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Potsdam-Mittelmark: Mord an Glindower: Keine Beweise, aber ein Motiv

Das Gericht untersucht Spielsucht des Angeklagten. Ein Gutachter soll klären, ob er voll schuldfähig ist.

Potsdam/Werder (Havel) – Viele offene Fragen: Vor dem Potsdamer Landgericht wurde gestern der Prozess um den Mord an dem Glindower Brunnenbauer Joachim L. mit der Anhörung der Ex- und Ehefrau des Angeklagten sowie weiterer Zeugen fortgesetzt. Doch auch nach dem zweiten Verhandlungstag gibt es weder ein Geständnis noch stichhaltige Beweise.

Das Schwurgericht beschäftigte sich am Dienstag vor allem mit den Geschäftspraktiken des Angeklagten und seiner möglichen Spielsucht. Der mutmaßliche Täter, Hans-Dieter V., hatte angegeben, in der Zeit von 2007 bis 2010 bis zu 400 000 Euro an Spielautomaten umgesetzt und dabei etwa 50 000 Euro verloren zu haben. Er soll inzwischen mittellos sein.

Nach Angaben eines leitenden Angestellten der brandenburgischen Spielbanken soll der 60-Jährige allein im letzten Jahr seiner Spieltätigkeit rund 150 Mal in einer Spielbank gewesen sein, überwiegend in Potsdam. Ein Vergleich zu den Vorjahren ließ sich jedoch nicht ziehen, da Automatenspiele erst seit sieben Jahren registriert würden. Der Spielbank-Leiter sprach von einer „gefühlten Zunahme der Besuche“ durch den Angeklagten. Eine Spielsucht will er aber nicht erkannt haben. Im August 2010 ließ sich Hans-Dieter V. auf eigenen Wunsch hin für den Spielbetrieb sperren. Ein vom Gericht bestellter psychologischer Gutachter soll nun klären, ob der Angeklagte spielsüchtig ist und aus diesem Grund möglicherweise voll oder teilweise schuldunfähig ist.

Im Zusammenhang mit seinem Spieltrieb beschäftigte das Gericht auch ein Darlehn eines Potsdamer Geschäftspartners. Dieser hatte dem Angeklagten in der Zeit von Februar bis Juli 2010 in vier Tranchen Geld in Höhe von insgesamt 107 000 Euro geliehen. Hans-Dieter V. zahlte dieses aber offenbar nicht zurück. Nach seinen Angaben habe er diese Summen für ein sich anbahnendes Geschäft mit den Potsdamer Verkehrsbetrieben gebraucht. Wie berichtet handelte V. mit Werkzeugen und Bahnteilen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass V. sich auch von dem späteren Opfer Joachim L. zuvor auf ähnliche Weise Geld geliehen hatte und ihn letztlich aus Habgier erschoss. Insgesamt sollen es 330 000 Euro gewesen sein. Für den Mord fehlen bisher aber die Beweise.

Das Opfer, der 55-jährige Joachim L., war im Sommer 2009 in einem Waldstück in Tschechien zwischen Ostrava und Suchá Rudná von Pilzsammlern gefunden worden – spärlich mit Zweigen bedeckt und einer tödlichen Schussverletzung im Hinterkopf. Nach langwierigen Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft vor drei Jahren Anklage gegen den Potsdamer Hans-Dieter V. erhoben.

Am Fundort der Leiche fand sich aber weder eine Waffe noch das zugehörige Projektil. Auch kein Blut. „Die Leiche wurde vom Tat- zum Auffindort transportiert“, sagt Verteidiger Hagen Wegewitz. Das Auto des mutmaßlichen Täters war später intensiv mit Schwarzlicht ausgeleuchtet worden. Eine belastbare Spur fand sich darin aber nicht, so der Anwalt.

Der Angeklagte soll aber aktives Mitglied in einem regionalen Schützenverein und später einer Schießsportgruppe gewesen sein. Die Waffen, die er zu dieser Zeit zu Hause aufbewahrte, habe er seiner Ex-Frau übergeben, die diese nach eigenen Angaben bei einer Brandenburger Waffenhändlerin in Kommission gab. Eine weitere Waffe soll bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit einem früheren Betrugsfall bei ihm entdeckt worden sein. Diese habe aber dem Vater seiner Ex-Frau gehört, erklärte V. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Waffe konfisziert.

Der Angeklagte selbst bestreitet die Tat. Er will seinen Freund, der am Abend zuvor in einer Bar eine Frau kennengelernt haben soll, nach einem gemeinsamen Geschäftstermin in Ostrava auf eigenen Wunsch an einem Busbahnhof abgesetzt haben. Von da aus sei er allein weiter gereist. Das von L. erhaltene Geld will er über eine gemeinsame Firma in Polen im Auftrag seines Geschäftspartners auf andere Konten transferiert haben. L. hätte nach dem Tod seines Vaters eine höhere Summe geerbt und habe diese vor dem Fiskus verbergen wollen. Beide unterhielten zudem gemeinsame Geschäftskontakte ins Ausland, so etwa nach Kasachstan.

In einem früheren Fall soll der Angeklagte bereits eine halbe Million Euro von einem Firmenkonto nach Venezuela überwiesen haben, angeblich für den Kauf eines Grundstücks und zum Aufbau eines Werkzeughandels vor Ort. Seine Ex-Frau sprach auch von möglichen Waffengeschäften, die jedoch nicht zustande gekommen seien. Der damalige Geschäftsfreund sei später mit dem Geld abgetaucht.

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