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Falsches Gleis? Die Stadt erklärt, dass auf dem Gelände des Pektinwerks genug Platz für die Erweiterung ist. Nach einem Mediationsverfahren war allerdings geplant, die neuen Anlagen möglichst weit entfernt von der Kolonie Zern zu errichten.

© hkx

Potsdam-Mittelmark: Pektinwerk geht nicht in den Wald

Stadt hält Erweiterung in abgelegenem Areal für unmöglich. In der Kolonie Zern sieht man das anders

Werder (Havel) - Die Chancen, das Pektinwerk von Herbstreith & Fox in Werder im Einvernehmen mit den Nachbarn zu erweitern, sind gesunken. Das Rathaus sieht keine Chance, die neuen, mit Lärm und Gerüchen verbundenen Werksanlagen in einem abgelegenen Waldstück westlich des Firmenareals auszuweisen. „Eine Erweiterung in einem Wald, der der Firma nicht gehört und der sich in einem Landschaftsschutzgebiet befindet, wäre mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden“, sagte Werders Bauamtsleiter Axel Wolf den PNN. „Zumal auf dem Firmengelände genug Platz für den Ausbau ist.“

Bereits vor vier Jahren hatte ein Bebauungsplanverfahren für die Werkserweiterung begonnen: Eine neue Trestertrocknungsanlage, eine Obstverarbeitung und ein Geothermie-Kraftwerk sollen auf dem Werksgelände an der L 90 möglich werden. Aus der direkt gegenüberliegenden Kolonie Zern gibt es Widerstände, zumal das Wohn- und Erholungsquartier von der Stadt kurz zuvor zur Grünfläche herabgestuft worden war – offenbar um die Expansion der Firma zu erleichtern. Es gilt nur noch ein Bestandsschutz, Um- und Ausbauten sind ausgeschlossen.

In dem Streit wurde ein Mediationsverfahren zwischen Anwohnern, Firmenvertretern und der Stadt geführt, als Mediator war Brandenburgs Ex-Baustaatssekretär Horst Gräf eingesetzt. Der vermittelte im vorigen Jahr, dass die mit Lärm und Gerüchen verbundenen Werksanlagen an der von der Kolonie Zern abgewandten Seite des Werks, in einem Waldstück im Westen, erfolgen könnten. Das hatte auch das Landesumweltamt empfohlen. Die Stadt sollte das prüfen. Außerdem sollte der baurechtliche Status der Kolonie Zern wieder verbessert werden, ein „erweiterter Bestandsschutz“ auch Modernisierungen möglich machen.

An diesem Punkt halte die Stadt fest, wie Bauamtsleiter Wolf betonte. Erst müsse aber das Bebauungsplanverfahren für das Pektinwerk abgeschlossen werden, um alle Fragen zur Kolonie Zern beantworten zu können. „Das ist eine ganz schwierige Gemengelage. Aber wir scheuen weder Kosten noch Mühen, eine Lösung zu finden“, versicherte er. Derzeit werde ein Gutachten zur Lärm- und Geruchsbelästigung der Kolonie durch das Pektinwerk erstellt, um zu klären, wie der Nachbarschaftskonflikt zu lösen ist. Es werde noch einige Zeit dauern, bis das Bebauungsplanverfahren endgültig abgeschlossen ist und Baurecht besteht, glaubt er. Eine öffentliche Auslegung sei in einem Dreivierteljahr denkbar.

Der Kemnitzer Ortsvorsteher Joachim Thiele kritisierte gestern, dass die Stadt das Mediationsergebnis noch nicht umgesetzt hat. „Die Werkserweiterung im Westen wäre möglich, wenn man das will“, sagte Thiele. „Die Stadt hat bei der Blütentherme gezeigt, dass sie unüberwindliche Hürden überwinden kann.“ Außerdem sieht Thiele keinen Zusammenhang zwischen dem Bebauungsplanverfahren für das Pektinwerk und den erweiterten Bestandsschutz für die Kolonie Zern. Die Bewohner seien mit Rückbau- und Abrissverfügungen der Bauaufsicht in Bad Belzig konfrontiert, seitdem die Kolonie zur Grünfläche erklärt wurde. Mehrere Widerspruchs- und Gerichtsverfahren seien bereits anhängig, eine zügige Lösung angezeigt. „Die Bauaufsicht möchte, dass die Stadt klar sagt, was planungsrechtlich in der Kolonie Zern gewünscht ist“, so Thiele. Da das nicht geschieht, würden die Bewohner weiter drangsaliert.

Ähnlich sieht es Bernd-Michael Stritzke vom Anwohnerverein „Leben am Zernsee“. Sein Eindruck: Unter dem Motto „Ruinen schaffen ohne Waffen“ solle die Firma Herbstreith & Fox von der störenden Nachbarschaft befreit werden. „Die Stadt will offenkundig Tatsachen schaffen, die die Umsetzung des Mediationsergebnisses unmöglich machen.“ Obwohl er im Mediationsverfahren als Ansprechpartner benannt worden sei, habe er vom Rathaus bislang keine Information zum Verfahrensstand erhalten.

Für die Stadt ist das Pektinwerk, in dem Pektin und Ballaststoffe aus Zitrusschalen hergestellt werden, eine der wichtigsten Industrieansiedlungen. Laut jüngstem Jahresabschluss der Firma Herbstreith & Fox wurden mit den 138 Beschäftigten im Jahr 2012 gut 24 Millionen Euro umgesetzt, der Jahresüberschuss betrug 2,8 Millionen Euro.

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