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KulTOUR: „Dudelsack! Dudelsack!!“

Die Folk-Rock-Band „Luxuria“ gab in ihrer Heimatstadt Werder ein temperamentvolles Konzert

Werder (Havel) - Traditionen gilt es zu pflegen, auch wenn sie noch jung sind: Obwohl die Folk-Rock-Band „Luxuria“ erst seit drei Jahren besteht, lässt sie es sich doch nicht nehmen, jeweils Sonnabend vor dem Dritten Advent in der Heilig-Geist-Kirche zu Werder ein Konzert zu geben. So auch dieses Mal. Stark unterkühlt blieb das Gotteshaus neben der kitschig illuminierten Insel-Mühle trotz guten Besuchs, was die Instrumente mit leichter Verstimmung quittierten. Sogar die Orgel hatte Mühe, den echten Kammerton zu treffen.

Die fünfköpfige Folk-Rock-Band aus Werder ist in mancher Hinsicht extravagant. Vagant, weil sie umherzieht wie die Spielleute von einst, extra, weil man sich der „Musik vieler Jahrhunderte“ annehmen will, auf ganz eigene Art. Dabei hält es das temperamentvolle Quintett mehr mit der deutschen als mit der heute üblichen Sprache. Es kann aber auch mal Althochdeutsch sein, wie im selbst vertonten Merseburger Zauberspruch aus dem neunten Jahrhundert, oder altfranzösisch.

Bei ihrer Suche nach den eigenen Themen werden sie immer wieder im keltischen Kulturkreis fündig, in Märchen, Sagen, Mythen und Volksliedern, die sie auf markante Weise neu arrangieren. Zum Part „Folk“ gehört natürlich die besondere Instrumentierung mit Hornflöte, Davul, Djembe, Cister, Hümmelchen und Schellentamburin, zum „Rock“ der kräftig dunkle Sound vom obligaten Schlagzeug (Erik), die vielseitige E-Gitarre (Manu) und, na ja, spätestens seit Deep Purple, auch das ganze Arsenal von Flöten und Flötchen. Vokal kann „Luxuria“ auf die so sicheren wie ausdrucksvollen Stimmen des vieltalentierten Sängers und Texters Toni Deutsch sowie auf die von Bille zurückgreifen, die auch so gut die große Rahmentrommel (Davul) zu schlagen versteht. Dies gibt jedem Konzert etwas zeitlos Uriges, egal ob beim Jahrmarktsfest oder bei Hofe.

Mit „Orgel & Dudelsack“ wurde dieses Konzert beworben, der Eintritt war frei. Bevor man so ein Mümmelchen von Dudelsack zu sehen bekam, hörte man zu den dumpfen Schlägen der Trommel die von Maria gespielte Orgel. Ein Stück „Phantom der Oper“, mit vokaliser Untermalung, bärenstark, und schön, auch ohne farbiges Licht und Bühnendampf! Ein Traditional aus dem alten Frankreich, ein „Gloria“ für die Geistlichkeit des Advents. Mitsingen, mitklatschen wurde immer wieder verlangt.

Selbstgeschriebenes hatte natürlich Vorfahrt beim gepflegten Rock in der Kirche, das zweisprachige Lied vom Frieden, das kunstvoll arrangierte „Nacht von Beltrane“ oder die schaurig-schöne Ballade von „Schneeweiß und Rosenrot“, wo es im Refrain heißt: „Bring das Opfer, denn du bist die Braut!“ Toll. Der „Anderswelt“ mit ihren magischen Schatten und Elfen sind mehrere Lieder gewidmet, nicht mal am Tod kommt man da vorbei. Auch instrumental haben die Vollblutmusiker aus Werder, Potsdam und Berlin Anspruchsvolles zu bieten, mal mit Orgel und Tenorblockflöte, mal als erste Begleitstimme beim Göttertanz. Der Dudelsack von Toni hatte es dem Publikum wohl besonders angetan, es rief am Ende mehrmals nach ihm, sich dergestalt Zugaben erfechtend.

Der lateinische Bandname bezieht sich übrigens auf die „Wollust“, mit der man hier voller Lebenslust musiziert. Im katholischen Mittelalter lief dieser Begriff noch unter dem Terminus „Sünde“. In Summa jedenfalls war es ein richtig gutes, gedanklich tiefes wie musikalisch reiches Konzert voller Temperament und rockiger Ideen. Wer noch kein Weihnachtsgeschenk hat – die Titel sind auch auf einer CD zu bekommen! Gerold Paul

Gerold Paul

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