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KulTOUR: Gruselstunde in der Puppenstube Glindowerin lässt auch Serienmörder auferstehen

Werder (Havel) - Das Haus etwas abseits der Straße, ein rasenbewachsenes Grundstück mit alten, knorrigen Obstbäumen, ein geräumiger Wohnwagen uralter Prägung. Hier, auf Glindows Elisabethhöhe, wohnt Sandra Dahlmann mit ihrem Lebensgefährten.

Werder (Havel) - Das Haus etwas abseits der Straße, ein rasenbewachsenes Grundstück mit alten, knorrigen Obstbäumen, ein geräumiger Wohnwagen uralter Prägung. Hier, auf Glindows Elisabethhöhe, wohnt Sandra Dahlmann mit ihrem Lebensgefährten. Seit 1985 ist sie in Sachen Kunst unterwegs, anfangs mehr malend, später entdeckte sie ihr Talent für Gestalterisches, für „Dinge zum Anfassen“. Selbstgestaltete Puppen vor allem, aber sie ist auch keramisch unterwegs, mit Tier-Urnen etwa, damit man seines toten Lieblings auch auf dem Küchensims daheim gewärtig sei. Allerdings hat sich diese Verkaufsidee noch nicht so recht durchgesetzt.

Man merkt schon, hier ist eine ganz besondere Lebensphilosophie im Spiel: Als gebürtige Westberlinerin hat sie 2002 den einschlägigen Humor mit nach Glindow gebracht; den schwarzgalligen. Wer sich in ihrem Atelier umsieht, kommt daran nirgends vorbei. Puppen und Figuren, nicht größer als 40 Zentimeter, teils in selbstgebauten „Puppenstuben“ arrangiert. Da steht einer, rot wie ein Feuerteufel. „Das ist Hellboy“, sagt Sandra Dahlmann, während im Hintergrund Janis Joplin singt.

Dann die Monroe-Puppe („pupa“, lateinisch für: kleines Mädchen) ganz in weiß, obwohl sie die gegenteilige Farbe verdient hätte. „Wollte mal einen schönen Menschen machen, aber als Tote. Da hätte ich sie auf ein Bett legen müssen, das wollte ich nicht“. So steht sie und lächelt starr über alles hinweg, die Monroe. Oder die andere mit dem schwarzen Kleid und dem grimmigen Gesicht, jemand aus ihrer Nähe. Ein Zornweib. Mister Spock steht auch noch auf der Warteliste. Sogar den geliebten Vater hat sie modelliert, schmal, mit schön-blauen Augen – auch eine Art, Familienprofile aufzuarbeiten. Wichtig allein ist, was sich in so einem Menschenkopf abspielt und was wie nach draußen drängt. Ihr Erstberuf als Schneiderin hilft ihr mächtig dabei.

Eine Welt aus Modelliermasse und Stoff, vor allem aus Geist – selten derart woanders gesehen. Ein ganz besonderes Schaubild gedenkt etwa des Hannoveraner Massenmörders Fritz Haarmann aus den 1920er-Jahren. Man sieht ihn in seiner Küche, das blutige Schlachtemesser am Boden, daneben ein paar appetitliche Fleischpakete. Der Homosexuelle verarbeitete seine Opfer zu Büchsenwurst und verkaufte diese. Beiseite geschobene Dielbretter zeigen, wo ihre sterblichen Überreste liegen. Die Todesstrafe nahm er gelassen hin. Ungewöhnlich, sich eines solchen Themas anzunehmen? Mitnichten. Dahlmann mag und will den Kick, den ganz besonderen Grusel. Gott weiß, wozu das noch gut ist.

Die „praktische Anwendung“ ihrer puppalen Kunst steht freilich noch aus. Das Werk selbst aber drängt die Puppenbauerin (eine begnadete Porträtistin übrigens) zum Suchen. Bühne, Film? Oder schreibend, wie man es vom Grusel-Klassiker Roald Dahl her kennt? Immer ist ja etwas dabei, und stets ist etwas dahinter, auch seitab der Straße, welche vom Fluss hin zu den Tiefen der Wälder führt. Genau der richtige Ort... Gerold Paul

Gerold Paul

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