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KulTOUR: Wahn, Wahn! Überall Wahn!

Die ehrwürdigen Kammerspiele lockten mit einer abendfüllenden Opern-Gala, und alle, alle kamen

Kleinmachnow - Festtagsstimmung in Kleinmachnow! Die im vorigen Jahr gegründete KulturGenossenschaft zur Wiederbelebung der ehrwürdigen Kammerspiele lud und lockte am Freitagabend zu einer abendfüllenden Opern-Gala, und alle, alle kamen! Fast ausverkauft das Haus, festliche Stimmung, begeisterte Gesichter, Bravo- und Zugabe-Rufe nach dem Sangesmarathon – die gute alte Oper mit all ihrem „Ohr-Gewürm“ kommt immer und überall an, man muss es nur wollen! Dafür sorgte die Kleinmachnower Sopranistin Ilona Nymoen mit Gründung der „Kammeroper Kleinmachnow“.

Ihr Startprogramm ist dem zweihundertsten Geburtstag von Richard Wagner und Guiseppe Verdi gewidmet. Wer da zu Hause blieb! Keine geringe Besetzung: Mit der Mezzo-Sopranistin Gundula Hintz und ihrem Gatten, dem Bassbariton Ralf Lukas, hatte Ilona Nymoen quasi ihre Kleinmachnower Nachbarn ins Boot geholt. Hinzu kamen die Tenöre Wolfram Wittekind und Torsten Süring, Letzterer trat auch als Moderator auf, leider ohne den Gestus des angekündigten Feuergeists Loge. Am Flügel Jens Holzkamp (Deutsche Oper Berlin) in meisterlicher Form.

Das Abendprogramm zerfiel in zwei Teile, die sich in umgekehrter Folge vielleicht gar besser denken ließen: Richard Wagners zeitlose Musik zuerst, dann der emotionsbeladene Giuseppe Verdi. Tannhäusers Elisabeth grüßte als Erste „dich, teure Halle“ (womit natürlich die Kammerspiele gemeint waren) mit vielen Tremoli, doch leicht pressiert, bevor man den Sponsoren dieser Veranstaltung, lobenswerte Firmen vor Ort, seinen Dank aussprach.

Nun ist eine Gala bekanntlich keine Opernaufführung, eher deren Essenz, dennoch macht erst der Geist einer Arie, eines Duetts die Musik erlebbar. So sollte der Chor „Wach auf, es nahet gen den Tag“ aus den „Meistersingern“, von allen fünf Künstlern gegeben, vielleicht wirklich als Weckruf gestaltet sein, oder Ralf Lukas’ Solo „Wahn, Wahn! Überall Wahn!“ (Meistersinger) an den Irrsinn heutiger Tage erinnern. So etwas ad hoc von der Bühne zu singen, ist immer schwer. Aber das Publikum kannte sich da ja aus, des Beifalls wurde es von Programmteil zu Programmteil mehr.

Des Weiteren waren mehrere Parts aus der Tetralogie „Rheingold“ zu hören, zum Beispiel „Immer ist Undank Loges Lohn“. Wüsste Torsten Süring, was diese Loge ist, er hätte das vielleicht anders gesungen. Trotz alledem, Wagner ist so heutig, so frisch, so fundiert, wie kein anderer Klassiker. Wahnsinn!

Nach der Pause dann den rührseligen, sentimentalischen Verdi im Original fürs Gemüt. Es stritten im „Maskenball“ mit szenischem Anklang Ulrica (Mezzo) und Amalia (Sopran) um einen Mann, Filippo aus „Don Carlo“ bemühte sich sehr, seinen miserablen Ruf zu verbessern, was dem Bassbariton dann sogar Bravo-Rufe einbrachte.

Gut in Stimme und Gestaltung jetzt Ilona Nymoen in Leonoras „Pace, pace“ aus „Macht des Schicksals“, indes man Wolfram Wittekind den Solopart „Celeste Aida“ des Radames nicht so recht abnehmen wollte. Final dann im Quintett das Trinklied aus „La Traviata“, aber das lief dann schon auf Operette hinaus.

Begeisterungsstürme im Parkett, mehrere Vorhänge oben – die Große Oper hat Kleinmachnow wieder! Als Zugabe noch der tränentriefende Gefangenenchor aus „Nabucco“, Standard für alles.

Ein respektabler Auftakt für Kleinmachnows Kammerspiel samt Kammeroper! Es ist ja versprochen, solche Offerten fortan vierteljährlich anzubieten. Nur Mut, das wird schon! Gerold Paul

Gerold Paul

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