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Rhythmischer Farbrausch. Ute Pleuger ließ sich für ihr neues Werk von der Musik inspirieren. Wie bei einer „Toccata“, einem leichten Improvisationsstück, fließen die Farben in sich stetig veränderndem Ton von Leinwand zu Leinwand. Das Bild können Kunstinteressierte in Pleugers neuer Galerie in Caputh auf sich wirken lassen.

© Andreas Klaer

Neue Galerie in Caputh: Der fehlende Satz der Sinfonie

Ute Pleuger eröffnet morgen den Caputher Kunstraum mit einem Werk, das Musik und Malerei verbindet

Caputh - Neben dem Eingang zu Ute Pleugers Kunstraum steht eine Orgel, auf dem Notenhalter liegt die „Toccata et Fuga“ von Johann Sebastian Bach. Doch das Instrument geht fast unter im Farbrausch, der sich dem Besucher zur rechten Seite auftut: In dem lichtdurchfluteten Raum in der Caputher Geschwister-Scholl-Straße 40 hüpfen bunte Streifen von Leinwand zu Leinwand, ändern dabei zuweilen abrupt den Farbton. Wie in einem Konzert muss sich der Betrachter erst ein wenig einschwingen, ehe er einen Rhythmus findet.

Ute Pleuger vereint in ihren Werken gern die beiden Künste, zwischen denen sie sich lange hin- und hergezogen fühlte: die  Musik und die Malerei. Aufgewachsen im Essen der Nachkriegszeit zog sie Mitte der 1970er nach Berlin und begann dort zunächst beides zu studieren. An der Hochschule der Künste wurde sie Meisterschülerin des renommierten deutsch-syrischen Malers Marwan Kassab-Bachi, zugleich absolvierte sie ein Orgelstudium. „Wie ich das geschafft habe, weiß ich heute auch nicht mehr“, sagt Pleuger. „Morgens um sieben begann meine erste Musikstunde, tagsüber studierte ich Malerei und abends setzte ich mich nochmal bis 22 Uhr an die Orgel.“

"Nur die Kunst umfasst das ganze Leben."

Bald jedoch zeigte sich, dass ihr in der Malerei die größte Anerkennung zuteil wurde. Noch als Studentin erhielt Pleuger ihr erstes Arbeitsstipendium, nach ihrem Abschluss förderten das deutsch-französische Jugendwerk und der Deutsche Akademische Austauschdienst ein zweijähriges Aufbaustudium in einem Pariser Atelier. Zurück in Berlin erhielt sie weitere Stipendien vom Senat für Kulturelle Angelegenheiten. „Als Künstler landet man schnell in der Sozialhilfe oder muss sich von Nebenjob zu Nebenjob hangeln“, sagt die 62-Jährige. „Das ist mir zum Glück erspart geblieben – ich konnte von Anfang an von meiner Malerei leben.“ Das sage sie ohne Dünkel, betont Pleuger. Ihre Kindheit im Ruhrpott, damals oft als „Armenhaus Deutschlands“ betitelt, sei eine gute Übung darin gewesen, nie die Bodenhaftung zu verlieren.

Schon als Jugendliche wusste die Malelerin genau, was sie wollte. „In der Schule war ich eine Überfliegerin und jeder dachte, ich studiere irgendwas mit einem harten Numerus Clausus.“ Aber Pleuger merkte früh, dass sie mehr Freiraum in ihrem Leben brauchte als es eine Mediziner- oder Juristenkarriere hätten bieten können. „Ich hatte schon damals das Gefühl, dass nur die Kunst das ganze Leben umfasst.“

Atelier hinter dem Haus

Nach Jahren als freie Künstlerin erhielt Ute Pleuger einen Lehrauftrag an der Hochschule für Künste und ab 1999 eine Professur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale). Sie übernahm die Leitung des Fachbereichs Malerei, saß in Fachgremien und Jurys. Die Bewerbungen um Studienplätze an ihrem Lehrstuhl überstiegen das Angebot um ein Vielfaches. Mit einigen ehemaligen Studierenden hat die Professorin bis heute Kontakt und ein paar von ihnen werden auch bei der Eröffnung ihrer ersten Ausstellung im „Kunstraum Ute Pleuger“ am Sonntag dabei sein.

Das Haus in Caputh hat sie bereits 2005 gekauft. Anfangs sei der Ort nur als persönliches Refugium gedacht gewesen, sagt die Künstlerin. Hinter dem Haus richtete sie ihr Atelier ein, arbeitete mal dort, mal in Berlin, mal in Halle. Doch nach fast 20 Jahren als Professorin fasste Pleuger vor zwei Jahren den Entschluss, ihre Arbeitsstätte ganz nach Caputh zu verlegen. Sie kündigte ihre Professur in Halle, um sich ihren bis dahin unverwirklichten Ideen widmen zu können. „Neben der Lehrtätigkeit hätte ich dieses Bild nicht geschafft“, sagt Pleuger und deutet auf das Farbspiel an den Wänden ihres Kunstraums.

Kunst nach Bach-Komposition

Von der Konzeption bis zur Vollendung der „Toccata“ habe sie insgesamt neun Monate gebraucht. Das nach dem Musikstück benannte Bild vervollständigt eine fünfteilige Werkgruppe zum Thema Musik, die die Künstlerin bereits im Jahr 2000 begonnen hat und die insgesamt etwa 100 Einzelarbeiten umfasst. Die „Toccata“ folgt dabei auf den ersten Teil „Imago“ und steht vor dem dritten Teil, den „Fugen“. „Bach hat vor seine Fugen immer noch ein leichtes Improvisationsstück, also etwa eine Toccata gestellt“, erklärt Pleuger. So sei das Werk, mit dem sie am Sonntag von 14 bis 18 Uhr die erste Ausstellung in ihrem Caputher Kunstraum eröffnet, der „Missing Link“ oder auch der fehlende Satz der bis dahin unvollendeten Sinfonie gewesen.

Ihren Kunstraum wird Pleuger nach der Vernissage nicht zu festen Zeiten öffnen, sondern nach Vereinbarung. Ob sie auf der Orgel neben dem Eingang zur Eröffnung etwas spielen werde? Ute Pleuger verneint: „Orgel spiele ich nur noch für mich selbst – nur meine Malerei stelle ich öffentlich aus.“

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