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Lärmschutz für Wietmarschen. Für die Firma Eudur wäre Michendorf nicht das erste Solarprojekt gewesen.

© Eudur GmbH

Kraftwerke an der Autobahn in Michendorf: Es könnte leiser werden

Nach dem Aus für den solaren Lärmschutz in Michendorf gibt es immer mehr offene Fragen. Offenbar gab es ein gangbares Angebot eines Branchenriesen. Doch das Land hüllt sich dazu in Schweigen.

Michendorf - Mit solaren Lärmschutzwänden an der Autobahn in Michendorf wollte das Land Brandenburg ein bundesweit ausstrahlendes Modellprojekt umsetzen. Warum das im politischen Raum gefeierte Vorhaben vor einer Woche überraschend abgesagt wurde, erscheint immer fragwürdiger. Die nordrhein-westfälische Eudur Bau GmbH, einziger Bieter eines Vergabeverfahrens für das Projekt, betonte gestern gegenüber den PNN, alle technischen Anforderungen der Ausschreibung erfüllt zu haben. Das Infrastrukturministerium wollte sich dazu mit Verweis auf das Vergaberecht nicht äußern.

Die neuen Lärmschutzwände sollten bei der anstehenden Autobahnverbreiterung zwischen den Dreiecken Potsdam und Nuthetal durch Solarpaneele um mehrere Meter erhöht und so der Lärmschutz für den hochbelasteten Ort verbessert werden. Laut Infrastrukturministerium hatte der einzige Bieter die Mindestanforderungen des Ausschreibungsverfahrens nicht erfüllt. Was das Ministerium vor einer Woche nicht mitteilte: Es handelt sich um Eudur aus Herzebrock-Clarholz. Auch aus den genauen Gründen für die Absage wird – nach dem öffentlichen Rummel im Vorfeld – ein Geheimnis gemacht.

An alle Ausschreibungskriterien gehalten

Eudur-Geschäftsführer Christian Grochtmann ist immer noch sauer über das Verfahren. Man habe sich schließlich an alle Ausschreibungskriterien gehalten. Die Absage sei gekommen, weil Eudur nicht den geforderten jährlichen Mindestumsatz von 50 Millionen Euro erreicht habe, sondern nur die Hälfte. Grochtmann verwies allerdings auf unterschiedliche Rechtsprechungen zu dem Thema, die Spielraum gegeben hätten.

So habe Eudur gemeinsam mit Subunternehmen den geforderten Mindestumsatz durchaus erreicht und das auch in den Antragsunterlagen kenntlich gemacht. „Mich hat geärgert, dass man nicht mit uns darüber gesprochen hat“, so Grochtmann. Eudur gehöre zu den Branchenführern beim Straßenlärmschutz in Deutschland, das Familienunternehmen ist seit über vier Jahrzehnten am Markt. „Ich habe mich für das Projekt in Michendorf sehr eingesetzt und Arbeit reingesteckt.“ Für eine Klage ist Grochtmann das Risiko angesichts des Streitwerts allerdings zu hoch. Die Gesamtkosten von etwa 25 Millionen Euro sollten mit 21 Millionen gefördert werden.

Firma mit Erfahrungen beim solaren Lärmschutz

mit solarem ErfahruznVor einigen Jahren habe Eudur eine solare Lärmschutzwand an einer Bundesstraße in Wietmarschen (Niedersachen) errichtet und gute Erfahrungen gemacht. „Das ist eine Art der Stromerzeugung, die niemanden stört und die es leiser macht.“ Auch der Lärmschutz für die Michendorfer hätte sich mit Eudur gegenüber den jetzt geplanten Standardwänden massiv verbessert, so Grochtmann.

Öffentlich hatte das Land erklärt, die neuen Lärmschutzwände durch Solarpaneele im Michendorfer Ortsbereich um etwa vier auf zehn Meter aufstocken zu wollen. Aus kalkulatorischen Gründen wollte Grochtmann allerdings acht Meter hohe Betonwände bauen und sie dafür nur mit zwei Meter hohen Solarpaneelen aufstocken und hat sich damit beworben. 

Im Ergebnis wären, wie gefordert, zehn Meter hohe Lärmschutzwände entstanden. Dem Wortlaut der Ausschreibung hätte das immer noch entsprochen, betonte Grochtmann. Von Mindestmaßen für die Solarpaneele war darin tatsächlich nicht die Rede. „Die Schutzwirkung wäre durch die hochabsorbierenden Betonwände sogar größer gewesen.“

Grochtmanns glaubt, die Straßenmeistereien hätten ein Problem mit solaren Lärmschutzwänden und fürchteten höheren Unterhaltungs- und Reinigungsaufwand. Grundlos, wie er meint: „Mit dem entsprechenden Winkel werden die Solarpaneele vom Regen gereinigt.“

"AG Lärmschutz Jetzt" hätte Vergabe an Eudur begrüßt

Die Michendorfer „AG Lärmschutz Jetzt“ hätte es begrüßt, wenn die Kraftwerke an der Autobahn vom einzigen Bieter gebaut worden wären. „Ich glaube, dass das Eudur-Angebot nicht die von der Landespolitik erhoffte Strahlkraft hatte“, sagte AG-Sprecher Andree Halpap gegenüber den PNN. Für von der Autobahnverbreiterung betroffene Michendorfer hätten sich aber deutliche Verbesserungen ergeben. Der Autobahnausbau von sechs auf acht Spuren soll im März beginnen und vier Jahre dauern. Nicht nur Halpap fürchtet, dass es danach lauter wird.

Dafür, dass sich die Solarpaneele bei Eudur auf zwei Höhenmeter beschränken sollten, zeigte Halpap Verständnis. Grund für das geringe Interesse am Modellprojekt seien letztlich die fatalen Wirkungen der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gewesen, vor denen auch die AG Lärmschutz gewarnt habe. „Mir hat der gute Wille des Infrastrukturministeriums gefehlt, etwas aus dieser Situation zu machen.“

Ministerium korrigiert Zahlen aus Pressemitteilung

Besonders geärgert hätten ihn die Zahlen, die das Ministerium mit der Absage in einer Pressemitteilung veröffentlichte: Demnach soll die neue Lärmschutzwand nun eine Höhe von acht statt zehn Metern haben und auf der kompletten Baulänge von neun Kilometern Flüsterasphalt aufgebracht werden. Das wäre zwar wünschenswert, doch würden die Angaben nicht dem Planfeststellungsbeschluss entsprechen, wie Halpap betonte.

„Von den etwa 5,5 Kilometern zu errichtender Lärmschutzwand sind weniger als die Hälfte acht Meter hoch geplant.“ Wände von drei bis sechs Metern Höhe würden deutlich überwiegen. Zudem solle Flüsterasphalt nur auf 4,4 Kilometern aufgebracht werden. „Das ist zwar ein Erfolg, aber leider nur schnöder Lärmschutz“, so Halpap. Vom Ministerium wurde gestern „eine Ungenauigkeit“ in Sachen Flüsterasphalt eingeräumt. Was die Höhe der Lärmschutzwände angeht, gebe es nun „flächendeckend eine hohe Absorption mit maximal acht Meter hohen Wänden“, korrigierte sich Ministeriumssprecher Steffen Streu. Zu den Aussagen von Eudur schwieg er sich aus.

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