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Privates Musikmuseum. Saxofonist und Klarinettist Thomas Walter Maria hat bei sich zu Hause rund 20 historische Instrumente. Das Saxofon aus dem Jahr 1946 ist eines der jüngsten seiner Sammlung.

© Sebastian Gabsch

Potsdam-Mittelmark: Kulturstadt statt Partymeile

Thomas Walter Maria will den Jazz nach Werder (Havel) holen – mit einem dreitägigen Fest

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Er spielt in vier Kapellen, gibt etwa 80 Konzerte im Jahr und unterrichtet zwei Mal wöchentlich Musikschüler in Magdeburg: Der Werderaner Jazz-Musiker Thomas Walter Maria kann wohl nicht über Arbeitsmangel klagen. Die meiste Zeit nimmt derzeit aber die Organisation von „Werder klingt“ in Anspruch. Mit der Premiere eines dreitägigen Festivals im März bringt der 45-jährige Musiker gleich drei Größen der Jazz-Szene ins Werderaner Scala.

Vor sechs Jahren ist der Musiker, der in einem Ort bei Bitterfeld aufwuchs, von Berlin an die Havel gezogen. Seine Frau arbeitet in Brandenburg/Havel, zwischen Stahlstadt und Kulturmetropole lag Werder als Kompromiss nahe. Vom Charme der Kleinstadt war Maria, der Saxofon und Klarinette in Leipzig und dem US-Amerikanischen Boston studiert hat, schnell begeistert. Schließlich wimmelt die Innenstadt an den meisten Wochenenden von Menschen, entsprechend viel wird kulturell geboten. Nur der erste Winter sei ein Schock gewesen: „Da war tatsächlich alles ausgestorben“, erinnert sich Maria. Schon damals sei ihm deshalb die Idee für ein Festival gekommen.

Doch erste Pläne für ein großes Event an mehreren Orten – etwa der Bismarckhöhe, dem Comédie Soleil und dem Scala – scheiterten an der Finanzierung. Im vergangenen Jahr sei dann Baldur Martin auf ihn zugekommen, der Hauptverantwortliche für die diesjährige Feier des 700. Stadtjubiläums. In dessen Rahmen kann Thomas Walter Maria seine Idee nun umsetzen: Vom 10. bis 12. März wird der Scala-Kulturpalast in der Eisenbahnstraße zum Jazz-Mekka. Nach Angaben aus dem Rathaus unterstützt Werder das Festival mit einem vierstelligen Betrag.

Los geht es am 10. März mit dem Berlin Jazz Orchestra, in dem der Werderaner selbst mitspielt, in Begleitung von Uschi Brüning und Ernst-Ludwig Petrowsky. Mit etwa 60 Karten sei schon ein Drittel verkauft. Gespielt werden unter anderem Lieder von Bill Ramsey und Manfred Krug. Das Orchester wird von Jiggs Whigham dirigiert, der bereits mit Größen wie Ella Fitzgerald und Duke Ellington arbeitete. Am Samstagabend tritt der Werderaner mit seiner eigenen Band auf, begleitet von Ruth Hohmann. Die 85-Jährige gilt als die Wegbereiterin des Jazz in der DDR. „Wir werden im neuen Programm hauptsächlich Lieder der 50er- und 60er-Jahre spielen, etwa Mambo Italiano oder Goldfinger aus dem James-Bond-Film“, so Thomas Walter Maria, der auch selbst singen wird. Und am 12. März, seinem Geburtstag, spielt seine Lieblingsband: Das Cristin Claas Trio tritt um 17 Uhr im Scala auf. „Das schenke ich mir sozusagen selbst zum Geburtstag.“ Für ihn sei Cristin Claas die beste Sängerin der Welt.

Eine Besonderheit am Werderaner Festival: Am Sonntagvormittag wird es ein Programm extra für Kinder geben, mit kostenlosem Eintritt. Die Musikpädagogin Jorinde Jelen will mit ihrem Publikum spielend verschiedene Musikstile und Epochen erkunden und dabei gemeinsam singen. Begleitet wird das Ganze von Puppenspiel und verschiedenen Kostümen. Geeignet sei die Veranstaltung für Kinder ab drei Jahren. „Wenn man auf Konzerten nur Menschen mit silbernen Haaren vor sich hat, macht man sich schon Gedanken, wie es in ein paar Jahren ums Publikum bestellt sein wird“, begründet Maria.

Auch die Bands selbst sind schon gereift: Die Kleinmachnower Kombo Papa Binnes Jazzband, bei der Thomas Walter Maria Saxophon spielt, feiert 2019 ihr 60-jähriges Bühnenjubiläum. „Ich hoffe, dass wir das dann auch bei ,Werder klingt’ feiern können.“ Dem Musiker zufolge muss die Stadtverwaltung merken, dass so ein Festival auch im Winter für Besucher und Umsatz sorgen kann, und es dauerhaft unterstützen. „Ich hoffe, dass Werder in zehn Jahren nicht mehr nur durch das Baumblütenfest bekannt ist, sondern auch als Kulturstadt.“

Die Chancen dafür stünden in der wachsenden Stadt nicht schlecht, schließlich sind auch viele der Zuzügler kulturell interessiert. Noch würden aber auch die vorhandenen Angebote oft schlecht genutzt. Im September habe er etwa ein Filmmusikkonzert im Comédie Soleil gegeben, vor rund 30 Zuschauern. Auch die Eigenproduktion von Soleil-Leiter Julian Tyrasa „Die Ein-Euro-Oper, das Harz IV-Musical“ im Dezember, in der Thomas Walter Maria mitspielte, hätte teilweise nur 20 Besucher pro Vorstellung gehabt.

Sollte die Premiere des Jazz-Festivals ähnlich schlecht besucht werden, werde es keine Wiederholung geben. Dafür sei der Aufwand einfach zu groß. Seit August dauere die Vorbereitung, schließlich müssten die Künstler alle an einem Wochenende Zeit haben und auch entsprechende Werbematerialien vorbereitet werden. Auf seinen Konzerten kann man übrigens historische Technik bewundern: In seiner Werderaner Wohnung sammelt Thomas Walter Maria alte Instrumente, nennt etwa ein Saxophon aus dem Jahr 1900 sein Eigen. Insgesamt umfasst seine Sammlung inzwischen rund 20 Instrumente. „Jedes von ihnen klingt anders, mal wärmer, mal dunkler.“ Bei neu gebauten Modellen gebe es diese feinen Unterschiede gar nicht. Im Gegensatz etwa zu Trompeten, bei denen die Mechanik irgendwann unbrauchbar sei, seien Saxophone Instrumente für die Ewigkeit.

Karten für „Werder klingt“ gibt es je nach Konzert für 20 bis 30 Euro an allen Vorverkaufsstellen. Der Festivalpass für alle Konzerte kostet 50 Euro

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