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Die Turnhalle des Wolkenberg-Gymnasiums musste für die Flüchtlinge geräumt werden. Das Provisorium wird voraussichtlich bis zum Jahresende benötigt.

© Andreas Klaer

Notunterkunft in Michendorf: Schul-Turnhalle als Flüchtlingsasyl

In Michendorf wird ab Montag Notunterkunft für 100 Asylbewerber eingerichtet. Schule und Sportvereine erfuhren erst jetzt davon

Michendorf - Für Lehrer, Schüler und Sportvereine kam es mehr als überraschend: Die Turnhalle des Michendorfer Wolkenberg-Gymnasiums wird ab Montag als Notunterkunft für Asylbewerber benötigt. In Brandenburg ist diese Form der Unterbringung ein Novum. Schulleiter Henrik Reinkensmeier wurde am Mittwoch darüber informiert, die Sportvereine, die die Halle nach der Schule für ihre Gruppen nutzen, am Donnerstag.

„Wir werden mit unserem Kollegium alles tun, um die vor uns liegenden Probleme so zu lösen, dass es bestmöglich funktioniert“, sagte Reinkensmeier gegenüber den PNN. Sowohl im Landkreis als auch in der Schule gebe es Kompetenz genug im Umgang mit Menschen, um mit der Situation umzugehen. Vom Sportverein SG Michendorf hieß es auf PNN-Anfrage, dass man mit dem Rathaus bereits nach Alternativen suche. So soll versucht werden, den Vereinen Nutzungszeiten in den drei anderen Sporthallen der Gemeinde bereitzustellen. Vereinschef Volkmar Woite sagte: „Wenn tatsächlich Menschenleben in Gefahr sind, muss der Sport zurückstecken.“

Kritisch schätzte die Lage Julia Noack, Vorsitzende des örtlichen Tischtennisvereins TTSG, ein. Es handle sich um die größte Halle in der Region, Trainingsalternativen für ihren Verein bestünden nicht. „Ab September beginnt der Punktbetrieb, die nächste Saison können wir abhaken“, sagte Noack. Sie hätte sich für ihre 45 Vereinsmitglieder gewünscht, dass man nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird. „Man hätte sich mit den Vertretern im Ort zusammensetzen sollen, um über Alternativen wie die alte Turnhalle oder die leere Bungalowsiedlung zu reden“, sagte Noack.

Auf PNN-Anfrage bestätigte das Landratsamt in Bad Belzig gestern, dass die Sporthalle bis voraussichtlich 31. Dezember zur Unterbringung von etwa 100 Flüchtlingen benötigt werde. „Seit Jahresbeginn ist die Planzahl der aufzunehmenden Asylbewerber von etwa 600 auf aktuell nun 1162 durch das Land Brandenburg für das laufende Jahr heraufgesetzt worden“, sagte der Sprecher des Landratsamtes, Kai-Uwe Schwinzert. „Dies stellt fast eine Verdopplung dar.“

Die Kreisverwaltung habe deshalb seit längerer Zeit mehrere Dutzend Standorte im gesamten Landkreis auf ihre Eignung als Flüchtlingsheim geprüft. Man hoffe, in den nächsten Tagen noch eine Alternative für das Provisorium in Michendorf zu finden. „Möglicherweise benötigen wir die Turnhalle dann nur bis nach der Sommerpause. Es ist aber zu früh, darüber zu sprechen“, so Schwinzert.

Anfang nächster Woche wolle das Landratsamt zu einer Pressekonferenz zu dem Thema einladen. Schon Anfang des Monats hatte der Fachdienst Soziales informiert, dass in diesem Jahr ein zusätzliches Heim für 200 Flüchtlinge im Landkreis benötigt wird. Es bleibe aber dabei, dass in der Region Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf keine neuen Standorte mehr eingerichtet werden sollen, sagte Schwinzert. In Stahnsdorf und Teltow leben bereits etwa 700 der 931 Asylbewerber. Von den insgesamt sieben Übergangsheimen im Landkreis sind weitere in Bad Belzig, Beelitz-Heilstätten und Brück eingerichtet.

Der Landkreis ist Träger des Michendorfer Gymnasiums. Das Gebäude wurde in den vergangenen Jahren umfassend saniert und ausgebaut, auch die Turnhalle ist ein Neubau aus dem Jahr 2008. Turnhallen seien als Übergangswohnheim grundsätzlich schnell verfügbar und aus Kapazitätsgründen für die Unterbringung von Asylbewerbern geeignet, sagte Schwinzert – auch wenn der Landkreis alternative Lösungen bevorzugen würde, „wenn es sie gäbe“.

Im Landratsamt will man nicht mal ausschließen, dass weitere Notunterkünfte, Zeltstädte, Containerdörfer oder Ähnliches zur Unterbringung des Flüchtlingsstroms benötigt werden. Ziel sei zwar nach wie vor eine dezentrale Beherbergung in urbanen Umfeldern. Landrat Wolfgang Blasig (SPD) warnte gestern aber: „Wenn das Land den Kommunen weiter 70 Prozent Asylbewerber aus dem Westbalkan zuweist, die keine Aussicht auf Asyl haben, wird das Problem noch schlimmer.“

Was die Kommunikation angeht, räumte das Landratsamt Handlungsbedarf ein: In der Kreisverwaltung sei eine „Arbeitsgruppe Asyl“ unter Leitung der Sozial-Fachdienstleiterin gebildet worden, um die Fragen der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zu bündeln. „Hierzu zählt auch die Kommunikation mit den Beteiligten vor Ort“, sagte Schwinzert. „Der Landkreis bemüht sich, die Gemeinden und Städte rechtzeitig zu informieren, soweit sich ein Standort als Übergangswohnheim eignet und eine Nutzung konkretisiert werden kann.“

Der Michendorfer Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) wollte sich gestern aufgrund der extremen Arbeitsbelastung und Personalengpässen zunächst nicht zu dem Thema äußern. Kurzfristig musste die Gymnasiums-Sporthalle nun geräumt werden. Bei Bedarf wollen Schüler und Lehrer helfen, sie zur Unterbringung vorzubereiten, wie es gestern hieß.

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