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Georg Ebersbach leitet seit 20 Jahren die Klinik in den Beelitzer Heilstätten.

© Andreas Klaer

Klinik in den Beelitzer Heilstätten: Chefarzt Ebersbach erhält Bundesverdienstkreuz

Georg Ebersbach hilft Patienten, mit Parkinson zu leben. Dafür erhält er das Bundesverdienstkreuz. Viel Aufhebens um seine Person möchte er aber nicht machen.

Von Enrico Bellin

Beelitz-Heilstätten - Die Antwort kommt ohne Zögern: „Man gibt den Menschen eine kleine Pille, und ihre ganze Existenz ändert sich“, sagt Georg Ebersbach auf die Frage, was ihn bewogen hat, sich als neurologischer Facharzt der Erforschung von Parkinson zu widmen. Um die Aussage zu untermauern, springt der 57-Jährige vom Stuhl auf und zeigt das Video einer Patientin: Die zierliche Frau um die 50 kann sich zunächst fast gar nicht bewegen. 

Trotz der Hilfe einer Pflegerin benötigt sie mit winzigen Schritten etwa eine Minute, um einen Meter voranzukommen. In der nächsten Sequenz, eine halbe Stunde später, sitzt die Frau wild gestikulierend im Stuhl. „Da waren die Medikamente noch nicht richtig eingestellt“, so Ebersbach. Doch aus dem sogenannten Off-Modus, in dem sich Parkinsonpatienten befinden, ohne am Leben teilzuhaben, war die Dame befreit. 

Der Ersatz für den Botenstoff Dopamin, der bei Parkinson-Erkrankten fehlt, zeigte Wirkung. Noch heute, knapp 20 Jahre nach Aufnahme des Videos, ist sie bei Ebersbach in den Beelitzer Heilstätten in Behandlung.

Ebersbach ist seit Klinikgründung Chefarzt

Seit 1998 gibt es das Neurologische Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen und Parkinson, wie die Klinik offiziell heißt. Georg Ebersbach, der in Babelsberg wohnt, ist seit Klinikgründung Chefarzt. Am heutigen Mittwoch wird er für seine Forschung zu Bewegungsstörungen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Eine große Feier gibt es nicht, die Auszeichnung nimmt Ebersbach zwischen Morgenvisite und den mittäglichen Patientengesprächen entgegen. Viel Aufhebens um seine Person möchte er nicht machen, sieht die Verdienste eher als Teamleistung der 70 Klinikmitarbeiter. „Ich mache einen ganz guten Job, andere hier machen ihn aber sicher auch“, so der Chefarzt.

Schon während seines Humanmedizinstudiums an der Freien Universität Berlin, an die der in Frankfurt am Main geborene Ebersbach nach dem Zivildienst ging, habe er sich für Gehstörungen interessiert und dazu promoviert. Anschließend folgte ein Facharztstudium am Virchow-Klinikum und der Uni-Klinik Innsbruck mit Praktika in Houston (Texas) und Barcelona.

„Das war ein mutiges Projekt, eine neue Klinik hier im Umland aufbauen zu wollen“

Direkt nach der Facharztprüfung 1998 wurde er in die Heilstätten berufen, der damalige Chef der Reha-Klinik war Ebersbachs einstiger Doktorvater. „Das war ein mutiges Projekt, eine neue Klinik hier im Umland aufbauen zu wollen“, so Ebersbach. Die Gemeinde war schließlich noch nicht so gut erschlossen, die Heilstätten nicht mehr jedem ein Begriff, nachdem dort bis 1994 fast nur Angehörige des sowjetischen Militärs behandelt wurden.

Aus kleinen Anfängen in Neubauten wurde nach Umzügen und Sanierungen eine Klinik mit inzwischen 73 Betten, in der etwa 2000 Patienten im Jahr behandelt werden. Unter anderem wird ihre Dosierung des Dopamin-Ersatzes richtig festgelegt. Auch Hirnschrittmacher, die durch kleine Stromstöße Nerven stimulieren und so Körperbewegungen möglich machen, werden in den Heilstätten eingestellt, nachdem Patienten sie in Kliniken in Magdeburg oder Berlin eingesetzt bekommen haben.

Doch nicht nur Medikamente und Elektronik helfen Patienten, ein möglichst beschwerdearmes Leben – heilbar ist Parkinson nicht – zu führen. „Eines unserer größten Verdienste ist es wohl, dass wir die Anerkennung für Übungen zur Therapie deutlich erhöht haben“, glaubt Ebersbach. Bewegungstherapie sei 1998 noch als unnötiges Beiwerk abgetan worden, Ebersbach und seine Kollegen haben ihre Wirkung aber in Studien bewiesen.

Auch politisch habe er viel für Erkrankte und Pfleger bewegen können: Als nach der Jahrtausendwende die Fallpauschalen im Gesundheitssystem eingeführt wurden, habe er in einer Fachgruppe erkämpft, dass Parkinsonerkrankte eine Komplexbehandlung erstattet bekommen, die zeitaufwändig ist. „Es liegt im Wesen der Krankheit, dass sie und ihre Behandlung sich nicht beschleunigen lässt“, so der Chefarzt, der auch als Professor Studenten der Charité und der Universität Potsdam in die Neurologie einführt. Inzwischen würden 20 Prozent aller Erkrankten in Deutschland nach der Komplexmethode behandelt. Auch Apps, mit denen Erkrankte nach dem Aufenthalt weiter trainieren können, entwickelt der Chefarzt mit seinen Kollegen.

Wenn das Gefühl für Bewegung fehlt

Wie das geht? Ebersbach springt wieder auf, zückt sein Handy und startet die neu entwickelte App. Dann läuft er wie ein an Parkinson erkrankter, die Arme starr neben dem Körper. Das Handy macht langsame Musik. Als er beginnt, die Arme normal zu schwingen, wird der Rhythmus schneller. Diese akustisch Rückkopplung bräuchten die Patienten, das Gefühl für die Bewegung fehle ihnen. „Durch die Therapie bekommen die Menschen das Gefühl, dem Parkinson selbst etwas entgegensetzen zu können, und nicht nur Medikamente nehmen zu müssen.“

Projekte wie die App entwickelt das Klinikum gemeinsam mit der AOK Nordost und der Deutschen Parkinsonstiftung, die in Potsdam sitzt und dort jahrelang die Tulip-Gala organisiert hat, mit der Spenden für Parkinson-Hilfsprojekte gesammelt wurden. Allein bei der letzten Gala im Jahr 2017 kamen gut 74 000 Euro zusammen.

Die Gala gibt es nicht mehr. Georg Ebersbach versucht aber weiter, in der Bevölkerung das Bild von Parkinson zu korrigieren. „Wenn ein Mensch zittert, hat er meist kein Parkinson. Und Parkinsonpatienten zittern meist nicht.“ Die Krankheit werde oft mit Tremoren, unwillkürlichen Muskelzuckungen verwechselt.

+++ Hintergrund: Die Auswirkungen von Parkinson

Bei der Parkinson-Krankheit ist vor allem die Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin gestört. Die Neuronen im Gehirn, die Bewegungen koordinieren, können nicht mehr kommunizieren. Im sogenannten Traumschlaf liegt der Körper nicht wie üblich still, sondern macht zuckende Bewegungen. Tagsüber sind die Bewegungen dagegen stark verlangsamt. Zudem gilt Dopamin als Glückshormon. Da es fehlt, sind die Patienten oft gereizt und angeschlagen. Das kann bis hin zur Depression führen. Daher will Chefarzt Georg Ebersbach den Patienten zeigen, dass sie mit Bewegungstraining auch selbst etwas an ihrem Schicksal ändern können. Die Krankheit ist jedoch nicht heilbar und verläuft in Schüben. Patienten müssen deshalb regelmäßig in die Klinik, um Hirnschrittmacher oder Medikamentendosis nachjustieren zu lassen. 

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