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Einst Schlafsaal. In den Havelauen waren früher Soldaten stationiert.

© promo

KulTOUR: Ein Schlafsaal für die ganze Kompanie

Die Galerie Schielicke zeigt, wie es einst in Werders Havelauen aussah

Werder (Havel) - Kunst und Kultur werden von besonders aktiven Menschen gemacht. Solange sie ackern und Impulse setzen, ist auch ordentlich was los. Gehen die Macher, kehren Ruhe und Gleichmaß zurück, und alles wird „wie vorher“. Eine binsige Wahrheit, gewiss, aber kam dergestalt nicht Beelitz erst so richtig zur Kultur, Kleinmachnow zu seinem Kunsthaus am Zehlendorfer Damm, Michendorf zur „Kulturbibliothek“? Immer sind es wenige, die kraft ihrer Intention vieles in Gang setzen.

In Werder ist das genauso. Hier ist seit vielen Jahren der Maler Frank W. Weber aktiv. Er hat es sogar geschafft, der Stadt eine weithin beachtete Kunstgalerie erfolgreich zu führen, darin hier und da auch mal scharf geschossen wird. Weber versteht es brillant, die städtische Künstlerschaft samt ihrem Gefolge mit sich zu reißen. Mit der Lage vor Ort bestens vertraut, hat er als Konzeptkünstler immer noch einen Joker im Ärmel. Was das Geschehen auf den stark bebauten Havelauen betrifft, so kam ihm ziemlich spontan die Idee, „mal etwas zu machen, wie es früher dort aussah“, so Weber. Viele der dort siedelnden Neubürger seien ja völlig ahnungslos. Gesagt, getan – flugs waren mit seiner Frau Andriotta, mit Margitta Lück und Jürgen Steinberg drei Gleichgesinnte für eine gemeinsame Fotoausstellung über die einstige und heutige Lage vor Ort gefunden.

Raum für die 35 Fotos stellte die Malerin Oda Schielicke zur Verfügung. Sie war vor zwei Jahren von den Caputher Höhen hierher gezogen, fand in der Straße Zum Großen Zernsee Wohnung, Atelier, im hellen Glasfoyer unten ihre personengebundene Galerie. Bei dem jüngsten Pleinair im Sommer sogar neue Inspiration von der historischen Ziegelei Glindow. „Mit der Landschaftsmalerei ist jetzt erst mal Schluss!“, so Schielicke.

Natürlich hängen in ihrer Galerie auch eigene Bilder, die meisten jedoch sind dem Fotoprojekt Havelauen geweiht. Konzeptionelles Herzstück ist eine Luftaufnahme der Landschaft, mit den alten Kasernen und anderen Relikten der deutschen Pilotenschule von einst, später von den Russen zum Reparaturstützpunkt für schweres Kriegsgerät umfunktioniert. Dazwischen die vielen Neubauten straßenzügeweise, der Stichkanal mit seiner weißen Flotte, na eben alles, was da gewachsen und geworden ist. Besser kann man Alt und Neu gar nicht verbinden, Potsdam hätte sich da ein Beispiel nehmen können.

Die Fotos an der Wand verraten die Vergangenheit, den Verfall, die Verwesung: Unrettbar abgeblätterte Wandtapeten, Sehnsuchts-Wandgemälde in Richtung Mütterchen Heimat, die Überreste eines Massenschlafsaals für eine ganze Kompanie, ein Hock-Abtritt, dann eine mitteleuropäische Sitztoilette, von den Russen so umgebaut, dass man wieder Hocken konnte. Politpropaganda. In Farbe oder Schwarz-Weiß, und mit Nummern versehen, die man auf dem Herzstück wiederfindet. Die Orte der Aufnahmen. Die vier Autoren sind anonymisiert, jedem ist lediglich eine Farbe zugeordnet. Was ein bisschen fehlt, sind Hintergrund-Informationen, damit die Zugezogenen den Bezug bekommen. Die Vernissage am verregneten Samstag war gut besucht. Einer der Neubürger war auch gekommen. Er wohne dort, „aber das alles habe ich nicht gewusst“. So gesehen war dieses Projekt, den Aktivisten sei Dank, schon am ersten Tag ein Erfolg. Gerold Paul

Galerie Oda Schielicke, Zum Großen Zernsee 6 f, Donnerstag, Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr, Eintritt gratis

Gerold Paul

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