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Rainer Gottemeier (l.) vermisst gemeinsam mit Harry Sinske den Petzower Haussee.

© S. Gabsch

Kultur: Petzower Haussee: Aufs Wasser gezeichnet

Die 700-Jahr-Feiern in Werder und Schwielowsee finden einen gemeinsamen Höhepunkt in der Lichtinstallation von Künstler Rainer Gottemeier. Der steht in Petzow aber vor einer schier unlösbaren Mathe-Aufgabe.

Werder (Havel) – Der Entdecker des Potsdamer Stiefels lässt einen Klotz ins Wasser plumpsen. An den hellgrauen Baustein ist eine blaue Schnur geknüpft, an der der Potsdamer Künstler Rainer Gottemeier ihn in die Tiefen des Petzower Haussees sinken lässt. Als der Stein den Grund trifft, befestigt Gottmeier einen weißen Kugelfender an der Schnur, der daraufhin wie eine Boje auf dem Wasser treibt.

Der Potsdamer Stiefel, das ist laut Gottemeier die Havellandschaft zwischen Schwielowsee, Töplitz und Plessow. Und tatsächlich kann man beim Blick auf die Karte eine stiefelähnliche Formation entdecken, die an die mediterrane Landzunge Italiens erinnert. „Das den vor mir noch keiner gesehen hat“, wundert sich Gottemeier beim Ortstermin am Petzower Haussee. Auf dem will er seine Entdeckung als Installation „Lichtachsen im Potsdamer Stiefel“ sichtbar machen. 

Bojen symbolisieren Punkte der Potsdamer Kulturlandschaft

Bis zur Vernissage bedeutet das noch einige Arbeit. Insgesamt zehn Tage hat Gottemeier – mit Hilfe von Gastkünstler Harry Sinske – für den Aufbau der Installation eingeplant. Bis dahin werden noch viele Steine im Wasser landen. 324 der neun Kilogramm schweren Bausteine sollen die mehr als 200 Bojen und 35 künstlichen Seerosen am Grund befestigen. Diese „aquatischen Elemente“ stellen Punkte der Kulturlandschaft im Westen Potsdams dar: Orte, Kreuzungen und eben die stiefelförmigen Wasserflächen.

Die Leute sollen ihren Lebensraum „mit neuen Augen sehen“, sagt Gottemeier. Besonders am Abend dürfte ihm dieses Anliegen gelingen. Dann blitzen mehr als 200 Seenotrettungslampen auf dem See und verwandeln das Wasser in einen Sternenhimmel, ein „visuelles Konzert im Wasser“, wie Gottemeier sagt. Mittelpunkt der Installation ist eine Ellipse aus 24 blau leuchtenden Stabbojen. Die Ellipse hat laut Gottemeier die „symbolische Gestalt einer Umlaufbahn“, die der Betrachter beim Gang um den See auch beschreibt. 

Eben diese Ellipse bereitet den Künstlern am meisten Arbeit. Eine geschlossene ovale Kurve mit einer 160 Meter langen Längsachse auf das Wasser zu zeichnen, stellt Gottemeier und Sinske vor eine Herausforderung. Mit einem Ruderboot, einem Maßband und viel Seil versuchen sie ihr zu begegnen. Von den mit Bojen markierten Brennpunkten aus konstruieren sie die Ellipse. Allerdings dehnen sich die Konstruktionsseile im Wasser oder schwimmen einfach davon. Kerben ins Wasser zu schneiden, das ist eben nicht einfach.

Bereits die dritte Installation auf dem Petzower Haussee

Ein Jahr Vorbereitung hat das Projekt laut Gottemeier gebraucht. Der Vorschlag dazu kam aus dem Fachbereich Kultur des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Dort war man mit Gottemeiers Werk vertraut. Schließlich hat der Potsdamer Künstler schon zweimal eine Installation auf dem Petzower See verwirklicht, zuletzt im Jahr 2001. Der Anlass in diesem Jahr sind die Jubiläen der Stadt Werder (Havel) und der Gemeinde Schwielowsee, die beide 700 Jahre alt werden. Der See im von Gartenkünstler Joseph Lenné angelegten Petzower Schlossgarten liegt passenderweise mittig zwischen den beiden Kommunen. 

Träger des Projekts ist

das Kulturforum Schwielowsee e. V., das sich um die administrative Organisation und die Finanzierung kümmert. Zu den Unterstützern gehören das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Landkreis Potsdam-Mittelmark, die Mittelbrandenburgische Sparkasse sowie die Stadt Werder. Für den Kunstverein, der im kommenden Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, ist es die bisher größte Unternehmung.

„Ein fantastisches Projekt“, wie Schriftführerin Elke Kürth sagt. Teil dieses Projekts sind auch die Gastkünstler Brigitta Quast und Harry Sinske. Sie spiegeln an Land die Themen der Installation auf dem Wasser wider. So greift Sinske in einem Grassockel die Form der Ellipse auf. Quast überträgt die Brennpunkte der Ellipse in Form von drei Meter langen, vergoldeten Stäben ans Ufer des Haussees. Ursprünglich planten die beiden Künstler eine feste Installation. 

Kunst auch an Land

Nach Einwänden des Tiefbauamtes Werder ist daraus eine Mischung aus fester und temporärer Installation geworden. So werden die Goldstelen nicht dauerhaft aufgestellt, sondern an den Wochenenden in einer minimalistischen Tanzperformance in und um die Grasellipse bewegt. Eine „heiter besinnliche Facette poetischer Möglichkeiten“ nennt Quast die Aktion. Eine „elliptische Insel im Zeit-Raum-Kontinuum“ nennt Sinske seine „Hyperbella“. 

In knapp zwei Wochen wird die Performance das erste Mal zu sehen sein, bei der Vernissage am 9. September um 19 Uhr. Bis zum 29. Oktober können Besucher dann die Lichtachsen im Potsdamer Stiefel auf dem Petzower Haussee anschauen und beobachten, wie sich der Blick auf die Installation beim Gang um den See immer wieder verändert. Wie die Lichter auf dem Wasser tanzen. Infotafeln am Uferweg sollen Kontext zu der Installation liefern. Dann werden die hunderten Steine vergessen sein, die in drei Metern Tiefe ihre Arbeit tun. Einzig die blauen Lichter der Ellipse werden dann an die Vermessung des Sees erinnern. 

Aktuelle Informationen zu den Performances an den Wochenenden finden Sie hier: www.potsdamerstiefel.de

Martin Anton

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