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Gemeinsam Lösungen suchen. Ulrike Otto hilft Obdachlosen wie Jens Rebouillon, wieder eine eigene Wohnung zu finden. Am wichtigsten sei der Wille, etwas zu ändern, sagt sie.

© Andreas Klaer

Obdachlose in Potsdam-Mittelmark: Der Weg zurück in die eigenen vier Wände

In Teltow hat die Potsdamer „Ernst von Bergmann“-Klinikgruppe eine betreute Notunterkunft für Obdachlose eröffnet.

Teltow - Ein Tisch, ein Bett, ein Schrank – in Jens Rebouillons Zimmer ist nur das Nötigste vorhanden. Der 50-Jährige fühlt sich damit wohl, denn das Wichtigste ist für ihn, dass er ein Dach über dem Kopf hat. Bis vor Kurzem war Rebouillon obdachlos, nun ist er einer der ersten Bewohner der neuen Notunterkunft in der Oderstraße 23. Einziehen konnten die ersten Obdachlosen schon seit dem 3. Juli, am gestrigen Donnerstag feierte der Träger, die „Ernst von Bergmann“-Klinikgruppe, offiziell Eröffnung mit Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD).

Die Idee zu der Unterkunft sei im „Arbeitskreis obdachlos“ entstanden, so Schmidt. Stadt, Landkreis, Vermieter, Ordnungsämter sowie die Awo und die Ernst von Bergmann Sozial gGmbH hatten sich seit Anfang des Jahres über eine würdevolle Unterbringung von unfreiwillig Obdachlosen ausgetauscht. Das gemeinnützige Unternehmen mietete schließlich eine leer stehende Etage über dem Industriemuseum in Teltow an. Möbel und Einrichtungsgegenstände wie Bettwäsche und Geschirr konnte der Träger dabei zu 80 Prozent über Spenden finanzieren. Unter anderem half ein benachbartes Möbelhaus bei der Ausstattung der Räume. Die Miete für die Räume betrage inklusive aller Betriebskosten 495 Euro, sagte Ulrike Otto, Leiterin der Wohn- und Eingliederungshilfe der Ernst von Bergmann Sozial gGmbH. „Diese Summe trägt aber jeweils das Jobcenter, alle Bewohner erhalten Arbeitslosengeld II.“

„Oft sind die Menschen hoch verschuldet, manche haben Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen“

Die Notunterkunft umfasst zehn Einzelzimmer und zwei Doppelzimmer sowie Gemeinschaftsräume für die bisher acht Bewohner. Die beiden Doppelzimmer sollen vorrangig Frauen mit Kindern vorbehalten bleiben, erklärte Otto. „Bisher gibt es solche Fälle allerdings in der Region noch nicht, sodass natürlich auch alleinstehende Männer und Frauen jeweils zu zweit die Zimmer bewohnen können.“

Bisher leben sechs Männer und zwei Frauen in den rund zehn Quadratmeter großen Einzelzimmern, die Altersspanne der Bewohner liegt zwischen 18 und 60 Jahren. Sie alle sind, wie Jens Rebouillon, unfreiwillig in ihre Lage geraten. Ihr Weg führte sie in die Beratungsstelle von Ulrike Otto. Die Sozialarbeiterin versucht, mit den Obdachlosen erste Schritte zurück in einen geregelten Alltag zu gehen. „Oft sind die Menschen hoch verschuldet, manche haben Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen“, sagt Otto. Neben der Bewältigung solcher Schwierigkeiten brauchten die Obdachlosen häufig Hilfe dabei, wieder einen Personalausweis zu beantragen, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder ein Konto zu eröffnen. „Wichtig ist es immer, dass die Menschen wirklich etwas ändern wollen“, so Otto.

Ohne Hilfe von Sozialarbeitern haben es Obdachlose häufig sehr schwer, eine Wohnung zu finden

Jens Rebouillon wollte das. Nach einer Trennung hatte seine Partnerin ihn vor mehreren Jahren vor die Tür gesetzt. Danach hatte er zeitweise mit anderen Obdachlosen in einem Haus in der Ruhlsdorfer Straße gelebt, das jedoch offiziell nicht als Notunterkunft betrieben wurde. „Dort gab es keine Betreuung“, sagt Otto. Inzwischen sei das Haus für Obdachlose nicht mehr zugänglich.

„Es war klar, dass wir eine Einrichtung für Obdachlose brauchen, die auf einer hohen qualitativen Ebene ist“, betonte gestern auch Teltows Bürgermeister Schmidt. Dafür sei die Betreuung durch Sozialarbeiter unerlässlich. Die Erfahrung zeige, dass es ohne die Hilfe von Sozialarbeitern sehr schwierig für Obdachlose sei, wieder eine Wohnung zu finden, sagte Otto. Jens Rebouillon kann dem nur beipflichten. Er habe sich in den vergangenen Jahren oft bei Wohnungsgesellschaften und Vermietern vorgestellt, um wieder in eine eigene Wohnung ziehen zu können – jedoch ohne Erfolg.

„Das typische Bild vom Verwahrlosten mit Pulle in der Hand, das gibt es hier in der Umgebung tatsächlich kaum“

In der neuen Notunterkunft bekommen die Bewohner täglich Besuch von ihren Betreuern, es wird gemeinsam an Wegen gearbeitet, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. „Rechtlich gesehen sind die Bewohner der Notunterkunft weiterhin obdachlos, da sie keine eigenen Mietverträge haben“, erklärte Otto. Diesen Zustand zu ändern, sei Ziel der Betreuung. Eine festgelegte Höchstaufenthaltsdauer für die Notunterkunft gebe es nicht. „Wir gehen aber davon aus, dass jeder Bewohner innerhalb von höchstens anderthalb Jahren eine neue Wohnung gefunden hat.“ In Glindow, wo die Ernst von Bergmann Sozial gGmbh seit neun Jahren eine Notunterkunft betreibe, seien bisher nur zwei Personen nach längerem Aufenthalt wieder in die Obdachlosigkeit entlassen worden. „Alle anderen haben nun eine eigene Wohnung.“

Wie viele obdachlose Menschen in Teltow und Umgebung leben, sei schwer zu beziffern, sagt Otto. Sieben Obdachlose sind laut Stadtsprecherin Andrea Neumann derzeit beim Ordnungsamt registriert. Darüber hinaus gebe es aber in ländlichen Regionen eine sehr hohe Dunkelziffer, erläuterte Otto. „Es gibt einige Leute, die zeitweise bei Freunden unterkommen und von einer Couch zur nächsten ziehen.“ Diese Personen hätten zwar keinen festen Wohnsitz mehr, seien aber als Obdachlose nicht sichtbar. „Das typische Bild vom Verwahrlosten mit Pulle in der Hand, das gibt es hier in der Umgebung tatsächlich kaum“, so Otto.

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