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Dezentes Grab. Die Ruhestätte von Manfred Krug ist eine der unscheinbarsten auf dem Südwestkirchhof. Der neue Friedhofsführer stellt sie genauso vor wie große Mausoleen.

© Lisa Vanovitch

Potsdam-Mittelmark: Mit Abenteuerlust über den Friedhof

Neuer Wegweiser für Stahnsdorfer Südwestkirchhof will mit Tourenvorschlägen Orientierung geben

Stahnsdorf - Er ist Prominentenfriedhof, Kulturstätte und Ausflugsziel, facettenreich – und sehr groß. Bislang war es Besuchern kaum möglich, sich den 206 Hektar großen Stahnsdorfer Südwestkirchhof zu erschließen. Mit seinem Buch „Der Südwestkirchhof Stahnsdorf“ hat der Berliner Verlag edition progris nunmehr einen Wegweiser vorgelegt, der Spaziergänger entlang ausgewählter Grabstätten über den Kirchhof führt, aber auch auf rund 120 Seiten einen Exkurs in die Geschichte des Areals und der dort zu Grabe getragenen Persönlichkeiten bietet.

Geschrieben hat ihn der Berliner Historiker Dietmar Strauch, der selbst Pate eines Grabes auf dem Friedhof ist. Seit zehn Jahren pflegt er die Ruhestätte des aus Breslau stammenden Bildhauers Kurt Kroner (1885-1929), auf dessen Grabstein mit dem oder der „Trauernden“ eine der noch wenigen erhaltenen Plastiken des Künstlers thront. Die Besuche auf dem Südwestkirchhof und seine Forschungen zum wenig bekannten Bildhauer Kroner hätten ihn auf die Idee gebracht, über den Südwestkirchhof zu schreiben. Neben allgemeinen Informationen zum Kirchhof bietet Strauch zwei Tourenvorschläge an, die sich zu einem Rundgang verbinden lassen. „Es ist noch ein Spaziergang, an der Grenze zur Wanderung“, meint er. Eineinhalb bis zwei Stunden dauert eine Tour.

Auf der Innenseite der Buchklappen befindet sich je ein Wegeplan, in denen der Autor die von ihm ausgewählten Stationen eingezeichnet hat. Mit den dort begrabenen Persönlichkeiten befasste sich der Historiker tiefer, recherchierte, schrieb Kurzporträts, die er mit Gedichten und literarischen Zitaten anreicherte. So sei das Buch nicht nur ein Wegweiser über den 1909 errichteten Kirchhof, sondern auch ein Geschichtsdokument.

Gleich hinterm Haupteingang am Grab von Kriminalrat Ernst Gennat (1880-1939) beginnt Strauch seinen Exkurs. Gennat hatte 1926 am Berliner Alexanderplatz die erste Mordkommission gegründet und soll mit seinen Ermittlungsmethoden die Kriminalistik revolutioniert haben, so der Autor. Mit der systematischen Tatort- und Täteranalyse und einer zentralen Mordkartei habe er Standards gesetzt, die noch heute gültig sind.

Sein hochaufragender Grabstein im Gartenblock II ist schlicht und schnörkellos und neben dem Baumgrab des 2016 verstorbenen Sängers und Schauspielers Manfred Krug eine der unauffälligsten Grabstätten in dem Buch. Es sei bewusst auch ein Rundgang durch die Sepulkralkultur, erklärt der Historiker. Er habe alle Grabtypen von der einfachen Platte bis zum Mausoleum darstellen wollen, erzählt er. So findet sich bei ihm auch das expressionistische Grabmal des Saatguthändlers und Kultur- und Kunstmäzen Hermann Otto Julius Wissinger (1848-1920), von dem sein Schöpfer Max Taut, Bruder des bekannten Architekten Bruno Taut, sagt, es sei ein „gotischer Dom in Beton“. Wie Spinnenbeine muten die filigranen, in Bögen miteinander verbundenen Betonsäulen an.

Trotzdem sei seine Auswahl subjektiv, ein Kompromiss, sagt Strauch. Der Friedhof sei so groß wie der Berliner Tiergarten und damit für den unbedarften Besucher nur schwer zu durchdringen. Seit Jahren feilen Kirchhofsverwaltung und Förderverein an einem Leitsystem für den von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz unterhaltenen Waldfriedhof. Eine Lösung sei noch nicht gefunden, erklärt der Geschichts- und Informationswissenschaftler.

Eines der Probleme sei, dass die Grabnummer nichts über die Lage der Gräber sage, was eng mit der Historie des Kirchhofs zusammenhänge. Der Südwestkirchhof war zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, als die Begräbnisstätten aufgrund rasante Bevölkerungsentwicklung in der angrenzenden Metropole Berlin zu knapp geworden waren. Jede Kirchengemeinde erhielt auf dem vom Garteningenieur der Berliner Stadtsynode Louis Meyer gestalteten Friedhof einen eigenen Begräbnisplatz, so Strauch. Hinzu kamen in Blöcken zusammengefasste Soldatengräber und Umbettungen. Grund war Hitlers Planung der „Welthauptstadt Germania“, für die mehr als 1500 Grabanlagen nach Stahnsdorf verlegt worden seien, vornehmlich von Schöneberger Friedhöfen. So gesehen sei das mit Fotografien der Berliner Grafikerin und Künstlerin Lisa Vanovitch bebilderte Buch auch ein Vorschlag zur Orientierung auf dem weitläufigen Areal, so der Autor. Die ausgewählten Gräber seien gut aufzufinden, etwas Abenteuerlust sollten die Besucher dennoch mitbringen, sagt er. Solveig Schuster

Dietmar Strauch, Lisa Vanovitch: Der Südwestkirchhof Stahnsdorf. Das Buch aus dem Verlag edition progris kostet 12,50 Euro und ist neben dem Buchhandel auch auf dem Südwestkirchhof erhältlich.

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