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Potsdam-Mittelmark: Neue Bürgerinitiative streitet für Kolonie Zern

100 Leute bei Bürgerforum / Forderung: Kolonie Zern soll Wohn- und Wochenendhausgebiet bleiben

Werder (Havel) - Die Kolonie Zern soll Wohn- und Wochenendhaussiedlung bleiben. Dafür will sich die neue Bürgerinitiative „Leben Am Zernsee“ stark machen. Die ersten Schritte zur Vereinsgründung und zu einem Internetauftritt seien bereits getan, wie Gründungsmitglied Bernd-Michael Stritzke bei einer Bürgerversammlung am Donnerstagabend erklärte. Zur offiziellen Gründungsversammlung soll in zweieinhalb Wochen eingeladen werden. Die Initiative will Einfluss auf die geplante Erweiterung des Pektinwerks der Firma Herbstreith & Fox nehmen und den Status der Kolonie Zern als Wohn- und Wochenendhausgebiet zurückgewinnen.

Unter den Kolonisten herrscht seit Monaten große Unruhe. Hintergrund sind Änderungen im neuen Werderaner Flächennutzungsplan, der vor anderthalb Jahren wirksam wurde. Was sie bedeuten, ist vielen Bewohnern jetzt erst richtig klar geworden: Die im alten Plan noch als Fläche für Wochenend-, Wohnhäuser und Erholung ausgewiesene Kolonie Zern wurde zu Grünfläche und Wald „herabgestuft“. Baugenehmigungen werden damit nicht mehr erteilt, für vorhandene Gebäude gilt lediglich Bestandschutz. „Sie dürfen noch ihr Dach neu eindecken, aber keine Dachbalken mehr austauschen“, fasste der Potsdamer Rechtsanwalt Uwe Graupeter die Folgen am Donnerstagabend zusammen.

Graupeter vertritt knapp 20 Bewohner der Kolonie Zern, die sich um ihr Baurecht betrogen fühlen, und hat ein Gutachten zu dem Thema verfasst. Darin wirft er der Stadt Werder indirekt vor, den Flächennutzungsplan auf das Pektinwerk zugeschnitten zu haben. Es ist der nächste Nachbar der Kolonie, Industrieerweiterungen in Nachbarschaft von Wohngebieten sind mit sehr hohen Auflagen verbunden.

Der Kemnitzer Ortsbeirat hatte Graupeter, weitere Experten und ausgewählte Stadtverordnete am Donnerstagabend zu einer Bürgerversammlung eingeladen. Fast 100 Bürger nutzen die Gelegenheit, um sich im Gemeindezentrum über die Situation zu informieren. Viele zeigten sich enttäuscht, dass im Flächennutzungsplan über ihre Rechte hinweggegangen wurde. Ortsvorsteher Joachim Thiele hatte seinerzeit vergeblich sein Veto eingelegt, das Planwerk wurde von Werders Stadtverordneten einstimmig verabschiedet.

Der Planungsrechts-Experte Thomas Lilienthal geht von „Abwägungsfehlern“ im Planverfahren aus. „Die Stadt kannte den Konflikt zwischen Kolonie Zern und Pektinwerk. Das ist aber nicht erkennbar geworden.“ Rechtsanwalt Graupeter sprach von „grundsätzlichen Problemen im Planungsrecht“. Vom Bürger werde erwartet, dass er sich – selbst über abstrakte Planverfahren – im Amtsblatt informiert. Dass die Verwaltung nicht einmal aktiv werden muss, wenn infolge von Beschlüssen Grundstücke entwertet werden, sei – wie Kemnitz zeige – problematisch.

In der Bürgerversammlung war man sich einig, auf die Stadtverordneten einzuwirken, die Herabstufung der Kolonie Zern zur Grünfläche zurückzunehmen. Zwei anwesende Stadtverordnete – Peter Hinze (Linke) und Wolfgang Lambrecht (SPD) – erklärten dazu ihre Gesprächsbereitschaft. „Im Dialog verliert niemand sein Gesicht“, so Anwalt Graupeter. Zugleich will man Druck über das derzeit laufende Bebauungsplanverfahren für das Pektinwerk ausüben – nicht um die Werkserweiterung zu verhindern, wie mehrfach betont wurde. „Es gibt Wege, wie das Miteinander funktioniert“, so Bernd-Michael Stritzke. Einer sei die Werkserweiterung im nordwestlichen Wald.

Einen Joker hat man auch noch im Blatt: Ein Grundstück, das für den geplanten Radweg Werder-Phöben benötigt wird, gehört einer Interessengemeinschaft von Eigentümern in der Kolonie.

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