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Michendorf: Von der Laientruppe zum Profi-Theater

Christian Schnell und Steffen Löser ziehen nach einem Jahr als Direktoren der Volksbühne Michendorf eine positive Bilanz – und wollen sich weiter steigern.

Michendorf - Es ist kaum noch Platz zum Gehen zwischen den vielen in Richtung Podium weisenden Stühlen und Cafétischen, die an diesem Donnerstagvormittag das Foyer der Volksbühne Michendorf füllen. Die beiden Lesungen der Berliner Schauspielerin Iris Werlin am vergangenen Wochenende seien ausverkauft gewesen, erklärt Theaterdirektor Christian Schnell. „Da mussten wir hier ein bisschen anbauen.“

Im Januar übernahmen Christian Schnell und Steffen Löser die Theaterleitung von Gründer Siegfried Patzer. Intendant Patzer hatte sich nach mehr als 15 Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Seitdem holten die beiden neuen Direktoren, die in Berlin die Künstler- und Marketingagentur Stageworkers betreiben, mehr Profischauspieler an die Volksbühne und verdoppelten die Zahl der jährlichen Aufführungen. Die Bilanz: Rund 3700 Besucher werden es am Ende dieses ersten Jahres unter neuer Führung gewesen sein. Für ein kleines Theater mit 80 Plätzen sei das ein gutes Ergebnis, findet Schnell. „2018 werden wir sicher die 4000 überschreiten.“ Zugute komme dem Theater, dass die Einwohnerzahl Michendorfs jährlich wachse, dass Potsdam keine eigene Komödie habe und dass im südlichen Berlin überhaupt kein Theater vorhanden sei. Mit den umliegenden Gemeinden komme man so auf einen Einzugsbereich von etwa 100 000 Menschen, sagt Schnell. Von denen sollen in den kommenden Jahren immer mehr davon überzeugt werden, dass die Volksbühne Michendorf die erste Adresse in der Region sei, wenn es um professionelles Theater geht.

Mit mehr Vielfalt im Angebot von Michendorf nach Potsdam

Dafür soll auch eine größere Angebotsvielfalt sorgen. Schon in diesem Jahr zeigt die Volksbühne mit „Pinocchio“ ein erstes Stück für Kinder. Im kommenden Jahr soll noch mehr jüngeres Publikum angelockt werden, etwa mit dem Jugendstück „Burning Love“ und dem Märchen „Hänsel und Gretel“. Aber auch das erwachsene Publikum kann sich auf manchen Bühnenklassiker freuen, darunter „Im weißen Rössl“ oder „Charleys Tante“. Mit dem 85-jährigen Heinz Behrens und dem 97-jährigen Herbert Köfer sollen in „Sonny Boys“ außerdem zwei bekannte Schauspieler-Urgesteine auf der Michendorfer Bühne stehen.

Teile des Michendorfer Ensembles wollen im September 2018 auch in Potsdam auftreten. In der Nikolaikirche soll das Stück „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal mit Live-Orgelmusik und Projektionen in Szene gesetzt werden. Die Proben für das Stück, an dem auch Schauspieler aus Potsdam beteiligt sein werden, finden in der Volksbühne Michendorf statt. Im kommenden Jahr sollen zunächst acht Vorstellungen gezeigt werden. „Es soll sich aber eine Tradition daraus entwickeln“, sagt Christian Schnell. „Wir würden das Stück gern jedes Jahr im Herbst gemeinsam auf die Bühne bringen.“

Ein Weltklassemusiker in Michendorf

Von einem Haus mit engagierten Laien-Schauspielern, das nur ein paar wenige Premieren pro Jahr hat, habe sich die Volksbühne im vergangenen Jahr zu einem professionellen Volltheater entwickelt, sagt Christian Schnell. Um das Publikum langfristig zu binden, komme es nun auf die richtige Mischung an: „Wir sind nach wie vor ein Volkstheater, da kann es auch mal etwas gehobener sein, aber natürlich muss auch vieles dabei sein, was leicht zugänglich ist.“

Gehobener wird es etwa am Sonntag, dem 5. November, wenn mit der belgisch-japanischen Pianistin Michèle Gurdal und dem Solisten der Berliner Philharmonie Máté Szücs zwei Weltklassemusiker in der Volksbühne Michendorf auftreten. Ermöglicht hat das Gastspiel Uwe Große-Wortmann vom Verein Bühnenfreunde Michendorf, dem Förderverein sowohl der Volksbühne Michendorf als auch der Kleinen Bühne. Ein Jahr voller Telefonate sei nötig gewesen, um den Termin zu realisieren, sagt Große-Wortmann. Anschließend musste für das Konzert ein 85 000 Euro teurer Flügel besorgt und dessen Transport organisiert werden. „Ich hoffe, die Mühe hat sich gelohnt und der Saal wird voll“, sagt Große-Wortmann.

Verein der Bühnenfreunde derzeit das letzte Bindeglied zwischen Volksbühne und Kleiner Bühne

Der Verein der Bühnenfreunde ist nach wie vor ein wichtiger finanzieller Stützpfeiler für das Theater. Die Volksbühne ist zwar gemeinnützig, das allerdings als Gesellschaft und nicht als Verein, erklärt Christian Schnell. „Deswegen können wir keine direkten Zuschüsse von der Gemeinde bekommen.“ Der Freundschaftsverein wiederum kann solche Zuschüsse bei der Gemeinde beantragen. Darüber hinaus unterstützt der Landkreis Potsdam-Mittelmark die Volksbühne.

Außer seiner finanziellen Funktion ist der Verein der Bühnenfreunde derzeit das letzte Bindeglied zwischen Volksbühne und Kleiner Bühne, die einst zusammengehörten. Wegen persönlicher Differenzen zwischen Siegfried Patzer und der Regisseurin Christine Hofer kam es Ende 2014 zum Bruch. Seitdem existiert die Kleine Bühne als reisende Laientheatertruppe weiter, die mehrmals pro Jahr im Gemeindehaus „Zum Apfelbaum“ auftritt. Heute gebe es zwischen den beiden Ensembles keinen Streit mehr, betont Christian Schnell. „Wir hatten damit ja eh nie etwas zu tun, wir kennen die Schauspieler der Kleinen Bühne bisher nicht mal persönlich.“ Er habe aber nichts dagegen, dass beide Theater etwa gemeinsam ihre Spielpläne absprächen oder auch mal in anderer Weise kooperierten.

Der Spielplan der Volksbühne Michendorf ist online verfügbar auf: http://volksbühnemichendorf.de/calendar/

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