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Lange Anfahrtswege für Schüler: Ein Schulweg von bis zu drei Stunden

Die Schulen sind voll. Nicht nur im Landkreis, sondern auch in Potsdam. Familien müssen deswegen oft weite Anfahrtswege in Kauf nehmen. Eine Geltower Familie kämpft nun um einen Schulplatz in Potsdam.

Von Eva Schmid

Geltow - Der kürzeste Weg dauert pro Fahr 40 Minuten, der längste jeweils 1,5 Stunden: Der Landkreis Potsdam-Mittelmark investiert zwar wie berichtet in neue Schulen, doch das reicht für einen der größten Brandenburger Flächenkreise offenbar nicht aus. Das macht der Fall einer Geltower Familie deutlich: Zwei der insgesamt sieben Kinder der Pflegefamilie sind auf weiterführenden Schulen in Potsdam, ein elfjähriger Sohn soll nach den Sommerferien an eine weiterführende Schule wechseln. Doch an Potsdams Schulen ist kein Platz. Das Staatliche Schulamt stellt Plätze in Brück, Kloster Lehnin, Teltow, Beelitz oder Bad Belzig in Aussicht. Die nächstgelegene Schule ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln 40 Minuten entfernt, die weitgelegenste 1,5 Stunden – mit mehrmaligem Umsteigen. Es handelt sich um eine Fahrstrecke, nicht um Hin- und Rückweg.

Die Geltower Familie, die ihren Namen nicht veröffentlichen will, ist ratlos. „Uns bleibt im Verborgenen, warum der Schulweg nicht nach dem Radius um den Wohnort bemessen wird“, so die Geltower Mutter. Besonders ärgerlich sei auch, dass Potsdam-Mittelmark „die Entstehung von Gesamtschulen, die so beliebt und sinnvoll sind, so wenig berücksichtigt“. Für die Geltower Familie sei es keine Lösung, dies freien Trägern zu überlassen – wie es jetzt auf dem geplanten Schulcampus in Glindow passiere. Es müssen doch genug staatliche Schulplätze zur Verfügung stehen, so der Appell der Familie.

Das wachsende Potsdam hat selbst für seine Schüler kaum Platz

Auch, dass trotz Geschwisterkindern – der Geschwisterbonus gilt seit vergangenem Schuljahr nicht mehr – für das dritte Schulkind der Familie in Potsdam kein Platz ist, will die Familie nicht einsehen. Alle sozialen Kontakte der Kinder seien in der Landeshauptstadt. In Eigenregie hat sich die Geltower Familie bei den einzelnen Schulen umgehört: „Zumindest an zwei Einrichtungen gibt es noch freie Plätze“, so die Mutter. „Aber hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass sie für Potsdamer Schüler reserviert sind.“

So wie der Geltower Familie geht es derzeit vermutlich vielen weiteren Familien im Kreis. Die Wunschschulen sind voll, die wenigen Gesamtschulen platzen aus allen Nähten, aber auch Oberschulen wie die Werderaner „Carl von Ossietzky“-Schule werden der steigenden Nachfrage nicht mehr gerecht. Und das wachsende Potsdam hat selbst für seine Schüler kaum Platz.

Der Streit um einpendelnde Schüler zwischen der Landeshauptstadt und dem Kreis schwelt seit Langem. Vor rund zwei Jahren kochte die Debatte hoch, Potsdam forderte vom Kreis, sich finanziell am Bau von Schulen in der Landeshauptstadt zu beteiligen. Der Kreis lehnte ab und verwies auf Bauvorhaben auf seinem Territorium. Auch Potsdam ist wie berichtet mit einer groß angelegten Schulbauoffensive dabei, die Engpässe zu minimieren. Die Stimmung sei nicht mehr negativ, heißt es vom Kreis. Auch die Stadt Potsdam hält sich mit Kritik zurück. „Es gibt seitens der Landeshauptstadt keine generelle Ablehnung von Schülern aus Potsdam-Mittelmark“, so Stadtsprecher Jan Brunzlow.

„Es ist wie in einem Lottospiel“

Die Zahlen sprechen für sich: Im Schuljahr 2017/2018 lag der Anteil der Einpendler an Potsdamer staatlichen Schulen bei rund 14 Prozent. Das sind rund 2400 von insgesamt 17 200 Schülern. Die Gesamtschulen sind begehrt: An den sechs staatlichen Einrichtungen lag der Anteil bei knapp 30 Prozent auswärtiger Schüler. An den Schulen in freier Trägerschaft bei 50 Prozent. Das sind über 2000 der insgesamt 5300 Schüler, die Einrichtungen freier Träger besuchen.

„Es ist wie in einem Lottospiel“, beschreibt die Geltowerin die derzeitige Situation. Sie überlegt, Widerspruch gegen den Bescheid des Schulamtes einzulegen, befürchtet aber, am Ende weder in Potsdam noch in der Gesamtschule in Kloster Lehnin ihr Kind unterbringen zu können.

So sei die Heinrich-Julius Bruns Schule so sehr nachgefragt, dass geprüft werde, sie von vier auf fünf Züge zu erweitern, bestätigt Direktor Dirk Lenius. Von weit her im Kreis würden Anfragen für einen Platz kommen. Stark nachgefragt sind auch die Schulen in Werder.

Fahrtwege bis zu 90 Minuten gelten als zumutbar

Fragt man nach den Gründen für die verfahrene Situation, schieben sich Kreisverwaltung und Staatliches Schulamt gegenseitig die Bälle zu. Das Problem wäre gar nicht erst entstanden, hätte man verlässliche Daten vom Land für die Schulentwicklungsplanung bekommen, so der Kreissprechers Kai-Uwe Schwinzert.

Vonseiten des Staatlichen Schulamtes heißt es: „Über die Kapazitäten der Schulen entscheiden die Schulträger, zum Beispiel der Landkreis Potsdam-Mittelmark und die Stadt Potsdam“, so der Sprecher des Bildungsministeriums, Ralph Kotsch. Die Eltern hätten die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, wenn sie mit einem Bescheid des Schulamtes nicht einverstanden sind, so Kotsch weiter. Zudem würden Fahrtwege bis zu 90 Minuten als zumutbar gelten. Der Kreis gibt als groben Richtwert eine Fahrtzeit von 60 Minuten an.

Zu viel, wie die Geltower Familie findet. Sie kann immerhin noch darauf hoffen, als Härtefall zu gelten. Zwar haben Geschwisterkinder nach neuester Gesetzsprechung nicht mehr automatisch Vorrang – liegt aber eine stichhaltige Begründung vor, wird im Einzelfall geprüft, heißt es aus dem Bildungsministerium.

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