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KulTOUR: Paukenschlag im Huchel-Haus

Mit einem Liederzyklus wird in Wilhemshorst des Namensgebers des Kulturhauses gedacht

Michendorf - Neunzehn Jahre tapferer und wohl auch honoriger Literaturbetrieb im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus. Zwar ging es dort stets freundlich und aktuell, manches Mal aber auch etwas steif, akademisch und eher blutarm zu. Das musste nicht immer am Literarischen liegen. Zu den „Grundregeln des Hauses“ nämlich, so Lutz Seiler, Leiter der Gedenkstätte und preisgekrönter Autor, habe bisher gehört, dass „ausschließlich das gesprochene Wort“ gepflegt werden sollte – also Prosa, Essay, Gedicht und Polemik.

Insofern war der Versuch, mal etwas Neues auszuprobieren, wie ein Meilenstein im Huchel-Domizil. Numerologisch bedeutet die Zahl Neunzehn ja ohnehin „Neuanfang“. Und tatsächlich kam der zwölfteilige Liederzyklus nach Gedichten von Huchel wie ein Paukenschlag daher. Wie ein poetischer, wundervoller Paukenschlag, der von Anfang bis Ende auf betörende Weise überzeugte. Dass so etwas Schönes heutzutage möglich ist, wundert einen fast.

Der Leipziger Komponist und Pianist Tobias Rank hatte den am Dienstag vorgestellten Liederzyklus „Über den Jägern jagt der größere Hund“ nach Texten von Peter Huchel bereits 2007 für Bariton und Klavier komponiert, im Auftrag der Kulturstiftung des Bundes. Zusammen mit dem fast schon fabelhaft guten Bass-Bariton Lars Grünwoldt erstand dem zahlreich erschienenen Publikum ein großartiges Kunstwerk, fein in der Struktur, im Ausdruck unübertrefflich. So einen Huchel hat man bisher noch nirgends erlebt. Hier wurde schnell klar, was ein Freund von ihm sagte: Viele Dichter haben ein Vokabular, Huchel hat einen Wortschatz!

Der 1968 geborene Komponist ist lange schon mit der Romantik, speziell mit Franz Schubert, unterwegs. Und er sah, mit Verlaub, am E-Piano auch ein wenig nach ihm aus. Seine Vertonungen folgen dem Geist der ohnehin klingenden Gedichte Huchels fast immer in Moll. Vor allem auf dienend-begleitende Art, denn die Lyrik behielt stets den Vortritt.

Zwar hörte man auch mal kräftiges Forte, so äußere oder auch innere Gewitter grollten. Meist aber blieb der Ton lyrisch, poetisch, rein. Manchmal ehren die Klänge die kunstliedhafte Art von Schubert, hier und da schlüpfen auch mal jazzige Phrasen ins Notenwerk hinein. Das ist Euphonie vom Anfang bis zum Ende!

Mindestens kongenial der wortgewandte Lars Grünwoldt. Er lebte jedes Lied mit gewinnendem Lächeln aus der Tiefe heraus. So viel Innerlichkeit an Ausdruck ist selten genug, da ging jede Sentenz direkt unter die Haut. Mal im Glissando, mal lyrisch, mal forte. Dann wieder syllabisch, vollendete seine Interpretationskunst den Liederzyklus in jedem seiner Teile. Gelesen wurde auch, Briefe von und an Huchel, Kulturpolitisches Unbill aus der DDR, wo man ihn zunehmend isolierte, bis ihn „die Nacht übergraute“, andererseits Zuspruch und Tröstung von Freunden.

Ein höchst erquicklicher Abend mit langem, dankbaren Beifall, ein Paukenschlag. Hatte nicht auch Haydn die Seinen dergestalt zu wecken versucht? Lutz Seiler sprach sogar von einer Zäsur in der Programmgestaltung. Was wäre auch nötiger, als dass die Literatur endlich und richtig lebendig wird! Gerold Paul

Gerold Paul

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