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Der Hafen als Spielplatz. Kinder von Hafenmitarbeitern wurden auf dem 1906 eröffneten Areal öfters gesehen. 

© Sammlung Harry Gohl

Marina in Teltow: Der vergessene Hafen

Vor mehr als 100 Jahren legten die ersten Schiffe in Teltow an. Dass die Stadt schon mal einen Hafen hatte, wissen heute nur noch wenige. Auf Spurensuche entlang des Teltowkanals.

Von Eva Schmid

Teltow - Unförmig liegen sie in der Böschung am Teltowkanal: große, graue Betonquader. Es sind Relikte aus alten Zeiten und der Beweis dafür, dass Teltow einst einen Hafen hatte. Und zwar ungefähr dort, wo heute ein neuer entstehen soll. Einer, der als Kind auf dem Gelände gespielt hat, ist der Teltower Harry Gohl. Sein Vater und Onkel waren einst Hafenarbeiter. Mit seiner Familie lebte er direkt am Hafen, in der roten Kaserne. So wurde das Miethaus für die Hafenarbeiter genannt, heute ist auf dem Gelände der Rathausparkplatz. 

Der alte Hafen brachte Teltow zur wirtschaftlichen Blüte

Wie viele Hafenmitarbeiter einst in Teltow arbeiteten, weiß keiner mehr so genau. Auch nicht wie viel der Industriehafen einst kostete. Nur eines ist sicher: Der Hafen, zumindest der alte, hat Teltow zu wirtschaftlichem Erfolg geführt. Die noch junge Stadt blühte dank des regen Schiffsverkehrs auf. Das ging bereits mit der Eröffnung des Teltowkanals im Jahr 1906 los. An einer Steganlage, die längs am Kanal angebracht war, machten bis zu 80 Meter lange Güterschiffe Halt. Sie hatten Kohle zum Heizen geladen, Beton, Sand und weitere Baustoffe. Oft auch Rohmaterialien für die vielen Teltower Firmen. Mithilfe mobiler Dampfkräne wurden die Schiffe entladen. Die meisten von ihnen kamen auf ihrem Weg vom Ruhrgebiet nach Berlin an Teltow vorbei.

Monstrum. 13 Meter hoch und 3,5 Tonnen schwer war der Kran am Teltower Industriehafen. Er brachte die Güter auf die Schiene der Industriebahn.
Monstrum. 13 Meter hoch und 3,5 Tonnen schwer war der Kran am Teltower Industriehafen. Er brachte die Güter auf die Schiene der Industriebahn.

© Sammlung Harry Gohl

Auf Spurensuche am Tag der offenen Baustelle

Teltows Stadtsprecher Jürgen Stich, der auch Historiker ist, hat die Geschichte des alten Hafens wieder herausgekramt – pünktlich zum Tag der offenen Baustelle am Samstag dieser Woche. Dann nämlich sollen die Teltower und andere Interessierte die Möglichkeit bekommen, sich auf der Baustelle selbst umzusehen, zu sehen, dass es dort vorangeht. Das jedenfalls ist die Intention der Stadtverwaltung, die zu dem Baustellentag einlädt. Es ist zweifelsohne auch der Versuch, all diejenigen, die zuletzt zweifelten, von dem Mammutprojekt Marina zu überzeugen.

Auch Harry Gohl, der Junge, der als Kind auf dem alten Hafengelände spielte, wird da sein. Er hat eine Sammlung alter Fotos der Teltower Stadtverwaltung gegeben, ein großes Glück wie Historiker Stich sagt. Denn viele, wohl die meisten, Teltower wüssten nicht mehr, dass die Stadt überhaupt je einen Hafen hatte.

1961 war Schluss - nach 55 Jahren. Vom Hafen blieb fast nichts mehr übrig, das Hafenareal wurde zum Todesstreifen. Der Teltowkanal war die Grenze zu Westberlin.  
1961 war Schluss - nach 55 Jahren. Vom Hafen blieb fast nichts mehr übrig, das Hafenareal wurde zum Todesstreifen. Der Teltowkanal war die Grenze zu Westberlin.  

© Sammlung Harry Gohl

Mit dem Mauerbau ist der alte Hafen fast komplett aus dem Stadtbild und dem Bewusstsein der Teltower verschwunden. Das Hafenareal wurde zum Grenzgebiet. Dort hatte niemand mehr etwas zu suchen. Später, nach dem Fall der Mauer, überwucherte das Grün die Reste.

Teltow hatte einen Hafen, Flugplatz und eine Industriebahn 

Dabei sind sie Zeugen eines Wirtschaftserfolges: Der einstige Landrat des Kreises Teltow, Ernst von Stubenrauch, wollte nicht nur einen Hafen, sondern auch eine Schiene, die das Wasser mit der Stadt verband. So entstand die Teltower Industriebahn. An dieses acht Kilometer lange Schienennetz war ein Großteil der Teltower Betriebe angeschlossen: Darunter die Porzellanfabrik, die Parfüm- und Seifenfabrik Lose, die Biomalzfabrik, das Mineraltanklager und die Teltower Lackfabrik. Die Bahn fuhr sogar bis zum Teltower Flugplatz, auf dem die Norddeutsche Flugzeugwerke GmbH Teltow einst Doppeldecker baute.

Wirtschaftliche Blüte: Teltow baute 1928 seinen Hafen aus. 
Wirtschaftliche Blüte: Teltow baute 1928 seinen Hafen aus. 

© Sammlung Harry Gohl

Die Bahn, die sogar noch bis 1994 genutzt wurde, verlief vom Hafen bis zum Regionalbahnhof und war somit an die Anhalter Bahn angeschlossen. Die Trasse verband Berlin mit Halle. Der Hafen, die Bahn und der gute Anschluss an Berlin seien für viele Betriebe der Grund gewesen, sich in Teltow anzusiedeln, sagt Norbert Bluhm vom Teltower Indstriemuseum. In den Blütezeiten Teltows, zwischen den 1930er- und 40er-Jahren gab es einst bis zu 25 Firmen. Viele von ihnen wurden später zu Volkseigenen Betrieben zusammengeschlossen.

1928 wurde der Hafen erweitert, weil es so gut lief

Ein besonderer Höhepunkt, so hat Historiker Stich in seinen Recherchen herausgefunden, war das Jahr 1928. Auch Bilder von Harry Gohl zeigen, dass es ein einschneidendes Jahr gewesen sein musste. Auf einem Foto sieht man Hafenarbeiter, die zwischen Unmengen an Holz hin- und herlaufen. Der Grund für das rege Treiben: Der Hafen wurde erweitert. „Der Umschlag war zu dieser Zeit so gewaltig, dass man beschloss, statt der mobilen Dampfkräne eine feste Lösung einzubauen.“

So kam Teltow zu einem 3,5 Tonnen schweren Drehkran mit Greifer. 13 Meter hoch ragte das Monstrum in die Luft. Und fuhr auf einer 46 Meter langen Schiene hin- und her. Vom einstigen Kennzeichen der Stadt, das aus der Ferne gut zu sehen sein musste, ist nichts mehr übrig. Nur noch an die Schienenanbindung soll wohl noch ein alter Prellbock erinnern. Ihn zu finden ist schwer, er steht vergessen im dichten Gestrüpp.

Der Tag der offenen Baustelle auf dem Hafenareal, Zeppelinufer 1, findet am Samstag von 11 bis 16 Uhr statt

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