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KulTOUR: Ein bisschen genial

Bilder vom Tenor und Maler Carlo Cazals in der Teltower „Galerie Altstadthof“

Teltow - „Singe, wem Gesang gegeben – Male, wer den Pinsel kennt!“ Dieser Spruch passt zur Gänze auf einen gestandenen Mann, der seit 1999 in Parchim gleich neben der Elde-Schleuse lebt. Geboren wurde er 1948 als Sohn und Enkel echter Seeleute direkt in St. Pauli. In der Zeit seiner bürgerlichen Existenz hieß man ihn Udo Klein, danach nennt er sich Carlo Cazals, ein Doppeltalent: Tenor über fast vier Oktaven mit Einsatzbereich von Shantie und Rock bis zur subtilen Opernarie, zugleich ein sehr fleißiger Maler, im bildnerischen Selbstverständnis „Italiener“. Tolle Mischung!

Letzten Sonntag eröffnete Dieter Leßnau in seiner Teltower „Galerie Altstadthof“ eine Exposition mit ausgewählten Werken dieses brillanten Künstlers, überwiegend ungerahmte Grafik, aber auch vier „Faust“ benannte Gemälde, rasch bei Rockmusikproben auf der Bühne hingeworfen; für das, was bei solchem „Rahmen“ entstand, Respekt. Wenn man von seinem Selbstverständnis als „Genie“ zu Lebzeiten mal absieht, sind die gezeigten Arbeiten in jedem Sinn trotzdem so produktiv wie modern. Schon deshalb, weil der Galerist durchgängig auf richtige Rahmen verzichtet, was besonders den vertikalen Formaten vor weißem Grund etwas Apartes verleiht.

Carlo Cazals ist Künstler genug, um seine Reflexionen über sich und die Welt dem Gemeingut zuschlagen zu wollen, freiwillig oder nicht! Man hat es mit vorwiegend mit Zeichnungen und bearbeiteten Tuschen (Mischtechnik) zu tun. Titel wie „Vermenschlichung eines Eulenvogels“ oder „Die Geldkette“ fordern den Betrachter provokant heraus, die Sujets stellen dann die Fragen, nach dem verborgenen Sinn dieser skurrilen Schöpfungen, mehr noch, was sie mit einem selber tun. „Die Angeklagte“ oder „unser mensch“ sind wie Gebrauchsanweisungen konzipiert: Neben dem Bildteil findet man skizzenhafte Hinweise. Hier hörte man bei der Vernissage immer wieder „stimmt, schreibe ich mir ab!“ Beispielsweise: „Wir sind weit entfernt zu ahnen, was wir mit Vaterfigur meinen“, oder, im „Epikureer“: „Bildung ist, wer etwas merkt – oder nicht merkt“.

Sein Stil überspringt die Natürlichkeit der Dinge, er setzt gleich beim Erhobenen, an, so signalisierend, dass es hier nicht um plumpe Wiedererkennung geht, sondern um Geist und Bedeutung. So lässt er aus einer Art Materieblock Figuren, Köpfe und manche Charakter-Tiere hervorwachsen, „Raubvogel mit Beute“ etwa gibt viel Raum, ganz verschiedene Wesen – also Sinn – zu entdecken, genauso bei „la femme“.

Und dann hängen da noch diese klapperdürren, mit sich selbst beladenen Gestalten, zu Acht eine starke Komposition! Stets in verschiedener Pose, sind sie mit „pax vobiscum“, „Dirne“ oder „suum cuique“ betitelt. Die Galerie wird tatsächlich zum „Cosmo Cazalso“, original, grotesk – vielleicht doch genial, ein bisschen.

Wenn überforderte Akademiker diese persönliche Ästhetik partout begrifflich, surrealistisch, phantastisch-realistisch fassen wollen, ist das ihre Sache. Ein Mann wie Cazals sei eigentlich so frei davon wie seine Kunst, wie Phantasia selbst. Höchst befremdlich also, dass er den eigenen Werken unbedingt die Fessel „skurriler Irrationalismus“ aufzwingen will. Man sieht doch sofort, wie viel Ernst, Realismus und Wahrheit sie bergen. „Ungerahmt“ müssen sie bleiben! Kunst kennt doch keine Ordnung!

bis zum 1. Februar jeweils Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Samstag von 13 bis 18 Uhr geöffnet, Potsdamer Straße 74

Gerold Paul

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