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KulTOUR: Sarah Rauers Werke im Kleinmachnower Bürgersaal: Strukturen des Lebens

Kleinmachnow - Jeder weiß, dass ein Skelett nicht „der Mensch“ ist, dieser aber auch nichts Irdisches ohne sein Klappergerüst. Es wird sichtbar, wenn man Fleisch und Blut von ihm abzieht, oder „fortschleppt“, wie die alten Lateiner das Wort „abstrakt“ ja gebrauchten.

Kleinmachnow - Jeder weiß, dass ein Skelett nicht „der Mensch“ ist, dieser aber auch nichts Irdisches ohne sein Klappergerüst. Es wird sichtbar, wenn man Fleisch und Blut von ihm abzieht, oder „fortschleppt“, wie die alten Lateiner das Wort „abstrakt“ ja gebrauchten. Dann hat man zwar die Struktur, aber nicht mehr das Leben. So könnte man auch das Entstehen der Bildwelt der Kleinmachnower Malerin Sarah Rauer beschreiben.

Unter dem beredten Titel „Abstrakte Momente“ zeigt sie derzeit fast 40 Arbeiten im Kleinmachnower Bürgerhaus – dort, wo jetzt der riesige Weihnachtsbaum prangt, im viel belaufenen Foyer. Schön zwar, wenn das Amt auch fernerhin besonders eingeborenen Künstlern einen Wirk-Raum bieten will. Freilich hat die Vergangenheit aber auch gezeigt, dass sich nicht jede Kunst zwischen Bibliothek und Amtsfluren wohlfühlt. Konkretes, Sinnliches wird von den Eiligen eher wahrgenommen als ein uvre, welches Stille und Besinnung verlangt. Damit ist schon viel über Sarah Rauers Bildwelt gesagt. Sie liebt solch skelettöse Strukturen, kann sehr gut mit Farben umgehen und setzt ihre Arbeiten auf den kürzestmöglichen Zeitfaktor, auf den Moment. Dies jedoch scheint vor Ort nicht jedermanns Geschmäckle zu treffen, wie das Gästebuch verrät. Aber da müssen halt alle durch, der Passant wie auch die Kunst, vom edlen Laudieren allein lernt man ja nichts.

Flach- und Reliefbild sowie Materialcollagen in Mischtechnik und Acryl, Gelungenes und Ungelungenes in Flur und Foyer. So erblickt man erhabene Formungen, wie der Wind sie in Dünen, die Strömung in den Sand eines Baches zeichnet. Jeder kennt solche Strukturen, doch sind sie tatsächlich schon ganz ohne Leben? Bei „geformt“ scheint sich etwas zu regen, braune und grüne Spiralen werden zu Strudeln, wie Poe es beim Malstrom beschreibt. Mikrostrukturen, hellviolettes Meergras vom Grund, reliefartiges Formengewimmel, manchmal auch figürlich, Fleisch und Blut also, dies aber fast wie verschämt. Opusse wie „Entstehung des Lebens“ erinnern mehr an den Urstreit zwischen Neptunisten und Vulcanisten zur Goethezeit als an heutige Ansichten – Grund genug, vom Titel her über diese Sujets nachzusinnen.

Es ist also eine Art von Bildern, wie man sie nicht unbedingt unter dem Kürzel „abstrakt“ erwartet. Doch Geschmack hin oder her: Wenn Bilder die Kraft haben, sich ihr Publikum zu erwählen, ist doch Wirkung in ihnen, das Wichtigste – selbst wenn ihnen keine Dauer bestimmt sein soll.

Als Summe: Auch Gerippe sind nötig, nicht nur für die Anatomie. Und trotzdem wird man den Eindruck nicht los, als wirkten hier nicht nur Strukturen der Natur, sondern auch solche der Hohen Schule nach, wo man das ausskelettierte Leben ja seit Jahrzehnten lobt. Mit solch gelahrtem Wissen im Kopf sieht man unterm Fichtenbaum tatsächlich nix. Oder mehr abstruse denn abstrakte Momente. Sarah Rauer malt also Augenblicke, wie eine Kamera Fotos macht. Ihnen ist Leben beschieden, wenn sie besagten „Moment“ hinter sich haben. Gerold Paul

Bis zum 10. Januar zu den Öffnungszeiten des Bürgerhauses

Gerold Paul

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