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Potsdam-Mittelmark: Mit Omas Tellern

Ein-Frau-Unternehmen: Die Stahnsdorferin Karsta Semler hat vor zwei Jahren den Bio-Catering-Service „Die Karlotte“ gegründet. 60 Portionen kocht sie täglich, manchmal bedeutet das einen 16-Stunden-Tag

Stahnsdorf - Schul- und Kita-Essen hat landläufig keinen besonders guten Ruf: Massenabspeisung, billige Zutaten, Einheitsbrei. Eine Entwicklung, die auch Karsta Semler seit Jahren beobachtet. „Im Cateringbereich wurden die Buffets immer umfangreicher, aber nicht gesünder“, sagt die 48-jährige Stahnsdorferin. „In der Gemeinschaftsverpflegung, speziell im Kinder- und Schulessenbereich, regiert der Kostendruck und nicht die Vernunft.“ Also beschloss Semler, den Löffel selbst in die Hand zu nehmen, und gründete 2014 ihr eigenes Catering-Unternehmen „Die Karlotte“ - bio, regional, saisonal und nachhaltig. Als reines Ein-Frau-Unternehmen beliefert sie seitdem vor allem Tagesmütter und Kitas in Potsdam, 60 Portionen kocht sie täglich.

Für ihr Engagement wurde Semler am Montag von der Landesvorsitzenden der Grünen, Petra Budke, mit der Auszeichnung "Grüne Gründerin" geehrt. "Als ich von ihr gehört hatte, wusste ich sofort: Ihr müssen wir diesen Preis geben!", sagte Budke anlässlich der Verleihung. Die Auszeichnung wurde dieses Jahr von den brandenburgischen Grünen ins Leben gerufen und wird einmal monatlich an Unternehmerinnen vergeben, die besonders nachhaltig wirtschaften.

Und Semler hat den Preis wahrlich verdient: Bei der Zubereitung ihrer Speisen verwendet sie Ökostrom, Lebensmittel bezieht sie von zertifizierten Biobauern aus der Region, Fleisch aus Massentierhaltung kommt gar nicht erst in den Topf, und statt Wegwerfgeschirr aus Plastik benutzt sie wiederverwendbare Behälter oder sogar das alte Essservice ihrer Großmutter. Erstaunlicherweise kommt das gute Porzellan immer wieder heil bei ihrer Besitzerin an. „Meine Kunden gehen damit sehr vorsichtig um!“, sagt Semler.

Tatsächlich habe ihre Großmutter großen Einfluss auf ihren eigenen Berufsweg und ihre Achtung vor Lebensmitteln gehabt, erzählt Semler. „Sie hatte früher eine Backstube in Schwerin, wo ich immer in den Ferien hingefahren bin und mitgeholfen habe.“ Lebensmittelverschwendung war dort ein Tabu, weggeschmissen wurde nichts. Ein Prinzip, an das sich auch Semler bis heute hält: Kartoffel- oder Karottenschalen etwa wirft sie nicht weg, sondern bereitet damit ihre eigene Brühe zu, anstatt Brühwürfel aus dem Supermarkt zu nehmen. Was sonst noch an Abfällen übrig bleibt, holt die Recyclingfirma Refood ab, um daraus Biogas zu machen. Derzeit plant die Unternehmerin in Zusammenarbeit mit der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau e.V. eine Zertifizierung ihres Cateringservices.

Semler hat das Kochen von der Pike auf gelernt: Vor 30 Jahren fing sie ihre Ausbildung auf der Hakeburg in Stahnsdorf an und arbeitete danach in verschiedenen gastronomischen Bereichen – von À-la-Carte-Restaurants bis hin zur Gemeinschaftsverpflegung. Vor zweieinhalb Jahren rief sie „Die Karlotte“ ins Leben – eine Wortkombination aus ihrem eigenen Vornamen Karsta und dem ihrer Großmutter, Charlotte. Davor war sie mit dem Motorrad durch Brandenburg gefahren, um herauszufinden, ob es überhaupt genügend Biobauern gibt, von denen sie Lebensmittel beziehen kann. Es gab sie, und viele davon beliefern die Biocompany in Potsdam sowie die Markthalle Neun in Berlin, von denen Semler seitdem ihre Zutaten kauft.

Zunächst war das Catering nur ein Nebenberuf. Doch der Erfolg stellte sich schnell ein: „Seit 2014 habe ich eigentlich nur Steigerungen erfahren“, sagt Semler, die sich erst seit Juli dieses Jahres komplett selbstständig gemacht hat. Unter ihren Kundinnen sind vor allem viele Tagesmütter, die von dem immer gleichen Catering-Einheitsessen frustriert gewesen seien, sagt Semler. „Ein Menü für alle funktioniert nicht“, meint sie. Deshalb stimmt sie alle Speisepläne mit ihren Kundinnen und Kunden individuell ab, je nach Vorlieben und Lebensmittelunverträglichkeiten. Für Kitas hat sie zudem Jahreszeitenpläne erstellt, damit sich möglichst nichts wiederholt. „So wird es nie langweilig“, sagt die Unternehmerin, und meint damit auch ihren eigenen Arbeitsalltag.

Seit dem 7. November hat Semler eine neue, größere Küche bezogen, die ehemalige Cafeteria im Technologie- und Gründerzentrum Potsdam Bornstedt. Derzeit bewältigt sie die ganze Arbeit alleine, nur ihr Mann hilft gelegentlich beim Gemüseschneiden. Fast täglich steht Semler um vier Uhr morgens auf, fährt in die Küche, bereitet das Essen zu und liefert es bis halb eins aus. Danach wird das Essen für den nächsten Tag vorbereitet. „Wenn ich Glück habe, bin ich um halb zehn Uhr abends wieder zu Hause“, sagt sie lachend. Mitarbeiter kann sie sich noch nicht leisten, auch wenn sie viele Anfragen von möglichen Neukunden bekommt.

Trotz der Bio-Zutaten sind die Preise durchaus moderat: Eine Kita-Portion kostet 2,30 Euro. Neben Tagesmüttern, Kitas und privaten Feiern beliefert Semler auch sieben Tage in der Woche die Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam. Eine Aufgabe, die sie täglich vor besondere Herausforderungen stellt, denn viele der Kinder und Jugendlichen kommen aus Afrika oder dem arabischen Raum. „So was wie Kartoffeln oder Pudding kennen die meisten gar nicht“, sagt Semler. Dementsprechend muss sie ganz andere Zutaten nehmen als sonst und auch ganz anders würzen als bei deutscher Hausmannskost. „Grießkuchen essen sie aber auch ganz gerne.“

www.die-karlotte.de

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