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Gudrun Walter ist Seniorenbegleiterin in Michendorf.

© Andreas Klaer

Mehr Lebensqualität in Potsdam-Mittelmark: Eine Alltagshelferin für Senioren

Vom Last-Minute-Einkauf bis zur Ausflugsfahrt entlang blühender Rapsfelder: Gudrun Walter aus Wildenbruch nimmt sich Zeit für Ältere. Die Idee dazu kam ihr auf dem Jakobsweg.

Von Sarah Stoffers

Wildenbruch - Ein Spaziergang am Wasser, ein paar dringende Einkäufe oder einfach mal ins Theater: Um Senioren in ihrem Alltag zu unterstützen, vor allem aber auch um ihnen ein wenig ihrer Einsamkeit zu nehmen, bietet Gudrun Walter aus dem Michendorfer Ortsteil Wildenbruch eine Seniorenbegleitung und einen sogenannten Alltagsservice an.

Beruflicher Neustart kurz vor der Rente

Die 60-Jährige hat sich kurz vor der Rente beruflich umorientiert. Früher arbeitete sie als zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin. Doch als ihre Chefin, in deren Potsdamer Praxis Gudrun Walter rund 24 Jahre beschäftigt war, vor einiger Zeit in Rente ging, überlegte Gudrun Walter, ebenfalls etwas Neues auszuprobieren. Der Jakobsweg brachte die Wende: Einen Teil der rund 730 Kilometer langen Strecke von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela lief Gudrun Walter gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrer Hündin Tessa. Doch das Tier verletzte sich, sodass sie die Tour abbrechen mussten und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen wollten. Ihre Tochter steckte zu dem Zeitpunkt aber mitten im Schreiben ihrer Masterarbeit. So wanderte Gudrun Walter drei Wochen alleine, bis ihre Tochter nachkam. Für sie wurde das zu einer besonderen Erfahrung.

„Der Weg zerstört einen, baut einen dann jedoch auch wieder auf“, sagt Walter. Die erste Woche sei schwierig gewesen, die Einsamkeit ungewohnt, der Rucksack schwer, die Füße schmerzten. Doch dann merkte sie, wie Zuversicht und Mut wuchsen. „Ich hatte gar kein Selbstvertrauen zu diesem Zeitpunkt und konnte mich oft nicht entscheiden.“ Durch das Wandern auf dem Jakobsweg habe sie viel Kraft gewonnen. Eigentlich habe sie danach schon so gut wie eine neue Arbeit in ihrem alten Job in Aussicht gehabt. „Aber der Elan war weg. Ich wollte etwas tun, dass mir Freude macht“, erzählt die Seniorenbegleiterin. Während ihrer Zeit in der Zahnarztpraxis habe sie auch eine ältere Patientin privat betreut. „Ich habe richtig gemerkt, wie sie dabei aufgeblüht ist.“ So sei ihr die Idee für ihre Seniorenbegleitung gekommen.

Vielen geht es darum, für ein paar Stunden von Zuhause rauszukommen

Seit mittlerweile drei Jahren begleitet die Frau mit den roten Haaren und dem roten Wagen Senioren zu Arztterminen oder Friseurbesuchen, übernimmt die Einkäufe, erledigt Boten- und Behördengänge. Sie vermittelt soziale Dienste, organisiert und plant Familienfeiern und wenn jemand kurzfristig ins Krankenhaus muss, gießt sie auf Wunsch die Blumen oder leert den Briefkasten.

Doch in den meisten Fällen geht es ihren Kunden einfach um ihre Gesellschaft und darum, für ein paar Stunden von Zuhause rauszukommen. Mit einer ihrer ersten Kundinnen, die ihren Mann und ihren Sohn verloren hatte, sei sie zusammen essen gegangen. Einmal seien sie einfach nur im Auto durch die Dörfer ringsherum gefahren. Es war Frühling, der Raps habe überall geblüht und sie seien rund eineinhalb Stunden einfach über das Land gefahren. „Sie war ganz glücklich und hat einfach nur verträumt aus dem Fenster geschaut.“ Manche ihrer Kunden sind krank, sitzen im Rollstuhl oder sind leicht dement. In den meisten Fällen sind sie jedoch einfach nicht mehr so mobil wie früher.

Für ihre Firma gab es Unterstützung aus der Familie und Geld von der Investitionsbank

Bei dem Schritt in die Selbstständigkeit haben Gudrun Walter ihre Kinder, eine gute Freundin aber auch die Industrie- und Handelskammer unterstützt. Sie schrieb zum ersten Mal in ihrem Leben einen Businessplan, bekam Fördergelder von der Investitionsbank des Landes Brandenburg. Die Tochter half Flyer zu erstellen, ihr Sohn gestaltete eine Webseite. „Ich habe schnell Kunden gefunden, die diese Dienste tatsächlich gesucht haben.“ Rund 30 Euro pro Stunde kostet der Service.

„Die Senioren werden heute immer älter und sind immer fitter. Vor allem im Kopf. Sie wollen noch etwas unternehmen, können es aber nicht mehr alleine.“ Mit manchen geht sie einfach nur Kaffee trinken oder spazieren, damit sie ein bisschen Bewegung bekommen und nicht alleine unterwegs sein müssen. Andere begleitet sie ins Kabarett oder auch zu Ausstellungen im Museum Barberini nach Potsdam. Manche würden auch spontan mit ihren Wünschen anrufen. Eine Dame wollte vor Weihnachten unbedingt noch ins Stern-Center, ein anderer Kunde wollte am Caputher Gemünde spazieren gehen.

Man merkt Gudrun Walter an, wie sehr sie ihre Arbeit liebt. „Meine Kunden sind so dankbar. Mich erfüllt das wirklich mit Freude, wenn sie mich wiedersehen wollen oder mit mir ihre alten Fotoalben durchschauen möchten.“ Sie unterhalten sich oft über ihre Lebensgeschichte, wie sie den Krieg erlebten, heirateten und Kinder und Enkelkinder bekamen. Viele Menschen, die Gudrun Walter betreut, haben Kinder, denen aufgrund ihrer Arbeit meist die Zeit fehlt.

Abgerechnet wird privat, die Krankenkasse übernimmt den Service nicht

Die Seniorenbegleiterin will älteren Menschen mehr Lebensqualität geben: „Ich will ihnen helfen, so lange wie möglich zu Hause bleiben zu können.“ Ihre Dienste kann Gudrun Walter bislang nicht über die Krankenkasse abrechnen, da die Bestimmungen für den jeweiligen Pflegegrad in Deutschland sehr streng gehandhabt werden. Sie muss ihren Service bisher privat abrechnen. Das findet sie schade, da sie sich wünscht, dass sich mehr Senioren solche Angebote leisten können.

www.seniorenbegleitung-alltagsservice.de

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