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Landrat Wolfgang Blasig (SPD)

© Manfred Thomas

Landrat Wolfgang Blasig im Interview: "Potsdam ist keine Insel"

Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig spricht im Interview über die Aufspaltung von Havelbus, eine mögliche Fusion mit dem Potsdamer Verkehrsbetrieb und eine gemeinsame Verkehrsplanung zwischen Landkreis und der Landeshauptstadt.

Von Enrico Bellin

Herr Blasig, zum Jahresanfang ging der Betrieb der mittelmärkischen Havelbus-Linien auf die Beelitzer Verkehrs- und Servicegesellschaft über. Hat die Übernahme funktioniert?

Ich habe von Fahrgästen nichts Gegenteiliges gehört. Das war wohl schmerzfrei, nur ein paar elektronische Anzeigen an den Haltestellen sollen kurzzeitig nicht funktioniert haben. Auch für die Mitarbeiter war die Übernahme des Betriebs gut vorbereitet. An der Abspaltung wird ja schon eine Weile gearbeitet, wobei die wirtschaftliche Trennung letztendlich erst in der zweiten Jahreshälfte vollzogen werden soll, wenn alle Bilanzen vorliegen.

Wird die Trennung unproblematisch weitergehen? Es gab ja 2014 Spannungen mit dem Landkreis Havelland, die Verhandlungen waren zeitweise festgefahren.

Wenn wir den eingeschlagenen Weg beibehalten, kommen wir zu einer sachlichen Trennung des Unternehmens. Wir haben keine Grauzonen zugelassen, wenn es nachher um die nackten Zahlen geht. Natürlich müssen aber beide Kreistage nach Vorlage der Bilanzen noch einmal abstimmen.
 

Wie geht es danach weiter?

Für uns ist der Beschluss des Kreistages bindend, die Beelitzer Verkehrsgesellschaft dann mit den Kollegen von der Verkehrsgesellschaft Belzig zu einer mittelmärkischen Gesellschaft zu verschmelzen. Auch das wird in Ruhe vorbereitet. In einer Übergangsphase werden die Aufsichtsräte beider Unternehmen nacheinander tagen, sodass jeweils beide Geschäftsführungen anwesend sein können und Vertrauen entsteht. Dadurch soll die Verschmelzung nicht als feindliche Übernahme gesehen werden.

Über eine Zusammenlegung mit dem Potsdamer Verkehrsbetrieb wird also noch nicht nachgedacht?

Das wäre ein Schritt in der ferneren Zukunft, der bisher weder in Potsdam-Mittelmark noch in Potsdam intensiv betrachtet wurde. Allerdings hat es bereits ein Gespräch mit meinem Kollegen Jann Jakobs gegeben, das gezeigt hat, dass es aus Potsdamer Sicht vorstellbar wäre. Die Details sind ausgesprochen schwierig. Schon die Auftrennung von Havelbus hat enorm viel Energie gekostet, auch die Verschmelzung der Beelitzer und Belziger Verkehrsgesellschaft wird noch einmal viel Aufwand bedeuten.

ZUR PERSON: Wolfgang Blasig kam am 31. März 1954 in einem Moskauer Krankenhaus zur Welt. Sein Großvater wurde 1946 von russischen Soldaten in eine entlegene Siedlung des Landes verschleppt, die Familie folgte. 1957 durften die Blasigs zurück nach Kleinmachnow. Von 1972 bis 1977 studierte Wolfgang Blasig Physik und war anschließend bis 1990 Entwicklungsingenieur im CvO-Werk in Teltow. Zwischen 1994 und 2008, also in der Zeit des Aufbaus nach der Wende, war der SPD-Politiker Blasig Bürgermeister der Gemeinde Kleinmachnow. Seit dem 16. Februar 2009 ist er Landrat im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Seine Amtszeit geht bis ins Jahr 2017. Blasig ist verheiratet und hat drei Kinder. PNN

Dann würden doch aber unnötig neue Strukturen geschaffen. Könnte man nicht gleich mit den Potsdamern fusionieren?

Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Verkehrsgesellschaft sollten zunächst in Ruhe analysiert werden. Potsdam hat eigene Strukturen durch die Straßenbahn und klare städtische Bedürfnisse, eine Fusion ist da nicht so ohne Weiteres zu machen. Im Moment würde eine Verschmelzung der Potsdamer, Beelitzer und Belziger Gesellschaften weder in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung noch im Kreistag eine Mehrheit finden. Diese Gremien haben aber zu entscheiden.

Was würde denn gegen eine gemeinsame Gesellschaft sprechen?

Die unterschiedlichen Interessen der Stadt und des Landkreises mit ausgedehnter Fläche. Eine Nagelprobe wird es beim Auslaufen von Linienkonzessionen geben, was ab 2016 der Fall sein wird. Die Linien müssen dann so vergeben werden, dass es für den Fahrgast am günstigsten ist und er nicht an der Stadtgrenze umsteigen muss. Im Moment sind zudem die Buslinien, die vom Umland in die Landeshauptstadt fahren, von Potsdam ausgesprochen unterfinanziert. Dazu verhandeln wir schon seit fünf Jahren mit der Stadt. Außerdem ist die Frage, ob eine gemeinsame Gesellschaft kostengünstiger agiert als zwei oder drei, die gut aufeinander abgestimmt sind. Zudem besteht momentan nicht die einzige historische Chance, zu einer gemeinsamen Gesellschaft zu kommen. Bessere Anbindungen an Potsdam, beispielsweise durch eine Straßenbahn nach Teltow, sind doch aber nur mit einer gemeinsamen Gesellschaft möglich, oder? Die Bahnverbindung ginge schon zulasten unseres Busverkehrs, der eine gute Kostendeckung hat. Schienenverkehr ist aber keine Frage der Gesellschaften, sondern der Finanzierbarkeit. Ohne Bund und Land wird das kaum möglich sein. Das sehen wir ja auch bei den Schwierigkeiten der Planung der Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf. Möglichkeiten der Schiene im Teltower und Werderaner Raum sollten aber intensiv betrachtet werden – ob beispielsweise eine Straßenbahn Sinn macht oder eher ein Ableger einer Regionalbahn, der vom Bund gefördert werden könnte. Wir sind bei der Schiene aber im Moment allein, da das Land Brandenburg sich bei einer Intensivierung des Schienenverkehrs doch sehr zurückhält.

Wie könnte der Verkehr zwischen Potsdam und dem Umland denn sonst verbessert werden?

Wir werden solche Fragen in einer Arbeitsgruppe diskutieren, die wir mit der Stadt Potsdam zur Analyse und Verbesserung der Verkehrsströme bilden. Unter anderem sollen die Verzahnung des Nahverkehrs von Potsdam und dem Landkreis störungsfrei geregelt und Alternativen zur Fahrt mit dem Auto geboten werden. Im Moment ist der Status da nicht unterentwickelt, aber auch nicht ganz spannungsfrei. Im ersten Halbjahr wird es wieder eine gemeinsame Sitzung von Haupt- und Kreisausschuss geben, wo eine Bestandsaufnahme des Verkehrs mit Optionen für die Zukunft vorgestellt werden soll.

Bis wann sollen konkrete Verbesserungsmaßnahmen vorgestellt werden?

Wir haben erst einmal die Finanzierung der gemeinsamen Arbeitsgruppe diskutiert. Potsdam wird 60 Prozent tragen, wir 40. Damit haben wir eine Denkfabrik, die im ersten Halbjahr ihre Arbeit aufnimmt und konkrete Anstöße zu realistischen Maßnahmen geben kann, die weder Potsdam noch den Landkreis vor den Kopf stoßen.

Woran wird da zuerst gearbeitet?

Dort wo es am meisten drückt, also bei den einfahrenden Pendlern auf der Zeppelinstraße. Hier brauchen wir ein Konzept, das zwar Potsdamer Interessen wahrt, aber keine Rückstaus bis nach Geltow verursacht. Aber auch der gemeinsame Ausbau der Uferstraße nach Caputh muss dort besprochen werden. Wir brauchen ein Umdenken: Potsdam ist keine Insel, allein der Ballungsraum um Teltow ist halb so groß wie die Landeshauptstadt. Wir sind nicht nur Umland, sondern Nachbarschaft, und müssen unsere Probleme gemeinsam lösen. Dabei weiß ich den Oberbürgermeister aber auf meiner Seite.

Sehen Sie denn in Potsdam auch bei anderen als Herrn Jakobs die Bereitschaft, Probleme zu lösen?

Ich will jetzt nicht auf Herrn Klipp einschlagen, aber wer nur die Probleme der eigenen Stadt sieht, kommt zu keiner Lösung. Wenn man alle Parkplätze in der Stadt verbietet, löst man das Problem des motorisierten Verkehrs nicht. Auch Potsdam ist in der Pflicht, die gemeinsamen Probleme zu lösen.

Das Interview führte Enrico Bellin.

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