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Potsdam-Mittelmark: Lautlos durch die Mark

60 Elektroautos waren im Kreis auf Tour. Noch sind sie ziemlich teuer

Potsdam-Mittelmark - Ein bunt bemalter Trabi rollt zum Teltower Marktplatz und sorgt für verblüffte Gesichter. Denn die „Pappe“ knattert nicht im typischen Takt. Auch die üblichen blau-grauen Qualmwolken steigen nicht gen Himmel. Flüsterleise parkt Benjamin Hahn sein Auto hinter dem Stubenrauch-Denkmal und ist kurz darauf von Neugierigen umringt. Der einstige „Stinker der Nation“ war der heimliche Star unter den Elektro-Flitzern, die am Samstagmorgen zur „eTour-Brandenburg 2014“ starteten.

Unter den rund 60 Fahrzeugen waren sportliche Roadster, Limousinen, Hybridautos und Kabinenroller. Die meisten standen rund um den Marktplatz und zapften vor Tourbeginn noch einmal Strom aus den Pollern, die den Platz begrenzen und zugleich als Energieversorger für festliche Anlässe fungieren. Auch an der neuen Elektrotankstelle am Parkplatz Badstraße, die am Samstag eingeweiht wurde, herrschte Hochbetrieb. Bis zu 22 Kilowatt Leistung bringt die Station, was Tankzeiten erheblich verkürzt. Neben dem dreiphasigen Laden mit Spezialkabeln ist auch das Zapfen über eine normale Steckdose möglich. Die Fahrer konnten so den Akku ihrer Gefährte in 10 bis 20 Minuten aufladen.

Die 150 Kilometer lange Rundtour führte über Beelitz, Bad Belzig und Caputh, wo drei weitere Stromzapfsäulen in Betrieb genommen wurden. Die Beelitzer Säule steht direkt neben der alten Posthalterei. An ihr kann man kostenlos Strom tanken, der aus einer Mini-Solaranlage stammt. Beelitz will zudem ein Elektroauto für den Außendienst anschaffen und eine zweite Stromtankstelle bauen. Die erste Säule hat 2 600 Euro gekostet, von denen das Landesumweltministerium 1 700 Euro übernahm.

Umweltministerin Anita Tack (Linke) ist Schirmherrin der eTour. Sie appellierte an die Bundesregierung, mehr für den Ausbau des Netzes an Ladestationen zu tun. „Neben der Infrastruktur ist aber auch die Industrie an der Reihe, preisgünstigere Elektrofahrzeuge anzubieten“, so Tack. Das Thema wurde auch beim Erfahrungstausch der Elektroautobesitzer angesprochen, der rund um den Marktplatz in kleinen Gruppen stattfand. Noch immer sind es neben dem dünnen Netz an Ladesäulen hohe Anschaffungskosten, die viele vom Kauf eines Elektroautos abhalten. Vor allem die Batterien, die bis zu 20 000 Euro kosten, treiben den Preis in die Höhe.

Ein Durchbruch komme erst mit Lithium-Ionen-Batterien, die kostengünstiger seien, so die Expertenmeinungen. Es geht aber auch billiger, wie der Trabi beweist. Dessen Umbausatz mit Elektromotor, Batterie und Ladegerät kostete Mitte der 90er-Jahre rund 15 000 Mark. Damit verbraucht die DDR-Legende nun 13 Kilowattstunden auf 100 Kilometern, was rund 3,50 Euro an Kosten verursacht. Das steht auf einem Schild, das der stolze Besitzer an die Seitenscheibe des Trabis geklemmt hat. Wenn Benjamin Hahn den Stecker für sechs Stunden in die heimische Steckdose steckt, reicht die Ladung für rund 120 Kilometer. Das einstige Leichtbauprinzip, die sogenannte „Pappe“, sei für den Elektroantrieb geradezu ideal, schwärmt er. An einer Kreuzung komme der Wagen innerhalb von 15 Sekunden von Null auf Tempo 50.

Gefachsimpelt wurde unter den Elektro-Enthusiasten, dass die flüsterleisen Autos demnächst mit einem Klangmodul aufgemotzt werden sollen, um Unfällen vorzubeugen. Rund um den Markt nahm mancher ein nahendes Elektro-Fahrzeug erst durch lautes Hupen wahr. Einem Mitarbeiter aus einem Teltower Autohaus zufolge sind rund 95 Prozent der Bevölkerung noch nie mit einem Elektroauto gefahren. Richtig begeistern könne man die Menschen aber nur für E-Mobilität, wenn sie die selbst ausprobieren. Auch das war Ziel der Tour am Samstag, die viele Interessierte zum Mitfahren einlud. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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