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Neue Freunde gefunden. Maja Höfmann, Anastasija Glinina und Friedrich Stanke wurden von ihren israelischen Gastfamilien herzlich aufgenommen. „Es war schön, kein Tourist zu sein, sondern den Alltag der Menschen kennenzulernen“, sagt Stanke.

© Andreas Klaer

Michendorf: Gymnasiasten haben den Alltag in Israel kennengelernt

18 Gymnasiasten aus Michendorf haben den Alltag in Israel kennengelernt. Gemeinsam haben sie eine beeindruckende Bekanntschaft in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gemacht.

Michendorf - Im Garten stand ein Avocadobaum und am Freitagabend kam der erwachsene Sohn vom Militärdienst nach Hause: Ein paar Unterschiede gab es schon zwischen der israelischen Gastfamilie und ihrer eigenen in Deutschland, erzählt die Neuntklässlerin Maja Höfmann vom Wolkenberg-Gymnasium am Montag, dem 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel. „Aber vieles war auch genau wie in Deutschland – mit den israelischen Jugendlichen haben wir eigentlich über genau die gleichen Themen gesprochen wie mit Freunden aus unserer Schule.“ Maja Höfmann gehört zu den 18 Teilnehmern des einwöchigen Schüleraustausches zwischen dem Wolkenberg-Gymnasium und der Ramon High School in der israelischen Kleinstadt Hod Hasharon. Die Partnerschaft zwischen den beiden Schulen besteht inzwischen seit zehn Jahren. Dieses Jahr trafen die Schüler während der Woche in Israel auch auf Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), der in dem Land unter anderem eine Kooperation der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit dem Land Brandenburg unterzeichnete.

Auch die Michendorfer Schüler waren in Yad Vashem, diskutierten dort über die Holocaust-Erinnerungskultur in Deutschland und Israel. „Wir beschäftigen uns im Unterricht eigentlich erst ab der zehnten Klasse mit dem Holocaust“, sagt die 14-jährige Wolkenberg-Gymnasiastin Anastasija Glinina. „Die meisten Schüler wissen aber vorher schon aus Filmen und Büchern einiges darüber und konnten darum etwas zur Diskussion beitragen.“

Schüler schauen sich gemeinsam „Das schweigende Klassenzimmer“ an

Zudem sahen die deutschen und israelischen Jugendlichen gemeinsam in einem Kino in Tel Aviv den Film „Das schweigende Klassenzimmer“, in dem es um eine Brandenburger Abiturklasse geht, die sich anlässlich des Ungarischen Volksaufstands 1956 zu einer Schweigeminute für die Opfer im Unterricht entscheidet. Auch ein Teil deutscher Geschichte.

Zur Vorbereitung der Reise gehöre es auch, dass sich die Teilnehmer intensiv mit dem Land Israel auseinandersetzten, erklärt Tillmann Flemming, einer der betreuenden Lehrer. „Wir informieren vor jeder Austauschwoche in einem ganztägigen Seminar über die Gegebenheiten vor Ort und die aktuelle politische Lage.“ Dort gebe es etwa eine Einführung für die Schüler in die Hintergründe des Nahostkonflikts. Auch für die Eltern veranstaltet die Schule vorab einen Informationsabend, bei dem sie Fragen und Bedenken äußern könnten. „Bisher mussten wir aber zum Glück noch keinen einzigen Austausch wegen zu großer Sicherheitsbedenken absagen“, so Flemming.

Während der Reise sei es in den Gesprächen zwischen den Austauschschülern dann erstaunlicherweise gar nicht so sehr um die politischen Entwicklungen – die Beziehungen Israels zum Iran, zu den USA, die Lage im Gazastreifen – gegangen, meint Flemming. Auch auf eine Zunahme antisemitischer Tendenzen in Deutschland, die jüngsten Vorfälle in Berlin, sei vor Ort keiner aus der Michendorfer Gruppe angesprochen worden.

Koscheres Essen in der Gastfamilie

Ihrerseits unsicher habe sie sich in Israel zu keiner Zeit gefühlt, sagt Maja Höfmann. „In meiner Gastfamilie habe ich den Nahostkonflikt einmal angesprochen, aber denen ging es genauso: Sie sagten, sie haben absolut keine Angst.“ Das war allerdings einige Tage vor dem jüngsten Gewaltausbruch am Montag. Ungewöhnlich habe sie gefunden, dass es in Israel sowohl für junge Männer als auch für Frauen eine mehrjährige Wehrpflicht gibt, sagt die Schülerin. Der Sohn ihrer Gastfamilie sei jede Woche am Freitagabend heimgekehrt, um über den Sabbat bei seiner Familie zu sein. Am Sabbat, der etwa dem christlichen Sonntag entspricht, sollen die Juden laut der Tora ruhen und keine Arbeit verrichten.

Im Alltag bedeutet das etwa auch, dass keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren. „Wir wären am Ende der Austauschwoche gern noch ans Meer gefahren, das ist von Hod Hasharon nur eine halbe Stunde entfernt“, erzählt der 15-jährige Friedrich Stanke. „Aber das ging ohne Bus dann leider nicht.“ Andere religiöse Gebote habe es aber kaum gegeben, ergänzt Maja Höfmann. Sie wisse nur von einer Schülerin aus der Gruppe, dass die Gastfamilie auf koscheres Essen geachtet habe.

Diskussionsrunde in der Gedenkstätte Yad Vashem

Doch am meisten bewegt hat die Schüler die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, sagt Tilmann Flemming. Zu der Diskussionsrunde in der Gedenkstätte Yad Vashem sei auch der Holocaust-Überlebende Walter Bingham eingeladen worden, von dem die Schüler sehr beeindruckt gewesen seien. „Es ist etwas ganz anderes, so jemanden persönlich zu treffen, als nur im Unterricht etwas über den Holocaust zu lernen“, sagt Neuntklässlerin Anastasija Glinina.

Und einen Einblick in die Brandenburger Landespolitik gab es für die Schüler fern der Heimat gleich noch dazu. Gemeinsam mit einer Freundin habe sie Dietmar Woidke bei der Veranstaltung angesprochen und gefragt, wie er Politiker geworden sei, erzählt Maja Höfmann. „Er war total locker“, sagt die Schülerin.

Im Herbst soll der Gegenbesuch von israelischer Seite erfolgen. Die 20 Schüler der Ramon High School werden dann in den deutschen Familien der Austauschschüler leben. Maja Höfmann, Anastasija Glinina und Friedrich Stanke freuen sich schon darauf, ihre neuen Freunde wiedersehen zu können.

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