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Neue Brücke in Saarmund: Überbrückt - in 96 Stunden

Ein Lkw-Fahrer ist Ende April gegen eine Eisenbahnbrücke in Saarmund gekracht. Die Brücke wurde für den Zugverkehr gesperrt und auch Autofahrer mussten lange Umwege in Kauf nehmen. Ab Mittwoch rollt der Verkehr wieder.

Von Eva Schmid

Nuthetal - Es war ein kleiner, aber teurer Fehler: Nur um wenige Zentimeter hat sich ein Lastwagenfahrer Ende April am Ortseingang von Saarmund verschätzt. Der Mann krachte mit seiner Ladung, einem Bagger, gegen eine Eisenbahnbrücke, auf der unter anderem die Regionalbahnlinie 22 verkehrt. Durch den Zusammenstoß war die Brücke so sehr beschädigt worden, dass sie einzustürzen drohte. Die Strecke wurde für den Personen- und Güterverkehr sofort gesperrt. Auch Autofahrer, die nach Saarmund wollten, mussten lange Umwege in Kauf nehmen. Ab Mittwoch soll der Verkehr wieder rollen – dank einer Hilfsbrücke.

Thomas Klahn zeigt auf ein klaffendes Loch zwischen den Gleisen. Seit Tagen ist der 37 Jahre alte Bauingenieur, der für den Bahnkonzern arbeitet, Tag und Nacht am Ortseingang von Saarmund im Dienst. Er ist Experte für Brücken – mit Stolz erklärt er, was zum Einbau einer Hilfsbrücke alles dazugehört. Verbaut werden über zehn Tonnen Stahl. Das kostet – Brückenschäden gehen ins Geld, sagt Klahn. „Allein das Material hier hat rund eine Million Euro gekostet.“ Hinzu komme das Geld für die rund 75 Bauarbeiter, die in vier Tagen rund um die Uhr die alte Brücke freigelegt, abgebaut und eine neue in der Nacht zu Montag eingesetzt haben. „Und dann noch die Kosten für die Verspätungen im Zugverkehr, die sich ja auch auf das gesamte Bahnnetz auswirken“, so der Brückenexperte weiter. Es sei schwierig zu beziffern, wie viel die Bahn am Ende von der Versicherung des Lastwagenfahrers fordern werde. Nur eins weiß Klahn schon jetzt: Es wird wieder viele Nachfragen geben. Bei Schadensfällen wie in Saarmund werde oft unterstellt, dass die Bahn zu teure Reparaturen vornehme. Klahn kennt sich mittlerweile mit Versicherungsfällen gut aus. Der Bauingenieur wird immer dann gerufen, wenn es brennt. Wenn eine Brücke droht einzustürzen, wenn an den Gleisen Schäden auftreten, wenn es auf der Schiene nicht mehr vorangeht.

Immer wieder krachen Lkws gegen Brücken 

Brenzlig ist die Situation derzeit auch in Potsdam-Mittelmark: Nicht nur gegen die Brücke über die Landesstraße 77 ist jüngst ein Lastwagen gedonnert. Nur 500 Meter weiter krachte es vor wenigen Wochen ebenfalls, auch bei einer weiteren Bahnüberführung verschätzte sich ein Lastwagenfahrer. Er blieb mit seinem Fahrzeug im Unterbau der Brücke hängen. Die Strecke der Regionalbahnlinie war durch den ersten Unfall bereits gesperrt. Der Schaden dieses Mal gering.

„Auffahrtsunfälle passieren relativ häufig, in der Regel ist der Schaden lokal eingrenzbar und durch zusätzliche Verstärkungen schnell zu reparieren“, so Klahn. Er und sein Team schaffen es in kürzester Zeit, kaputte Brücken durch stabile Hilfsbrücken zu ersetzen. „Der schnellste Einbau dauerte bisher 54 Stunden.“ Das ist die reine Bauzeit an der Baustelle, in den Wochen vor dem Einbau der Brücken muss Klahn die Planung vorbereiten. Die Anforderungen der Bauaufsicht seien für den Bahnverkehr hoch. Da koste die Abstimmung mitunter viel Zeit.

Während der Brückenbauer an einen Baucontainer gelehnt über die Pläne schaut, bohren derweil Mitarbeiter aus seinem Team Betonreste ab. Die letzten Reste der alten Brückeneinfassung bröckeln den Abgrund hinunter, über der Straße klafft noch ein großes Loch. Klahn zeigt auf vier große Stahlträger, die in der Sonne vor ihm liegend glänzen. Individuell angefertigt worden seien die jeweils 2,5 Tonnen schweren Träger, in einer Werkstatt der Deutschen Bahn in Dresden. „Sie gleichen die Höhendifferenz zwischen den Gleisen und dem Brückenbauwerk aus.“ Auf die Stahlträger werden mithilfe von schweren Baumaschinen die zwei Brückenteile, die bei einer Baustellenbesichtigung am Wochenende noch auf den Gleisen liegen, gehoben.

Zum Wochenanfang soll die Brücke fertig sein. Den ersten Brennpunkt hat Klahn dann erledigt. Die Hilfsbrücke soll laut Planungen der Bahn drei Jahre lang stehen, ehe sie durch einen kompletten Neubau ersetzt wird. Um weitere marode Brücken kümmern sich seine Kollegen. „Die machen die planmäßigen Erneuerungen“, sagt der Mann mit den hellblonden Haaren. Unter anderem werden sie in drei Jahren die Hilfsbrücke in Saarmund durch einen Neubau ersetzen. Ein Jahr zuvor sei die zweite Bahnbrücke, die über die Landesstraße führt, dran.

Es ist eine monate- und teils jahrelange Geduldsprobe, auf die sich Autofahrer und Pendler aus dem Potsdamer Umland in den kommenden Jahren einstellen müssen. Die Deutsche Bahn erneuert bis Ende 2018 gleich fünf ihrer Brücken in Mittelmark. Die derzeitige Bauoffensive gehört zu einer der größten Infrastruktur-Modernisierungen in der Geschichte der Bahn. Ein Großteil der rund 38 000 Brücken in Deutschland hat längst seine besten Zeiten überschritten. 35 Milliarden Euro investiert die Bahn in neue Gleise, barrierefreie Bahnhöfe, Brücken und Tunnel.

Das Verjüngungsprogramm auf der Schiene ist deutlich in Mittelmark zu spüren: Nach über zweijähriger Bauzeit soll im November 2017 die neue Bahnbrücke in Michendorf stehen. Dann soll auch die Potsdamer Straße wieder befahrbar sein. Auch die Bahnbrücke über den Templiner Damm wird im kommenden Jahr mehrere Monate lang erneuert, Pendler der Regionalbahnlinie 22 müssen sich erneut auf Umwege einstellen. Auch die Strecke der Regionalbahnlinie 23 wird im Frühjahr 2017 wie berichtet streckenweise gesperrt sein, dann werden zwei neue Brücken über die A10 gebaut.

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