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KulTOUR: Von den Früchten des Landes

Neuer Mut zur Kultur in Potsdam-Mittelmark. Ein Rückblick auf das Jahr 2010

Von Gerold Paul

Potsdam-Mittelmark - Früher, ja früher, da wohnten vielleicht noch Einfalt und Pomeranzen draußen auf dem Lande. Heute treibt es eher stadtflüchtigen „Speck“ in den Gürtel der Metropole. Wie sehr die „Zugewanderten“ oder Nachgezogenen zum Beispiel eine Friedstadt wie Werder verändern, konnte im ausgehenden Jahr an der hellwachen und stets konzeptionell orientierten Arbeit der Stadtgalerie „Kunst-Geschoss“ abgelesen werden. Respekt.

Mit guten Ideen im Kopf und Traute im Herzen könnte man in der führenden Kulturstadt Potsdam-Mittelmarks sogar Pampelmusen oder Bataten anpflanzen. Man muss sich nur etwas einfallen lassen. Das sagte sich jüngst auch der neue Kunstverein in der Spargelstadt Beelitz. Obwohl die erste benefizorientierte Versteigerung von Grafik und Gemälden ortsansässiger oder ortsnaher Künstler noch etwas schleppend verlief, so trieb auch hier neuer Mut zu neuen Aktionen. Mut, wie ihn auch die Mannschaft um den Theater-Patriarchen Siegfried Patzer brauchten, um in Michendorf an neuer Stätte die „Kleine Bühne“ aufzubauen, in die man trotz ihrer Gediegenheit nicht ungern geht.

Ob die Veranstalter also im Schönefelder „Pfötchenhotel“ sitzen, in der Galerie Töplitz oder auf dem Petzower Grelleberg, man kann nur Mut machen, denn wo etwas ist, folgt meist auch das Publikum nach.

Freie Plätze gibt es in der „Comedie Soleil“ zwar noch immer, trotzdem glaubt sich das Ensemble nach einem Jahr Werder auf einem guten Weg. Lob verdient auch der Fleiß, mit dem sich das Rathaus Kleinmachnow um niveauvolle Ausstellungen und Kulturveranstaltungen bemüht. Im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus macht man zwar immer so weiter wie bisher, dies aber mit wachsender Akzeptanz, was vor allem auch die modernere Lyrik betrifft. Höchste Zeit, mal den Anzug, sprich die Gestaltungsform, zu wechseln.

Dank einiger Aktivisten ist sogar das Kunst-Leben in Teltow zu hellster Blüte erwacht, freilich sucht es seine Gestalt derzeit eher in den Massen statt in Maßen. Nur am Schwielowsee scheint das Boot inzwischen voll, das Gebiet endlich „vermarktet“ zu sein, wie es ein Rathaus versprach. Die Folge: Mehr Wettbewerb als künstlerisch freier Impetus, kein Platz mehr für Pomeranzen. Überhaupt scheint sich in dieser Gegend eine gewisse Unfrische breitzumachen: Die gemeinsam mit den „Caputher Musiken“ veranstaltete Schlossnacht im August war eher Schmalhans als barocker Prachtentfaltung verpflichtet, aus „Mut & Anmut“ wurde ein nettes Mitmacher-Programm für ländlichen Bürgerstolz, die „Caputher Musiken“ selbst litten, so war hinter der Vorhand zu hören, trotz neuer Spielstätten, unter leichten Ermüdungstendenzen.

Es scheint, als wollten die dienstältesten und bewährtesten Veranstaltungsformen endlich in den verdienten Ruhestand. Frischer Wind muss her. Wer, wenn nicht „die Kultur“ könnte Neues erfinden und auch probieren. So wäre es doch denkbar, dass sich die Caputher Schlossmannschaft nach der Durchforschung Churfürstlicher Dachböden und barocker Unterkleider ruhig mal an andre als nur haus- und hautnahe Themen wagte.

Eine nagelneue Wind-Richtung gleich täte der „Europäischen Austausch-Akademie“ in Beelitz gut. Ihr tönender Name substituiert eben nicht die Mühen um Kunst, die man – soweit es „den Menschen“ betrifft – in Heilstätten ständig vermisst. Entscheidet man sich weiterhin für kurs-interne Prozesse, braucht man kein Publikum, suchte man aber Öffentlichkeit, muss man ihr auch etwas bieten.

Wie in den Metropolen, so kommt es auch draußen im Lande zuerst auf die Macher, auf die Künstler, an. Wachen die, können sie andere erwecken. Schlafen sie, so schlafen alle, die Offiziellen voran. Und jeder träumte nur in seiner Einfalt süß von Pampelmusen und Bataten, und den Pomeranzen...

Gerold Paul

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