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KulTOUR: Die ganze Vielfalt des Ortes

Eine rundum gelungene Stahnsdorfer Kunstmeile bot Kultur in allen Facetten

Stahnsdorf - Die dritte Stahnsdorfer Kunstmeile am Wochenende war die trefflichste bisher, dies kann man mit bestem Gewissen sagen! Alles war gut organisiert, wohin immer man auch kam, fand man, was man suchte. Kinderfreundlich wieder viele der großen Höfe am inzwischen vertrauten Anger, dessen Zentrum die uralte Feldsteinkirche nebst Gottesacker bilden, ohne Zaun drum herum.

Viele der Gräber, so steht zu lesen, seien einst nach der Windrose ausgerichtet worden. Den Lebenden aber gab man im hochfenstrigen Kirchbau feinste Harfenmusik zum Anlass. Sonnenschein gratis, eine durchweg heitere Stimmung bei Künstlern und den Besuchern. Auch das kulturelle Programm konnte sich hören und sehen lassen: Ob nun Minne in Wort und Gesang bei Ulrike Seide, eine heitere Lesung mit Rita Feldmeier und Achim Wolff oder bei der Grüntee-Verkostung – die ehrenamtlichen Veranstalter hatten wirklich an alles gedacht. Der Unterschied zu vergleichbaren Offerten ist augenscheinlich: Schaut man beispielsweise bei der „Caputher Kunsttour“ mehr auf Kunst als auf Caputh, so war das in Stahnsdorf eher umgekehrt: Zuerst der Ort, und dann der Rest!

Nimmt man alles zusammen, womit die Gemeinde nunmehr besser zu wuchern versteht, so läge es doch näher, eher von einer Art Kulturmeile zu sprechen. Nicht weil es an guter Kunst und guten Künstlern fehlte, sondern weil man sich hier zu jeder Menge Lebensart eingeladen fühlt. Kultur also, nicht einfach nur die Kunst.

Man muss gesehen haben, wie liebevoll in den großen Höfen am Anger für und mit den Kindern gearbeitet wurde, wie das Große Trödeln von den vielen Gästen angenommen wurde, wo man vom Marmorwaschbecken bis zu "Winnie Puuh!" so ziemlich alles bekam, was man gerade nicht brauchte. Wie sich Dinkelbrot und Giersch-Limonade probieren ließen, wie sehr Honigschleudern und Filzen zu den kulturellen Tugenden des Ortes gehören, auch das Sieden neuer Seifen nach den uralten Rezepten! Das gemeinsame Banner-Malen auf fünfundzwanzig Metern! Und dann sitzt da im „Pflanzenhof“ auch noch jemand, der sich mit vogtländischen „Margaretenspitzen“ auskennt, eine fast ausgestorbene Knüpftechnik, die nun unbedingt weitergegeben werden soll, auch ohne passende Berge vor Ort.

Wer freilich einfach nur nach Kunst suchte, fand, von gelben Stoffbahnen geleitet, an fast jedem der vierzehn Standorte Malerei, mit dem Herzen oder dem Pinsel gemalt, kunstvolle Skulpturen aus Bronze und Gips, Keramik, metallische Brunnen für Seelen und Geister, Kunsthandwerk und Schmuck, sogar ein winziges Atelier mit dicht gestapelten Bildern. Aber auch andere Genres waren vertreten: Pantomime zum Beispiel, Bodypainting, Ballett für Kinder, Filme von Rolf Losansky, noch immer bekannt. Natürlich gab es auch diesmal wieder einige Handwerker unter den Künstlern, aber wo wäre das anders?

Die gastronomische Lebensart war überall, aber stets sehr dezent präsent. Saftiger Pflaumenkuchen hier, Beeren-Crêpes da, das unvermeidliche Dinkel-Gebäck, in der Ruhlsdorfer hat man sogar ein ganzes Haus den heiligen Kräutern der Erde geweiht – der Blick in die Geräumigkeit der Küche war durchaus erwünscht. Gehört dies alles und noch viel mehr nicht eher zur Kultur als zur Kunst, und wurde es von den zahlreichen Gästen nicht auch so verstanden? Sogar der Kulturfaktor Feuerwehr war diesmal wieder dabei! Eine runde Sache also.

Das große Fest ist also zuerst eine Selbstdarstellung des Ortes in der Vielfalt seiner Lebensweise, in seinen kulturellen wie auch künstlerischen Potenzen. Das ist mit dem alten Wort „Kunst-Meile“ nicht mehr abgedeckt. Wenn es den Stahnsdorfern endlich gelang, ihr Original-Profil zu finden, dann sollte sich das auch in einem schöneren Namen spiegeln. Gerold Paul

Gerold Paul

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