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Kleinmachnow: Wenn die Rechnung zweimal kommt

Weil vor 2011 Kanalanschlüsse falsch berechnet wurden, sollen Kunden der Mittelmärkischen Wasser- und Abwasser GmbH jetzt üppige Beiträge nachzahlen. Dabei sind vierstellige Beträge nicht unüblich.

Kleinmachnow - Unverhofft kommt oft. Dass Bürger, denen vor der Wende ein Kanalanschluss gelegt wurde, Jahrzehnte später nachträglich für Netzinvestitionen zur Kasse gebeten werden, ist nicht neu. Bei den Abwasserzweckverbänden „Mittelgraben“ und „Der Teltow“ treibt die Nachveranlagung nun ganz neue Blüten. Dort sollen jetzt auch Abwasserkunden nachzahlen, die erst nach der Wende den Abwasserkanal vors Haus bekamen.

6500 Grundstückseigner oder deren Erben und Nachfolger sollen dafür geradestehen, dass vor dem Jahr 2011 angeblich falsche Anschlussbeiträge kassiert wurden. Die Michendorfer SPD kritisiert den Eingriff in den Vertrauensschutz ebenso wie die „Interessengemeinschaft für Wasser und Abwasser“ (IWA) in Nuthetal. Betriebsführer beider Verbände ist die Mittelmärkische Wasser- und Abwasser GmbH (MWA) in Kleinmachnow. Die argumentiert, dass nach den Nachwendewirren erst zum 1. Januar 2011 eine rechtswirksame Beitragssatzung zustande gekommen sei, die vorherigen Satzungen vom Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt wurden.

MWA kann nicht sagen, in welcher Höhe die Kunden zur Kasse gebeten werden

Darin habe unter anderem eine unrechtmäßige Tiefenbegrenzung für Grundstücke zur Veranlagung gegolten. Außerdem sei die vorhandene, und nicht wie jetzt die mögliche Bebauung veranlagt worden. Obwohl die Nachzahlungsbescheide schon verschickt werden, kann die MWA auf Anfrage nicht sagen, in welcher Höhe die Kunden zur Kasse gebeten werden. Nach PNN-Informationen sind es oft vierstellige Beträge, bisweilen im oberen Bereich.

Einige Kunden sollen auch Geld zurückbekommen, aber erst später. Bei den Nachzahlern hat es die MWA eilig, weil zum Jahresende eine vierjährige Verjährungsfrist abläuft. Sie startet nicht etwa mit der Beitragserhebung, sondern laut einem recht fragwürdigen rechtlichen Dreh, der erst im Jahr 2004 ins Kommunalabgabengesetz geschrieben wurde, erst mit der ersten rechtskonformen Beitragssatzung. Also in diesem Fall am 1. Januar 2011.

Betroffene sollten Widerspruch einlegen

IWA-Sprecher Helmut Grosser empfiehlt Betroffenen, Widerspruch einzulegen. Ihre Kritik richtet die Interessengemeinschaft vor allem an die Landesregierung, die durch das neue Kommunalabgabengesetz verjährte Vorgänge für nicht verjährt erklärt habe und die Abwasserverbände dränge, daraus resultierende Beitragsnachzahlungen einzutreiben.

Auch die Michendorfer SPD empfiehlt, schnellstmöglich zu widersprechen. SPD-Chef Volker Gerd Westphal begründet das mit rechtlichen Mängeln in den Nachforderungsbescheiden. So sei nicht ersichtlich, dass die Verbände ihr Ermessen ausgeübt, also geprüft haben, ob es überhaupt angezeigt war, unrechtmäßige durch rechtmäßige Bescheide zu ersetzen. Außerdem sei nicht transparent gemacht worden, dass es sich bei den ursprünglichen Zahlungen um Vorauszahlungen gehandelt habe.

Die nämlich hätten den Kunden – ebenfalls laut Kommunalabgabengesetz – mit jährlich vier Prozent verzinst werden müssen, wenn die Schlussrechnung nicht binnen sechs Jahren erfolgt. Die Zinsen wiederum müssten vom Nachzahlungsbetrag abgezogen werden, so Westphal. Insgesamt sei das Vorgehen rechtlich fragwürdig und nicht, wie die MWA behauptet, durch die Rechtsprechung gedeckt.

Rathaus hat selbst Widerspruch eingelegt

Ironie des Schicksals: Die Gemeinde Michendorf soll ihrem eigenen Zweckverband Mittelgraben für ihre Grundstücke in Wilhelmshorst selbst über 200 000 Euro nachzahlen. Das Rathaus soll Widerspruch dagegen eingelegt haben, Westphal nannte das „geradezu kafkaesk“.

Für den SPD-Mann ist die Zeit gekommen, dass Michendorfs Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) als Vorsitzender des Mittelgraben-Verbandes zurücktritt und der MWA die Betriebsführung gekündigt wird. Sie handle nicht im Interesse der Kunden und verhalte sich unvertretbar. Erst unlängst waren Trinkwasserbescheide im Mittelgraben-Verband vom Verwaltungsgericht für unbillig erklärt worden, weil ein nicht vorhandenes Wasserwerk darin eingepreist war.

Womöglich werden nun auch die Abwasserbeitragsbescheide gerichtlich gekippt. Nuthetals Linken-Chef Werner Wienert ist skeptisch, ob selbst die neue Satzung rechtlich haltbar ist. Mit den 3,79 Euro, die pro Quadratmeter erhoben werden, werde der komplette Herstellungsaufwand des Abwassernetzes veranlagt. Ein Teil der Kosten sei aber bereits mit den Abwassergebühren abgegolten. Das Potsdamer Verwaltungsgericht wird am 2. Dezember dazu entscheiden.

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