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KulTOUR: Die Kirche im Dorf

Wolf Krötke las in Nudow aus dem Buch „Aufatmen“

Nuthetal - Bei Kirchen gibt es immer etwas zu tun, innen wie außen. Das sieht man in Nudow nicht anders. Seit gut einem Jahrzehnt arbeitet der Gemeindekirchenrat, eigentlich ganz Alt- und Neu-Nudow daran, das evangelische Kronkirchlein von 1733/34 wieder auf Vordermann zu bringen. Außen ist längst alles fertig, der Turm, die Verputzung, das Dach, auch der Grund vom Kirchbau ist längst saniert. Vor drei Jahren ging man nach innen, erneuerte den Innenanstrich, restaurierte die Kanzel über’m Kreuz, das Gestühl. Finanziert wurde das alles durch Spenden, mit Unterstützung der Nachbargemeinden, durch Veranstaltungen in der Kirche. So einfallsreich kann man also am Corpus einer Kirche bauen!

Nachdem die Verkaufsausstellungen für Bilder zu Ende waren, suchte der Gemeindekirchenrat unter der Leitung von Thomas Engelhardt nach neuen Wegen, um die Vollendung des Sanierungsprojektes voranzutreiben. Man setzte, wie früher schon, auf Konzerte und Lesungen, schließlich stehen noch die Fenster und die Schuke-Orgel auf der Warteliste.

Na ja, Manfred Stolpe und Hans Otto Bräutigam waren mit ihren Büchern bereits vor Ort, Nudow und Umgebung dankten es. Zur dritten Lesung am Sonntag war der emeritierte Theologieprofessor Wolf Krötke aus Berlin eingeladen. Er stellte sein Buch „Aufatmen. Ost-westliche Einübungen in die christliche Freiheit“ vor. Guter Besuch, draußen, unter weißen Zelten, standen Kaffee und Kuchen sowie rustikale Schnittchen fürs Danach bereit, liebevoll gefertigt und gespendet von den Frauen Nudows. David Bergermann, Frank Hartwig und Maria Bendokath sorgten mit jazzigen Variationen von „Summertime“ oder „Son of a Preacher Man“ für den passenden Ton.

Auf diese Art also will man die Kirche ins Dorf zurückholen, denn zum sonntäglichen Gottesdienst kommen ja nicht viele, trotz Restaurierung.

Das Buch selbst ist eine Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen über Eigenes und Fremdes nach dem Fall der Mauer, natürlich mit Selbstbezug. Tendenz: Mehr Kirche als Gott. Zum Beispiel bei Luthers „Freiheit des Christenmenschen“. Oder mit dem zweiten Wort im Kürzel „DDR-Zeit“. Immerhin hatte man ihm da zwei Jahre Waldheim aufgebrummt. Trotzdem sagte der ehemalige HU-Professor etwas kryptisch: „Meine theologische Existenz in der DDR ist keinesfalls im Gestern versunken.“ Weitere Leseabschnitte handelten von „Abhängigkeit und freiem Willen“ sowie von der Frage, wie politisch die Kirche sein dürfe – besonders interessant, weil er diese, angeblich nach Jesus, als eine Anwältin der Demokratie im „pluralistischen Staat“ sieht.

Doch war das nicht gestern? Die Mitwirkung der Kirche in irdischen Dingen hält Krötke für unabdingbar, schließlich sei der Mensch kein „außerhalb der Welt hockendes Wesen“. Dazu aber wird Freiheit gebraucht, als „Triebkraft im Sinne des Evangeliums“. Was letztlich den ganz irdisch ausgehandelten Proporz von Staat und Kirche betrifft, so nimmt er beide Seiten ohne jeden höheren Bezug in die Pflicht. Seltsam, ist die Gemeinde Jesu nun etwa doch von dieser Welt, gleich wie die Kirche im Dorf? Eine derart säkulare Sicht auf alles Höhere konnte man von ihm in Nudow schon einmal hören, das war voriges Jahr. Hohe Stühle sind eben nicht alles!

Für alle Unfertigen indes scheint Nudow ein nützliches Beispiel dafür zu sein, ob und wie „die Kirche“ restaurierbar ist – außen wie innen. Gerold Paul

Gerold Paul

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