betreuen.

Bis 2018 fehlen über 200 Kitaplätze und knapp 20 Grundschulklassen

Die Michels – vor viereinhalb Jahren von Berlin in die Werderaner Havelauen gezogen – stehen exemplarisch für das Wachstum der Stadt. Pro Jahr kommen derzeit bis zu 500 neue Einwohner hinzu. In den nächsten zehn Jahren könnte Werder wie berichtet die Marke von 30 000 Einwohnern knacken. Das jedenfalls sagen die Prognosen der Complan Kommunalberatung GmbH. Die externe Firma hat wie schon für Teltow auch den Werderanern eine Alternative zu den bisherigen Prognosen, etwa des statistischen Landesamtes, errechnet. Genauer gesagt haben sie die Kita- und 

Schulbedarfsplanung unter die Lupe genommen. Und ausgerechnet, was gebraucht wird. Das Ergebnis ist beachtlich: Demnach fehlt es bis 2028 an bis zu 219 Kitaplätzen, Werder braucht zudem bis zu 18 neue Grundschulklassen.

Aushang an den Türen der Werderaner Kita "Anne Frank" - die Zettel sind mittlerweile wieder abgenommen worden. 
Aushang an den Türen der Werderaner Kita "Anne Frank" - die Zettel sind mittlerweile wieder abgenommen worden. 

© privat

Der Druck ist über die Stadtgrenze bereits spürbar

Um auf Engpässe, sei es durch Krankheit oder Wachstum, künftig besser reagieren zu können, hat das Stadtparlament bereits beschlossen, den Einstieg in den Erzieherberuf zu erleichtern. Wie berichtet will die Stadt ab 2019 die berufsbegleitende Ausbildung von Erziehern komplett selbst bezahlen. Bis 2023 will sie somit zehn neue Fachkräfte ausgebildet haben, die – so die Hoffnung – dann auch in Werder bleiben. Zudem will die Stadt zwei neue Kitas mit bis zu 120 Plätzen in Bliesendorf und am Werderaner Finkenberg errichten. Bei der Kita in Bliesendorf wird auf die Baugenehmigung gewartet, für die andere Einrichtung wird derzeit der Bauantrag vorbereitet.

Doch der Druck ist über die Stadtgrenzen hinweg spürbar: Aus dem Rathaus der Nachbargemeinde Groß Kreutz (Havel) heißt es, dass es immer mehr Anfragen nach Plätzen in Kitas der Gemeinde gebe. Laut dem zuständigen Fachbereichsleiter Jörg Schafföner stelle man sich auch darauf ein, dass in den kommenden Jahren noch mehr Werderaner Eltern die rund zehn Kilometer Weg auf sich nehmen, um ihre Kinder in Groß Kreutz betreuen zu lassen. Die Situation an den Grundschulen der Gemeinde sei indes noch nicht angespannt, aber das werde sich auch ändern, ist sich Schafföner sicher. Jedoch müsse Groß Kreutz auch an seine Zugezogenen denken, für deren Kinder Plätze vorgehalten werden müssen.

Rathaus versucht Personalengpässe zu vermeiden

Dass es an den Grundschulen in Werder eng ist und es teilweise mehr Kinder im Einzugsbereich als Plätze gibt, bestreitet Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU). So würden in der vierzügigen Hagemeister-Grundschule, zu deren Gebiet die Havelauen gehören, derzeit rund 23 bis 25 Schüler pro Klasse unterrichtet. Erlaubt seien 28 Schüler, betont Große. Die temporären Engpässe an den Kitas bedauert er, jedoch sei der Krankenstand bei Witterungsumbruch auch in anderen Kommunen hoch. Dass die Eltern per Aushang um Mithilfe gebeten werden, sei das Resultat einer Eskalationsstufe. Das heißt, die Verwaltung hat zuvor schon andere Möglichkeiten erfolglos versucht auszuschöpfen. „An sich bemühen wir uns durch enge Abstimmung zwischen unseren Einrichtungen, solche Engpässe zu vermeiden. Das ist in diesem Fall nicht gelungen“, erklärt Große. Verständnis dafür bekommt Große auch von der Elternvertreterin der Einrichtung, Doreen Recknagel. Die Bitte, die Kinder zuhause zu lassen, richte sich an Eltern in Elternzeit oder diejenigen, die nicht Vollzeit arbeiten. Die Betreuung sei trotz des Personalengpasses aber immer gewährt, so Recknagel. Rückendeckung für das Vorgehen bekommt Werder auch vom Bildungsministerium.

Familienvater Helge Michel bleibt skeptisch: Er habe sich schon öfter bei der Verwaltung über die Situation beschwert – gebracht habe es bisher aus seiner Sicht wenig. „Im Rathaus wird immer betont, dass es sich ja nur um eine Bitte handelt und dass der schwarze Peter beim Land liegt, die Stadt gegen das Kitagesetz wenig ausrichten könne“, sagt Michel. Doch würden die Eltern der Bitte nicht nachkommen, so hätten ihm zwei Erzieherinnen der Einrichtungen unabhängig voneinander bestätigt, hätte die Kita aufgrund der dünnen Personaldecke schließen müssen. Michel schüttelt den Kopf: „Als Polizist kann ich den Hilfesuchenden, die uns anrufen, auch nicht sagen, sorry, ich komme nicht, zu viele Kollegen sind krank.“

Die Stadtverwaltung lädt am heutigen Dienstag um 18.30 Uhr Eltern in den Schulungsraum der Feuerwehr, Kemnitzer Straße 119, ein. Dort soll der Entwurf der Kitabeitragssatzung vorgestellt werden.

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