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KulTOUR: Zwischen Katzenfutter und Esskultur

Die neue Ausstellung „Mahlzeit“ im Kunst-Geschoss in Werder ist eröffnet - die Bilder sind gewöhnungsbedürftig.

Von Sarah Stoffers

Werder (Havel) - Wie unter einem Vergrößerungsglas sind die feinen, filigranen Federn am Köpfchen zu erkennen. Fast sieht es so aus, als ob der kleine Vogel schlafen würde, bis der Betrachter die große rote Wunde am Körper sieht und merkt, dass er tot ist. Die Fotografie von Ingo Kuzia ist Teil der Ausstellung „Mahlzeit“ im Werderschen Kunst-Geschoss, die am Mittwoch eröffnet wurde. Sie zeigt Aufnahmen der beiden Künstler Kuzia und Walter Schönenbröcher, die sich mit den Themen Mahlzeit und Tischkultur auf höchst außergewöhnliche Betrachtungsweise auseinandersetzen.

Das Geschenk der Katze

Kuzios toter Vogel ist eines der „Geschenke“ seiner Katze, die sie von ihren Beutezügen durch das brandenburgische Land mit nach Hause brachte und ihm vor die Füße legte. Zerrupfte Vögelchen, mit weit aufklaffendem Brustkorb. Frösche, mit langgespreizten, zarten Gliedern, kleine, zerbrechliche Maulwürfe, eine samtig-rotbraune Eichhörnchenpfote. „Katzenfutter“ nennt der Fotograf seine Bilderserie, die vielleicht so mancher Betrachter für pietätlos halten könnte. 

Morbider Charme

Doch Kuzios Fotografien wirken, trotz oder vielleicht gerade wegen des morbiden Charmes, ausgesprochen ästhetisch. Die Kleintiere werden vor einem weißen Hintergrund, wie auf einem Seziertisch, von dem geschulten Auge Kuzias gekonnt ins Scheinwerferlicht gesetzt. So scheinen einige der Vögel mit ihrem filigranen, weit aufgefächerten Federkleid einen letzten Totentanz aufzuführen.

Seine Fotografie habe sich mit seinem Umzug 2002 ins havelländische Schönwalde verändert, wie der gebürtige Berliner erzählt, der lange als Fotojournalist tätig war. „In Brandenburg habe ich angefangen, mich mit dem Thema Vergänglichkeit auseinanderzusetzen“, wie er erzählt. „Ich finde es faszinierend, was für filigrane Strukturen bei den Tieren zu erkennen sind. Der Tod hat durchaus etwas Ästhetisches.“

Im starken Kontrast wirken dazu die Fotografien des vielgereisten Walter Schönenbröcher, der seit 2012 nach Abendessen in Restaurants den Tisch, mit allen Zeugnissen und Überbleibsel des Mahls, dokumentiert. Dabei nimmt Schönenbröcher immer dieselbe Perspektive ein, verewigt die Tischkulturen rund um den Globus direkt von oben. Somit werden seine Bilder zur soziologischen Studie, die nicht nur verschiedenste Esskulturen zeigt, sondern auch die damit verbundene Verschwendung einer Gesellschaft, die Lebensmittel oft nur noch als schnelles, jederzeit verfügbares Konsumgut begreift. 

Straßenküche als Schlachtfeld

So bietet sich etwa in einer von Schönenbröcher besuchten Straßenküche in Hongkong ein wahres Schlachtfeld. Aufgeknackte Muschelschalen, Reis, Gemüse, Essstäbchen – alles liegt wild auf den Tellern und dem ganzen Tisch verteilt. Durch die direkte Draufsicht, die diese Verschwendung schonungslos abzeichnet, wirkt das Bild weitaus schamloser als die toten Kleintiere. „Die spucken das Essen einfach auf den Tisch oder den Boden“, erzählt der 54-jährige Fotograf und Filmemacher, der in Cottbus lebt. Normalerweise fotografiere er immer seinen eigenen Tisch. Doch in Hongkong wollte er die Sitten ebenso genau ablichten und sein Tisch sei einfach zu ordentlich dafür gewesen. +++++++++++++ Die Ausstellung „Mahlzeit“ ist noch bis zum 11. November von Donnerstag bis Sonntag zwischen 13 bis 18 Uhr im Kunst-Geschoss, Uferstraße 10, zu sehen

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