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Weinhelfer. Ulrich Gaube verkauft in Werder unter anderem Zitronensäure und Hefen, die man für guten Obstwein braucht. Neben Früchten können auch Blüten vergoren werden.

© Enrico Bellin

Obstwein aus Werder (Havel): Die Hefe macht die Kopfschmerzen

Seit zehn Jahren verkauft Ulrich Gaube den Werderanern das Zubehör zur Obstweinherstellung. Er gibt Rezepte und erklärt, welche Fehler man als Neuling unbedingt vermeiden sollte.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Er schmecke einfach gut, der Obstwein. „Wenn man die Flasche aufmacht, riecht man sofort, welche Obstsorte das ist – so viele Aromen sind da drin“, beschreibt der Werderaner Karl-Heinz Krauskopf den Geschmack des Sauerkirschweines. Beim Getränkemarkt von Ulrich Gaube in der Potsdamer Straße 80 holte er sich am gestrigen Dienstag Vorrat für das Baumblütenfest. Ein paar Flaschen vom Stachelbeerwein, der mit der Goldenen Kruke ausgezeichnet wurde, gehen zudem mit in den Pfingsturlaub ins Wendland, das verlangten die Freunde auf dem Campingplatz.

Schon vor dem Festbesuch wird Obstwein getrunken

„Jetzt kommen viele Werderaner, die über das Baumblütenfest Gäste bekommen und schon vor dem Festbesuch zu Hause Obstwein trinken wollen“, so Ulrich Gaube. Seit zehn Jahren verkauft er den Werderanern in seinem Getränkemarkt neben Saft, Wasser und Bier selbst gemachten Wein und alles, was man zu dessen Herstellung braucht. Beim am Samstag beginnenden Baumblütenfest betreibt er zudem drei Stände, ab heute wird dafür der Wein in Plastikflaschen gefüllt. Und das mit eineinhalb Händen, wie Gaube es formuliert – beim Zurechtsägen eines Werbeschildes ist vor eineinhalb Wochen der linke Mittelfinger in die Kreissäge geraten. „Der Finger war komplett aufgeschnitten, zum Glück sind aber weder Nerven noch Sehnen beschädigt.“ So wird Gaube auch weiterhin Wein machen und verkaufen können. Die Früchte dazu stammen zum Teil aus eigenem Anbau; Gaube kauft Werderanern, die zu wenig Obst für größere Handelsketten anbauen, ihre Früchte aber auch ab.

Was braucht man nun aber zur Herstellung des eigenen Obstweins? „Das Wichtigste sind frische Früchte, keine zu gärigen, die man nur nicht mehr für Marmelade nehmen will.“ Grundsätzlich könne jedes Obst vergoren werden. Für zehn Liter Erdbeerwein brauche man etwa zehn Kilogramm Erdbeeren. Bei Johannisbeeren, die wesentlich mehr Säure mitbringen, würden bereits vier Kilogramm reichen. Das Obst muss in einem Gärbehälter eingeweicht werden, dann wird es zermatscht und mit Hefe vermischt.

Manche Weine haben 18 Prozent Alkohol

Dabei würden viele Hobby-Winzer schon den ersten Fehler machen. „Einige vertrauen bei der Gärung auf wilde Hefen, die immer in der Luft vorhanden sind“, so Gaube. Die Hefen sind wichtig, sie zersetzen den Zucker zu Alkohol und Kohlendioxid und sterben bei einem gewissen Alkoholgehalt ab. Bei welchem die wilden Hefen sterben, könne man nicht kontrollieren. Zudem würden sie Abbauprodukte herstellen, die später für Kopfschmerzen nach dem Weingenuss sorgen. Deshalb vertraut Gaube auf gezüchtete Hefen aus dem Weinbau. Mehrere Sorten stehen im Regal, aus Erfahrung kann Gaube sagen, welche für welche Obstsorte am besten geeignet ist. So vertrage die Portweinhefe bis zu 18 Prozent Alkohol, ein Gehalt, den etwa der Hagebuttenwein erreicht.

Die gegärte Masse wird dann mit einem Beutel ausgepresst, der die festen Bestandteile zurückhält, und in eine Glasblase gefüllt. Dazu wird Zucker beigemischt, je nach Sorte pro zehn Liter Wein 1,5 bis 2,5 Kilogramm. Nach vier Wochen haben sich Hefen und Schwebstoffe am Boden abgesetzt, die darauf schwimmende Flüssigkeit wird dann mit einem Schlauch umgefüllt. Nach zwei bis drei Mal umfüllen und absetzen ist der Wein schließlich glasklar. Das Starterset für Einsteiger inklusive 30-Liter-Gärfass kostet 80 bis 100 Euro, fast alle Utensilien lassen sich beliebig oft verwenden. Der Umsatz mit dem Zubehör sei in den vergangenen zehn Jahren angestiegen, mehr Werderaner versuchen sich mit Gaubes Beratung am eigenen Obstwein. Während zur ersten Verleihung der Goldenen Kruke 1998 noch 36 Weine eingereicht wurden, waren es in diesem Jahr wie berichtet 226.

Für guten Wein braucht man Rezepte

Genaue Rezepte für jede Obstsorte stehen in der „Most- und Weinfibel“, die Gaube jedem Kunden ans Herz legt. Kuchen backe man schließlich auch nach Rezept, sonst gehe er nicht auf. Mit das Wichtigste sei die Säure, die müsse gut dosiert und kontrolliert werden. „Birnen beispielsweise bringen fast keine eigene Säure mit, da muss man mit Zitronensäure nachhelfen“, erklärt der 52-Jährige. Bei Blütenweinen – an den meisten Ständen in Werder wird etwa Holunderblütenwein ausgeschänkt – müsse neben der Säure auch noch der fehlende Zucker zugeführt werden, der sonst von Natur aus in den Früchten steckt.

Eine Spezialität aus Blüten ist bei Ulrich Gaube meist schon nach dem Baumblütenfest alle: der Löwenzahnwein. „Der Geschmack ähnelt dem von Met“, so Gaube. Der Wein ist die reinste Fleißaufgabe – für Gaubes Eltern. „Wenn die Blüten aufgehen, freut sich mein Stiefvater trotz seiner 86 Jahre schon darauf, den Löwenzahn zu stechen und die Blüten abzutrennen.“ Für zehn Liter Wein brauche man 500 Gramm pure Blüten.

Wie alle Fruchtweine sollte auch die Flasche Löwenzahnwein Gaube zufolge innerhalb weniger Tage ausgetrunken werden – sonst beginnt die sogenannte Sherryisierung: Der Wein reagiert mit Sauerstoff und verliert an Aroma. Auf dem Baumblütenfest sollte das jedoch kein Problem sein.

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