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Lehrerin aus Werder in der Stratosphäre: Das fliegende Lehrerzimmer

Die Werderanerin Gabriela Ulbrich durfte mit einem umgebauten Jumbojet in die Stratosphäre fliegen, um die Zusammensetzung von Sternen zu analysieren. Mit ihren Schülern wertet sie den besonderen Ausflug nun aus.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Gabriela Ulbrich ist müde und hat Sonnenbrand. Am Sonntag kam die Lehrerin der Werderaner Carl-von-Ossietzky-Oberschule aus dem kalifornischen Palmdale zurück, eine Autostunde nördlich von Los Angeles. Sie ist die erste Lehrerin, die von dort aus an Bord des Forschungsflugzeuges Sofia aus einer Höhe von 14,5 Kilometern den Weltraum beobachten konnte.

Dem Himmel so nah

„Seit zehn Jahren mache ich bei dem Projekt mit, jetzt konnte ich endlich selbst in den Flieger steigen“, sagte Ulbrich am gestrigen Dienstag ihrer sechsten Klasse. Acht Tage war sie in den USA, an zwei Nächten hob die 48-Jährige Werderanerin um 20 Uhr ab, um jeweils für zehn Stunden aus Sofia heraus den Himmel zu beobachten.

Sofia steht für „Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie“. Mit einem 2,7 Meter langen Teleskop an Bord schauen die Wissenschaftler der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Sterne, Nebel und Planeten an und beobachten deren Strahlung. „Durch die Analyse der Strahlen können Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der beobachteten Objekte gezogen werden“, erklärt die Astronomie-Lehrerin. Von der Erde aus würde der Wasserdampf der Atmosphäre die Ergebnisse verfälschen, daher ist der Flug in die Stratosphäre nötig.

Kinder blieben am Boden

40 deutsche Schulen sind am Projekt, dessen deutscher Teil von der Universität Stuttgart aus betreut wird, beteiligt. „Wir haben in den zehnten Klassen das Pflichtfach Astronomie, ein Professor der Stuttgarter Uni hat uns da das Projekt vorgestellt“, so Gabriela Ulbrich. Zunächst war Sofia als fliegendes Klassenzimmer gedacht, „aber die Kinder zehn Stunden lang im Flugzeug zu beschäftigen und auch entsprechend zu versichern war einfach zu schwer“. Daher fliegen nun die Lehrer mit.

Beteiligt werden die Schüler trotzdem, schließlich soll Sofia sie für naturwissenschaftliche Berufe begeistern. „Wir haben vor dem Start einen Fragebogen entwickelt, der erfassen soll, welche Berufe an Bord des Flugzeuges nötig sind und wie die Mitarbeiter zu ihnen gekommen sind.“ Noch sind nicht alle Fragebögen in Deutschland angekommen, nach Ostern soll die Auswertung mit den Zehntklässlern losgehen. Gestern durften auch die Schüler der sechsten Klasse ihrer Lehrerin, bei der sie Mathe und Physik haben, Fragen stellen. Ihr schönstes Erlebnis? Das hatte Ulbrich auf kalifornischem Boden: „Der liegt höher als Deutschland, von meinem Lieblingssternbild Orion kann man in Werder drei Sterne sehen und in Kalifornien fünf.“

Durch Teleskop ist sogar eine 1-Euro-Münze zu sehen

Doch auch die wissenschaftliche Atmosphäre an Bord habe sie begeistert. Die NASA-Mitarbeiter würden sehr ruhig, gelassen und konzentriert arbeiten und seien dazu noch hilfsbereit. Auch die Technik an Bord – das Teleskop wurde im Auftrag des DLR von deutschen Firmen entwickelt – sei beeindruckend. „Damit könnte man eine Ein-Euro-Münze in der Fußgängerzone liegen sehen“, erklärt sie ihren Schülern die Genauigkeit. Direkt durch das Teleskop schauen könne man zwar nicht, es liefere die Bilder aber an die Computer in der umgebauten Boeing 747, in der etwa 25 Wissenschaftler arbeiten.

Kurz vor dem Flug über Las Vegas habe der Captain dann auch noch die Cockpit-Tür aufgemacht und Ulbrich konnte hinunter auf die Erde schauen: „Das war beeindruckend: Alles war tiefschwarz, und mittendrin strahlten die Lichter der hellsten Stadt der Welt.“

Winterkleidung für mögliche Notlandung in Kanada dabei

Spätestens da sei auch die Angst vor dem Flug gewichen: Kurz vor dem ersten Abheben am Mittwochabend Ortszeit kam die Meldung vom tragischen Flugzeugabsturz in Frankreich. „Man weiß zwar, dass die NASA-Piloten extrem gut ausgebildet sind, aber die Angst bleibt doch.“ Zumal die Lehrer angewiesen wurden, trotz sommerlicher 30 Grad Celsius in Palmdale Winterkleidung mit an Bord zu nehmen – falls unterwegs eine Notlandung in Kanada erforderlich wird.

Für die zehn Stunden im Flieger hatten die Lehrer – neben Ulbrich waren drei andere Deutsche an Bord – Nasenspray, Lippenbalsam und Schmerztabletten dabei, um die trockene Luft im Jumbo auszuhalten. Eine Bordkantine gab es nicht, Essen musste Ulbrich sich im Plastikbeutel mitnehmen. „Wir sind aber trotzdem nie zum Essen gekommen, da man an Bord mit dem Beobachten der Messungen einfach so beschäftigt ist.“ Nach mehr als 11 000 Flugkilometern von Sofia landeten sie am Donnerstagmorgen in Palmdale, bevor es mittags wieder an die Vorbereitung des zweiten Flugs ging. An Schlaf war da kaum zu denken. „Wir hatten aber Ruhesessel im Flieger, wo man mal 20 Minuten Power-Napping machen konnte.“

Zeit, auf ihrem ersten USA-Besuch auch das Land und die Amerikaner kennenzulernen, hatte Ulbrich nicht. Nur eine Stunde Freizeit blieb ihr neben der Wissenschaft. „Da habe ich mir mein Nasa-Käppi aufgesetzt und bin durch den Ort gelaufen, in einen Supermarkt gegangen und habe einfach die Stimmung eingesaugt.“

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